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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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der er schließlich erliegen wird." Das "Recht" ist die Befugniß des himmlischen
Reichs, den Traktat, den Dschang Hau abgeschlossen, zu verwerfen und für null
und nichtig zu erklären; denn, so sagt der Verfasser mit einem Wortspiele voll
grimmen Humors chinesischen Stils: "Nach dein in Rede stehenden Vertrage
besteht das, was China erhält, nur in zwei leeren Schriftzeichen, I und Li, und
was es dafür aufgiebt, besteht in zwanzigtausend Li (ein chinesisches Landmaß)
wirklichen Grundes und Booms in Siukiang. Der Besitz Sinkicmgs beträgt
für uns ungefähr so viel, als ob wir es nicht besäßen." Das letzte der "vier
wichtigen Dinge", der "Platt", umfaßt nichts Geringeres als einen Krieg mit
Rußland, der nach drei Richtungen hin geführt werden mich: an der Grenze
von Kaschgar, an der Linie von Wladiwostok und, falls es nöthig, bei Tientsin.
Es wird alsdann ein förmliches Programm für die drei Feldzüge entworfen,
der Verfasser macht die dazu erwählten Generale namhaft, beschreibt die ver¬
fügbaren Truppen und giebt die dabei zu verfolgende Taktik an, worauf er in
bezeichnender Weise die Meinung ausspricht, daß die Engländer und die Fran¬
zosen den Moskowitern nicht gestatten könnten, sich der Hauptstadt Chinas zu
nähern und sie zu bedrohen, da ihre Interessen mit denen des himmlischen
Reiches zusammenfielen.

Die Denkschrift des chinesischen Politikers schließt mit folgenden Sätzen:
"In dem Kampfe mit Rußland, der sich entspinnen kann, braucht China sich
nicht zu fürchten, da es nicht allein stehen würde. Mit größtmöglicher Schnellig¬
keit übe man unsere auserwählten Kriegsleute ein und armire man unsere
Festungen nach den neuesten deutschen Verbesserungen. Sollten wir in diesem
Kriege siegreich sein, so verleihe man den Siegern den Rang von (der Verfasser
nennt Titel, die unserem Fürst und Graf entsprechen); siegen wir nicht, so be¬
strafe mau unsere Krieger mit Strenge. Statt 2 800000 Taels als Entschä¬
digung für Ili zu zahlen, sollte man diese Summe zur Anwerbung starker euro¬
päischer Soldaten, die für uns kämpfen wollen, verwenden. Die Russen machen
im östlichen Turkestan fortwährend Fortschritte und verschlingen Han Heu. Ihr
Ziel ist dabei, sich der Linie hinter Indien zu bemächtigen, die mit diesen un¬
heilvollen Bestrebungen in Verbindung steht. England ist gleichermaßen bedroht.
Li Hang Dschang sollte dem englischen Gesandten auseinandersetzen, daß, wenn
man die Lippen abgeschnitten hat, es kalt an die Zähne weht, d. h. wenn die
außen vorliegenden Staaten von Rußland erobert sind, der Engländer in
Gefahr ist; dann wird er's merken und den gemeinschaftlichen Feind ebenfalls
Haffen."

So der Aufsatz in der officiellen Pekinger Zeitung, eine Staatsschrift, die
der "Scharlachstift" des chinesischen Herrschers apprvbirt hat, und die dem in¬
zwischen mit Vereinbarung eines anderen Vertrags beauftragten Gesandten am


der er schließlich erliegen wird." Das „Recht" ist die Befugniß des himmlischen
Reichs, den Traktat, den Dschang Hau abgeschlossen, zu verwerfen und für null
und nichtig zu erklären; denn, so sagt der Verfasser mit einem Wortspiele voll
grimmen Humors chinesischen Stils: „Nach dein in Rede stehenden Vertrage
besteht das, was China erhält, nur in zwei leeren Schriftzeichen, I und Li, und
was es dafür aufgiebt, besteht in zwanzigtausend Li (ein chinesisches Landmaß)
wirklichen Grundes und Booms in Siukiang. Der Besitz Sinkicmgs beträgt
für uns ungefähr so viel, als ob wir es nicht besäßen." Das letzte der „vier
wichtigen Dinge", der „Platt", umfaßt nichts Geringeres als einen Krieg mit
Rußland, der nach drei Richtungen hin geführt werden mich: an der Grenze
von Kaschgar, an der Linie von Wladiwostok und, falls es nöthig, bei Tientsin.
Es wird alsdann ein förmliches Programm für die drei Feldzüge entworfen,
der Verfasser macht die dazu erwählten Generale namhaft, beschreibt die ver¬
fügbaren Truppen und giebt die dabei zu verfolgende Taktik an, worauf er in
bezeichnender Weise die Meinung ausspricht, daß die Engländer und die Fran¬
zosen den Moskowitern nicht gestatten könnten, sich der Hauptstadt Chinas zu
nähern und sie zu bedrohen, da ihre Interessen mit denen des himmlischen
Reiches zusammenfielen.

Die Denkschrift des chinesischen Politikers schließt mit folgenden Sätzen:
„In dem Kampfe mit Rußland, der sich entspinnen kann, braucht China sich
nicht zu fürchten, da es nicht allein stehen würde. Mit größtmöglicher Schnellig¬
keit übe man unsere auserwählten Kriegsleute ein und armire man unsere
Festungen nach den neuesten deutschen Verbesserungen. Sollten wir in diesem
Kriege siegreich sein, so verleihe man den Siegern den Rang von (der Verfasser
nennt Titel, die unserem Fürst und Graf entsprechen); siegen wir nicht, so be¬
strafe mau unsere Krieger mit Strenge. Statt 2 800000 Taels als Entschä¬
digung für Ili zu zahlen, sollte man diese Summe zur Anwerbung starker euro¬
päischer Soldaten, die für uns kämpfen wollen, verwenden. Die Russen machen
im östlichen Turkestan fortwährend Fortschritte und verschlingen Han Heu. Ihr
Ziel ist dabei, sich der Linie hinter Indien zu bemächtigen, die mit diesen un¬
heilvollen Bestrebungen in Verbindung steht. England ist gleichermaßen bedroht.
Li Hang Dschang sollte dem englischen Gesandten auseinandersetzen, daß, wenn
man die Lippen abgeschnitten hat, es kalt an die Zähne weht, d. h. wenn die
außen vorliegenden Staaten von Rußland erobert sind, der Engländer in
Gefahr ist; dann wird er's merken und den gemeinschaftlichen Feind ebenfalls
Haffen."

So der Aufsatz in der officiellen Pekinger Zeitung, eine Staatsschrift, die
der „Scharlachstift" des chinesischen Herrschers apprvbirt hat, und die dem in¬
zwischen mit Vereinbarung eines anderen Vertrags beauftragten Gesandten am


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/140>, abgerufen am 23.07.2024.