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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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wird nur ausnahmsweise solchen gestattet, die ihren Unterhalt auf andere Weise
nicht gewinnen können, auch dürfen jüdische Nothhändler nur einen Gehilfen
und auch diesen nur nach Einholung obrigkeitlicher Zustimmung halten. Juden
die ohne Erlaubniß Nothhandel treiben, haben aus derlei Geschäften weder
Klage noch Einrede. Zur Verheirathung jüdischer Paare bedarf es eines Trau¬
scheins der Obrigkeit, ohne den jede Ehe nichtig ist und Strafe sowie den Ver¬
lust der Befugniß zu selbständiger Niederlassung nach sich zieht."

Weniger vorsichtig war man in Baiern gewesen, als man dort 1813 die
Verhältnisse des jüdischen Elements neu gestaltete. Zwar ist in dein betreffenden
Edict die Einwanderung und Niederlassung fremder Juden durchaus verboten,
auch soll die Zahl der jüdischen Familien an den Orten, wo solche vorhanden,
nicht vermehrt werden. Ferner ist für die Aufnahme von Jude" landesherrliche
Genehmigung erforderlich, die ihnen nur bei großen Handels-Unternehmungen
oder Errichtung von Fabriken, bei Ergreifung eines Handwerks nud Erlangung
des Meisterrechts oder bei Ankauf eines zu eigener Bewirthschaftung bestimmten
Gutes, welches zur Ernährung der Familie hinreicht, ertheilt werden soll. "Die
Juden können aber das Jndigemt erlangen, wenn sie ihre bisherige Ausmhms-
nrkunde vorlegen, feste Familiennamen zunehmen und den Unterthanen-Eid leisten,
und genießen dann die allgemeinen bürgerlichen Rechte." "Zu Staats- und
Gemeindeämtern sind sie im Allgemeinen zugelassen, nnr Landräthe und Land¬
tagsabgeordnete können sie nicht werden. Sie sind ferner militärpflichtig, auch
stehen ihnen alle Offiziersstellen offen. Der Ankauf von Immobilien steht ihnen
im Allgemeinen frei, dagegen ist ihnen der Erwerb von gutsherrlichen Rechten
und Obereigenthum über Grundstücke, deren Nutzeigenthnm Andern zusteht, ver¬
boten. Zum Wiederverkauf dürfen sie Immobilien nur bei öffentlichen Ver¬
steigerungen oder im Concurs erwerben, und in der Residenz können sie Hänser
stets nur mit landesherrlicher Genehmigung lausen. Die Pachtung von Feld¬
gütern ist ihnen erlaubt, die Verpachtung nicht und ebensowenig die Bewirth-
schaftmig derselben durch auswärtige Glaubensgenossen." Im Betriebe vou
Gewerben sind sie fast unbeschränkt. Nur die Brauerei, die Gast- und Schenk¬
wirthschaft, sowie der Häuser-, Noth- und Schacherhandel dürfen von ihnen nicht
betrieben werden. "Die Befugniß der Juden, höhere als landesübliche Zinsen
zu nehmen, sowie das Verbot der Cession einer hypothekarischen Forderung an
einen Christen ist aufgehoben. Zur Verheirathung eines Juden ist Staats¬
genehmigung nothwendig, welche den Nachweis voraussetzt, daß die für den
betreffenden Ort festgestellte Zahl von Judenfamilien uicht überschritten wird,
und daß der sich verehelichende Jude einen ordentlichen, zur Erhaltung einer
Familie ausreichenden Erwerb hat."

Am günstigsten sahen sich die Juden vor 1848 in Kurhessen gestellt, wo


wird nur ausnahmsweise solchen gestattet, die ihren Unterhalt auf andere Weise
nicht gewinnen können, auch dürfen jüdische Nothhändler nur einen Gehilfen
und auch diesen nur nach Einholung obrigkeitlicher Zustimmung halten. Juden
die ohne Erlaubniß Nothhandel treiben, haben aus derlei Geschäften weder
Klage noch Einrede. Zur Verheirathung jüdischer Paare bedarf es eines Trau¬
scheins der Obrigkeit, ohne den jede Ehe nichtig ist und Strafe sowie den Ver¬
lust der Befugniß zu selbständiger Niederlassung nach sich zieht."

Weniger vorsichtig war man in Baiern gewesen, als man dort 1813 die
Verhältnisse des jüdischen Elements neu gestaltete. Zwar ist in dein betreffenden
Edict die Einwanderung und Niederlassung fremder Juden durchaus verboten,
auch soll die Zahl der jüdischen Familien an den Orten, wo solche vorhanden,
nicht vermehrt werden. Ferner ist für die Aufnahme von Jude» landesherrliche
Genehmigung erforderlich, die ihnen nur bei großen Handels-Unternehmungen
oder Errichtung von Fabriken, bei Ergreifung eines Handwerks nud Erlangung
des Meisterrechts oder bei Ankauf eines zu eigener Bewirthschaftung bestimmten
Gutes, welches zur Ernährung der Familie hinreicht, ertheilt werden soll. „Die
Juden können aber das Jndigemt erlangen, wenn sie ihre bisherige Ausmhms-
nrkunde vorlegen, feste Familiennamen zunehmen und den Unterthanen-Eid leisten,
und genießen dann die allgemeinen bürgerlichen Rechte." „Zu Staats- und
Gemeindeämtern sind sie im Allgemeinen zugelassen, nnr Landräthe und Land¬
tagsabgeordnete können sie nicht werden. Sie sind ferner militärpflichtig, auch
stehen ihnen alle Offiziersstellen offen. Der Ankauf von Immobilien steht ihnen
im Allgemeinen frei, dagegen ist ihnen der Erwerb von gutsherrlichen Rechten
und Obereigenthum über Grundstücke, deren Nutzeigenthnm Andern zusteht, ver¬
boten. Zum Wiederverkauf dürfen sie Immobilien nur bei öffentlichen Ver¬
steigerungen oder im Concurs erwerben, und in der Residenz können sie Hänser
stets nur mit landesherrlicher Genehmigung lausen. Die Pachtung von Feld¬
gütern ist ihnen erlaubt, die Verpachtung nicht und ebensowenig die Bewirth-
schaftmig derselben durch auswärtige Glaubensgenossen." Im Betriebe vou
Gewerben sind sie fast unbeschränkt. Nur die Brauerei, die Gast- und Schenk¬
wirthschaft, sowie der Häuser-, Noth- und Schacherhandel dürfen von ihnen nicht
betrieben werden. „Die Befugniß der Juden, höhere als landesübliche Zinsen
zu nehmen, sowie das Verbot der Cession einer hypothekarischen Forderung an
einen Christen ist aufgehoben. Zur Verheirathung eines Juden ist Staats¬
genehmigung nothwendig, welche den Nachweis voraussetzt, daß die für den
betreffenden Ort festgestellte Zahl von Judenfamilien uicht überschritten wird,
und daß der sich verehelichende Jude einen ordentlichen, zur Erhaltung einer
Familie ausreichenden Erwerb hat."

Am günstigsten sahen sich die Juden vor 1848 in Kurhessen gestellt, wo


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/560>, abgerufen am 25.08.2024.