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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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vielfältigen Klagen über den schamlosen Wucher der ersteren schon 1808 ein kaiser¬
liches Decret alle Schuldforderungen der Juden erheblichen Beschränkungen unter¬
worfen, ihnen untersagt, Dienstboten ans Pfand zu leihen und Werkzeuge oder
Kleidungsstücke von Arbeitsleuten in dieser Weise anzunehmen, ferner die Frei¬
zügigkeit derselben beschränkt, insbesondere aber ihre Befugniß zu kaufmännischen
Geschäften von der Lösung alljährlich zu erneuernder Moralitätspatente abhängig
gemacht. Das Decret sollte nur auf zehn Jahre gelten. Aber nach Ablauf
derselben erklärte die Jmmediat-Commission zu Cöln, daß die Juden noch jetzt
demselben gefährlichen Schachergeiste ergeben wären und durch ihren Wucher
den Wohlstand der ländlichen Bevölkerung in gleicher Weise untergruben wie
früher. 1826 wollten die rheinischen Stände das Decret von 1808 sogar auf
die ganze Provinz ausgedehnt wissen, und noch um die Mitte der vierziger
Jahre ergab sich aus Aeußerungen der Landräthe und Friedensrichter, die nach
eigner Wahrnehmung urtheilten, daß der verderbliche Einfluß der Juden auf
die niedere Klasse der Bevölkerung noch immer fortdauere.

Die Regierung zu Aachen bemerkte, daß selbst die reicheren von ihnen unter
dein Deckmantel eines ehrlichen Gewerbes über eine Schaar von Schacherjuden
zu Wuchergeschäften verfügten. Die Generalprocuratur zu Cöln äußerte: "Die
Juden treiben in der Regel Handel mit Vieh oder Waaren und befassen sich
nur selten mit einem Handwerk oder der Landwirthschaft. Ihre Geschäfte pflegen
sie nur klein (im Umherziehen mit abgetragenen Kleidern, Lumpen und altem
Eisen) anzufangen- Bei angewachsenen Mitteln wird dieses Geschäft ausgedehnt
auf Fleisch, Ellenwaaren und andere Artikel, bis sie allmählich zu größeren
Gegenständen übergehen; vorzüglich aber finden sie ihre Rechnung bei den Land¬
bewohnern, welche sich in ihren Geldverlegenheiten fast ausschließlich an die
Juden wenden. Am häufigsten treten Uebervvrtheilungen beim Viehhandel da¬
durch hervor, daß die Juden außer dem Preise des Viehs sich eine Zugabe in
Korn, Weizen, Kartoffeln ausbedingen und die Ablieferung zu einer Zeit fordern,
wo die Preise aufs höchste gestiegen sind. Jetzt wird Aufstand verlangt und
gegeben; der Bauer borgt noch Geld dazu und verspricht Zinsen und außerdem
wieder eine Entschädigung in Früchten. Bei Ablauf des erhaltenen Aufstandes
wiederholt sich dieses Verfahren, und so geht es fort, bis der Schuldner bei
Aufstellung der durch die Zinsen hochangewachsenen Schlußrechnung sich ganz
in den Händen seines jüdischen Gläubigers befindet. Dann macht dieser sich
an die Immobilien, durch notarielle oder gerichtliche Urkunden weiß er sich
Hypothek zu verschaffen, die Subhastation wird veranlaßt und der Schuldner
an den Bettelstab gebracht. Viele Grundbesitzungen sollen ans diese Weise in
die Hände der Juden gekommen, viele Landleute verarmt, Juden dagegen, welche
noch vor zehn Jahren den Packen durch das Land getragen, Besitzer ansetzn-


vielfältigen Klagen über den schamlosen Wucher der ersteren schon 1808 ein kaiser¬
liches Decret alle Schuldforderungen der Juden erheblichen Beschränkungen unter¬
worfen, ihnen untersagt, Dienstboten ans Pfand zu leihen und Werkzeuge oder
Kleidungsstücke von Arbeitsleuten in dieser Weise anzunehmen, ferner die Frei¬
zügigkeit derselben beschränkt, insbesondere aber ihre Befugniß zu kaufmännischen
Geschäften von der Lösung alljährlich zu erneuernder Moralitätspatente abhängig
gemacht. Das Decret sollte nur auf zehn Jahre gelten. Aber nach Ablauf
derselben erklärte die Jmmediat-Commission zu Cöln, daß die Juden noch jetzt
demselben gefährlichen Schachergeiste ergeben wären und durch ihren Wucher
den Wohlstand der ländlichen Bevölkerung in gleicher Weise untergruben wie
früher. 1826 wollten die rheinischen Stände das Decret von 1808 sogar auf
die ganze Provinz ausgedehnt wissen, und noch um die Mitte der vierziger
Jahre ergab sich aus Aeußerungen der Landräthe und Friedensrichter, die nach
eigner Wahrnehmung urtheilten, daß der verderbliche Einfluß der Juden auf
die niedere Klasse der Bevölkerung noch immer fortdauere.

Die Regierung zu Aachen bemerkte, daß selbst die reicheren von ihnen unter
dein Deckmantel eines ehrlichen Gewerbes über eine Schaar von Schacherjuden
zu Wuchergeschäften verfügten. Die Generalprocuratur zu Cöln äußerte: „Die
Juden treiben in der Regel Handel mit Vieh oder Waaren und befassen sich
nur selten mit einem Handwerk oder der Landwirthschaft. Ihre Geschäfte pflegen
sie nur klein (im Umherziehen mit abgetragenen Kleidern, Lumpen und altem
Eisen) anzufangen- Bei angewachsenen Mitteln wird dieses Geschäft ausgedehnt
auf Fleisch, Ellenwaaren und andere Artikel, bis sie allmählich zu größeren
Gegenständen übergehen; vorzüglich aber finden sie ihre Rechnung bei den Land¬
bewohnern, welche sich in ihren Geldverlegenheiten fast ausschließlich an die
Juden wenden. Am häufigsten treten Uebervvrtheilungen beim Viehhandel da¬
durch hervor, daß die Juden außer dem Preise des Viehs sich eine Zugabe in
Korn, Weizen, Kartoffeln ausbedingen und die Ablieferung zu einer Zeit fordern,
wo die Preise aufs höchste gestiegen sind. Jetzt wird Aufstand verlangt und
gegeben; der Bauer borgt noch Geld dazu und verspricht Zinsen und außerdem
wieder eine Entschädigung in Früchten. Bei Ablauf des erhaltenen Aufstandes
wiederholt sich dieses Verfahren, und so geht es fort, bis der Schuldner bei
Aufstellung der durch die Zinsen hochangewachsenen Schlußrechnung sich ganz
in den Händen seines jüdischen Gläubigers befindet. Dann macht dieser sich
an die Immobilien, durch notarielle oder gerichtliche Urkunden weiß er sich
Hypothek zu verschaffen, die Subhastation wird veranlaßt und der Schuldner
an den Bettelstab gebracht. Viele Grundbesitzungen sollen ans diese Weise in
die Hände der Juden gekommen, viele Landleute verarmt, Juden dagegen, welche
noch vor zehn Jahren den Packen durch das Land getragen, Besitzer ansetzn-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/555>, abgerufen am 23.07.2024.