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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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Boers zurückgegeben würde, sie sich eine eigene Regierung geben und dieselbe
mit Waffengewalt aufrechthalten würden.

Die große Volksversammlung vom 10. December hatte stattgefunden, ob¬
gleich Sir Garnet unmittelbar vorher durch eine Proclamation jede aufrühre¬
rische Versammlung verboten hatte, aufrührerisch (s6aille>v.s) in dem Sinne,
daß sie sich der brittischen Regierung widersetzte. Sie war in Ruhe und Ord¬
nung verlaufen und auseinandergegangen, ohne dem brittischen Bevollmächtigten
den erwarteten Anlaß zu geben, mit den Waffen einzuschreiten. Er hätte sie
seiner Proclamation gemäß verhindern oder auseinander treiben müssen. Statt
dessen begnügte er sich damit, die Ueberbringer der Beschlüsse der Versammlung,
Pretorius und den Secretär des Volksraths, Bot, des Hochverraths zu bezich¬
tigen und gefangen zu setzen. Bot wurde gegen Caution auf freien Fuß gesetzt,
Pretorius erhielt eine gleiche Vergünstigung nicht bewilligt. Man erklärte sich
diese Härte durch früher ausgesprochene Verdächtigungen, wonach die Boers mit
dem Zulukönige wegen gemeinsamer Action gegen die Britten in Unterhandlung
getreten wären, eine Unterhandlung, die zu nichts führte, weil Cetewayo bis zu
Eude entschlossen blieb, nicht aggressiv gegen die brittische Macht vorzugehen.

Eine andere Maßregel des brittischen Oberbefehlshabers, durch welche er
zugleich den Wünschen der englischen Bevölkerung von Pretoria entgegenkam
und den Boers die Zufuhr von Kriegsmaterial abschnitt, war das Abkommen,
welches er in Betreff einer von der portugiesischen Colonie in Delagoa-Bay nach
dem Transvaal zu erbauenden Eisenbahn schloß, und durch welches die Aufsicht
über diese den Boers allein übriggebliebene Straße an das Meer den Britten
übergeben wurde. Eine kleine Trübung des anscheinenden Triumphs, den die
Politik der Gewalt in Transvaal feierte, und den sie dnrch viel Trommeln und
Marschiren und ähnliche militärische Machtentfaltungen nachhaltig zu beweisen
suchte, so daß alle Augenblicke wieder die Furcht vor einem bewaffneten Zu-
sammenstoß entstand, brachte der fast gleichzeitig mit der großen Volksver¬
sammlung der Boers von dem gesetzgebenden Rath der Colonie Natal gefaßte
Beschluß wegen Herstellung einer verantwortlichen Regierung, die nach der
ursprüngliche" Verfassung in Natal bestanden hatte, vor wenigen Jahren aber
durch die schlauen Manöver des Sir Garnet praktisch beseitigt war, sodaß
Natal jetzt eine Executive hat, die thatsächlich dem Auswärtigen Amte in London
und nur scheinbar dem gesetzgebenden Rath der Colonie verantwortlich ist.

Während nun ein Theil der Boers sich anschickte, das Land zu verlassen
und weiter nach Norden zu ziehen (trsKKsn), um der verhaßten brittischen
Herrschaft zu entgehen, während einige ihrer Führer, Krüger und Joubert, der
Schwager von Pretorius, verschwanden, weil sie sich nach der Gefangennahme
von Bot und Pretorius nicht sicher glaubten, gelang es Sir Garnet Wolseley,


Boers zurückgegeben würde, sie sich eine eigene Regierung geben und dieselbe
mit Waffengewalt aufrechthalten würden.

Die große Volksversammlung vom 10. December hatte stattgefunden, ob¬
gleich Sir Garnet unmittelbar vorher durch eine Proclamation jede aufrühre¬
rische Versammlung verboten hatte, aufrührerisch (s6aille>v.s) in dem Sinne,
daß sie sich der brittischen Regierung widersetzte. Sie war in Ruhe und Ord¬
nung verlaufen und auseinandergegangen, ohne dem brittischen Bevollmächtigten
den erwarteten Anlaß zu geben, mit den Waffen einzuschreiten. Er hätte sie
seiner Proclamation gemäß verhindern oder auseinander treiben müssen. Statt
dessen begnügte er sich damit, die Ueberbringer der Beschlüsse der Versammlung,
Pretorius und den Secretär des Volksraths, Bot, des Hochverraths zu bezich¬
tigen und gefangen zu setzen. Bot wurde gegen Caution auf freien Fuß gesetzt,
Pretorius erhielt eine gleiche Vergünstigung nicht bewilligt. Man erklärte sich
diese Härte durch früher ausgesprochene Verdächtigungen, wonach die Boers mit
dem Zulukönige wegen gemeinsamer Action gegen die Britten in Unterhandlung
getreten wären, eine Unterhandlung, die zu nichts führte, weil Cetewayo bis zu
Eude entschlossen blieb, nicht aggressiv gegen die brittische Macht vorzugehen.

Eine andere Maßregel des brittischen Oberbefehlshabers, durch welche er
zugleich den Wünschen der englischen Bevölkerung von Pretoria entgegenkam
und den Boers die Zufuhr von Kriegsmaterial abschnitt, war das Abkommen,
welches er in Betreff einer von der portugiesischen Colonie in Delagoa-Bay nach
dem Transvaal zu erbauenden Eisenbahn schloß, und durch welches die Aufsicht
über diese den Boers allein übriggebliebene Straße an das Meer den Britten
übergeben wurde. Eine kleine Trübung des anscheinenden Triumphs, den die
Politik der Gewalt in Transvaal feierte, und den sie dnrch viel Trommeln und
Marschiren und ähnliche militärische Machtentfaltungen nachhaltig zu beweisen
suchte, so daß alle Augenblicke wieder die Furcht vor einem bewaffneten Zu-
sammenstoß entstand, brachte der fast gleichzeitig mit der großen Volksver¬
sammlung der Boers von dem gesetzgebenden Rath der Colonie Natal gefaßte
Beschluß wegen Herstellung einer verantwortlichen Regierung, die nach der
ursprüngliche« Verfassung in Natal bestanden hatte, vor wenigen Jahren aber
durch die schlauen Manöver des Sir Garnet praktisch beseitigt war, sodaß
Natal jetzt eine Executive hat, die thatsächlich dem Auswärtigen Amte in London
und nur scheinbar dem gesetzgebenden Rath der Colonie verantwortlich ist.

Während nun ein Theil der Boers sich anschickte, das Land zu verlassen
und weiter nach Norden zu ziehen (trsKKsn), um der verhaßten brittischen
Herrschaft zu entgehen, während einige ihrer Führer, Krüger und Joubert, der
Schwager von Pretorius, verschwanden, weil sie sich nach der Gefangennahme
von Bot und Pretorius nicht sicher glaubten, gelang es Sir Garnet Wolseley,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/502>, abgerufen am 03.07.2024.