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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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Regiment und speciell mit der Abschaffung der Sclaverei nicht vertragen wollten,
den Kaffern und Betschuanen abgenommen und durch harte Kämpfe gegen diese
behauptet worden. Die besiegten Kaffern wurden Leibeigene der Boers. Die
Begründung einer freistaatlichen Ordnung fand 1848 statt, als die aus Natal
vor der englischen Herrschaft unter Führung von Andreas Pretorius entwichenen
Boers, die sich südlich vom Vaalfluß niedergelassen hatten, auch hier von briti¬
scher Herrschaft bedroht, sich unter demselben Pretorius auf das rechte Ufer des Vaal-
flusses in Sicherheit brachten. In ein Land, fast fo groß wie Deutschland,
theilten sich dort etwa 2000 Boers, die mit ihren Familien ungefähr 6000
Köpfe zählten und über etwa 200000 Leibeigene geboten. Die südlich vom
Vaalfluß sitzengebliebenen Boers geriethen auf einige Jahre Unter brittisches
Regiment; später (1854) hat Großbritannien es für vortheilhafter gefunden, sie,
die ungefähr 10000 Köpfe stark über nur 6000 Kaffern geboten, sich im Orange¬
fluß-Freistaat, oder dem Freistaat schlechthin, selbständig constituiren zu lassen.
Auf den Kopf des Andreas Pretorius, der es gewagt hatte, 1848 den Brüten
in der Schlacht bei Boomplatz mit den Waffen zu widerstehen, war ein Preis
von 2000 Pfund gesetzt. Dennoch wurde zwischen ihm als Präsidenten der
südafrikanischen Republik, d. h. des Transvaal, und einem brittischen Commissär
1852 ein Vortrag geschlossen, in welchem die Selbständigkeit der Republik von
brittischer Seite anerkannt wurde. Bebungen wurde jedoch, daß keine Sclaverei
in Transvaal stattfinden sollte, wogegen die Britten versprachen, keine Verträge
mit den Eingeborenen nördlich vom Vaalflusse zu schließen und keine Verbin¬
dungen mit ihnen einzugehen. Der Begriff des Wortes Sclaverei wurde dabei
nicht näher bestimmt. Die Boers hatten das Land durch Eroberung zu ihrem
Eigenthum gemacht und, da sie Knechte brauchten, einen Theil der Besiegten
am Leben gelassen, gerade so, wie es Wilhelm der Eroberer mit England machte.
In der Capcolonie sind die ehemaligen Leibeignen der Kolonisten durch Gesetz
von 1834, das 1838 effectiv wurde, zu freien Arbeitern geworden, die im Tage¬
lohn arbeiten, und von denen nur sehr wenige auf eignem Grund und Boden
wohnen. In Transvaal war ein solches Verhältniß der Sieger und Eigen¬
thümer des Bodens zu den fünfzigmal zahlreicheren Besiegten und zur Zwangs¬
arbeit unterworfenen Kaffern unmöglich herzustellen, wenn die Boers im Lande
bleiben wollten. Die letzteren mußten sich also damit begnügen, ihre Unter¬
worfenen in einer milden Art von Leibeigenschaft zu halten, die von dem, was
man Sclaverei nennt, ziemlich weit entfernt ist. Wenn die Britten aber den
Begriff des Wortes Sclaverei so dehnen wollen, daß sie alle die für Sclaven
erklären, die nicht über ihre Person und ihre Arbeit willkürlich verfügen können,
so haben die Boers den 1852 geschlossenen Vertrag nicht erfüllt. Zwischen
der absoluten Rechtlosigkeit eines Negersclaven und der persönlichen Freiheit


Regiment und speciell mit der Abschaffung der Sclaverei nicht vertragen wollten,
den Kaffern und Betschuanen abgenommen und durch harte Kämpfe gegen diese
behauptet worden. Die besiegten Kaffern wurden Leibeigene der Boers. Die
Begründung einer freistaatlichen Ordnung fand 1848 statt, als die aus Natal
vor der englischen Herrschaft unter Führung von Andreas Pretorius entwichenen
Boers, die sich südlich vom Vaalfluß niedergelassen hatten, auch hier von briti¬
scher Herrschaft bedroht, sich unter demselben Pretorius auf das rechte Ufer des Vaal-
flusses in Sicherheit brachten. In ein Land, fast fo groß wie Deutschland,
theilten sich dort etwa 2000 Boers, die mit ihren Familien ungefähr 6000
Köpfe zählten und über etwa 200000 Leibeigene geboten. Die südlich vom
Vaalfluß sitzengebliebenen Boers geriethen auf einige Jahre Unter brittisches
Regiment; später (1854) hat Großbritannien es für vortheilhafter gefunden, sie,
die ungefähr 10000 Köpfe stark über nur 6000 Kaffern geboten, sich im Orange¬
fluß-Freistaat, oder dem Freistaat schlechthin, selbständig constituiren zu lassen.
Auf den Kopf des Andreas Pretorius, der es gewagt hatte, 1848 den Brüten
in der Schlacht bei Boomplatz mit den Waffen zu widerstehen, war ein Preis
von 2000 Pfund gesetzt. Dennoch wurde zwischen ihm als Präsidenten der
südafrikanischen Republik, d. h. des Transvaal, und einem brittischen Commissär
1852 ein Vortrag geschlossen, in welchem die Selbständigkeit der Republik von
brittischer Seite anerkannt wurde. Bebungen wurde jedoch, daß keine Sclaverei
in Transvaal stattfinden sollte, wogegen die Britten versprachen, keine Verträge
mit den Eingeborenen nördlich vom Vaalflusse zu schließen und keine Verbin¬
dungen mit ihnen einzugehen. Der Begriff des Wortes Sclaverei wurde dabei
nicht näher bestimmt. Die Boers hatten das Land durch Eroberung zu ihrem
Eigenthum gemacht und, da sie Knechte brauchten, einen Theil der Besiegten
am Leben gelassen, gerade so, wie es Wilhelm der Eroberer mit England machte.
In der Capcolonie sind die ehemaligen Leibeignen der Kolonisten durch Gesetz
von 1834, das 1838 effectiv wurde, zu freien Arbeitern geworden, die im Tage¬
lohn arbeiten, und von denen nur sehr wenige auf eignem Grund und Boden
wohnen. In Transvaal war ein solches Verhältniß der Sieger und Eigen¬
thümer des Bodens zu den fünfzigmal zahlreicheren Besiegten und zur Zwangs¬
arbeit unterworfenen Kaffern unmöglich herzustellen, wenn die Boers im Lande
bleiben wollten. Die letzteren mußten sich also damit begnügen, ihre Unter¬
worfenen in einer milden Art von Leibeigenschaft zu halten, die von dem, was
man Sclaverei nennt, ziemlich weit entfernt ist. Wenn die Britten aber den
Begriff des Wortes Sclaverei so dehnen wollen, daß sie alle die für Sclaven
erklären, die nicht über ihre Person und ihre Arbeit willkürlich verfügen können,
so haben die Boers den 1852 geschlossenen Vertrag nicht erfüllt. Zwischen
der absoluten Rechtlosigkeit eines Negersclaven und der persönlichen Freiheit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/496>, abgerufen am 03.07.2024.