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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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Boers, ihre Selbständigkeit in dem großen und fruchtbaren Lande nördlich und
südlich vom Vaalflusse zu erhalten bemüht sind, eröffnet der deutschen Auswande¬
rung höchst vortheilhafte Aussichten. Denn was holländisch ist, ist halb schon
deutsch und muß und wird einmal ganz deutsch werden, wenn wir das Unsere
thun, um es vor der Anglisirung zu behüten. Je mehr Deutsche sich in die
holländische Bevölkerung von Südafrika mischen und sich mit den Africcmders
amalgamiren, desto sicherer ist uns hier eine große und weiterer Vergrößerung
fähige auswärtige Besitzung. Ein Glück für uns, daß der Strom der brittischen
Auswanderung das Capland meidet und künstlich vom Mutterlande dorthin
gelenkt werden muß; auf 150000 Ansiedler holländischer Abkunft kommen nur
80000 brittische, obgleich das Land seit 75 Jahren in festem englischen Besitz
und seitdem um das Fünfzehnfache der einstigen Größe gewachsen ist, und ob¬
gleich die ganze östliche Küste nur von Britten besetzt ist. Da wo der
holländische Bauer gut fortkommt, weil er mit nachdrücklichem und geduldigen
Fleiß der Natur den Boden abringe, mit dem Ertrag des Ackerbaues, des Wein¬
baues und der Weiden sich begnügend, kann der brittische Farmer nicht gegen
ihn aufkommen. Der Britte, der schnell reich werden will, um seine Beute
später als Nabob in England zu verzehren, hat dazu in Südafrika, mit Aus¬
nahme der Diamantgruben von Kimberley, weniger Aussicht als in Indien und
Australien. In den für den Handel günstig gelegenen Städten von West- und
Ost-Capland, wie in den Diamantfeldern dominirt daher die brittische Bevölke¬
rung, während der unverhältnißmäßig viel größere für Ackerbau und Viehzucht
taugliche Boden im Besitz der Africcmders, d. h. der Grundbesitzer holländischen
Blutes, ist, mit denen sich nur wenige Britten und Deutsche vermengt haben.
Mit dem reichen Boden, der freilich geduldige Arbeit verlangt, wissen die
Britten sich nicht zu befreunden; in Natal z. B, wo sie mit Hilfe indischer
Kukis Zuckerrohr bauen, so weit das Land gut bewässert ist, und von wo die
Boers vor ihnen wie vor dem Beelzebub nach Transvaal entwichen sind, wissen
sie augenblicklich nicht, was sie mit den landeinwärts gelegenen fruchtbaren
Districten anfangen sollen, seitdem die dort angesiedelten Zulus, die Nachfolger
der Boers, in Massen nach dem nördlich gelegenen, besser bewässerten Zulu¬
lande auswandern. Die Zulus nämlich, die ein starkes Selbstgefühl haben und
sich unter den Kaffern durch geistige Begabung vortheilhaft auszeichnen, gehen
dem brittischen Hochmuth mit demselben Haß aus dem Wege, wie es die Boers
thun; beide sind roh, obwohl in verschiedener Art, aber der Britte ist mit all
seiner Cultur und seinem Raffinement so brutal wie ein Russe.

Um die augenblickliche Lage des Transvaal ganz zu verstehen, müssen wir
ein wenig auf vergangene Ereignisse zurückblicken. Das Land ist seit 1837
von deu holländischen Kolonisten des Captantes, die sich mit dem englischen


Boers, ihre Selbständigkeit in dem großen und fruchtbaren Lande nördlich und
südlich vom Vaalflusse zu erhalten bemüht sind, eröffnet der deutschen Auswande¬
rung höchst vortheilhafte Aussichten. Denn was holländisch ist, ist halb schon
deutsch und muß und wird einmal ganz deutsch werden, wenn wir das Unsere
thun, um es vor der Anglisirung zu behüten. Je mehr Deutsche sich in die
holländische Bevölkerung von Südafrika mischen und sich mit den Africcmders
amalgamiren, desto sicherer ist uns hier eine große und weiterer Vergrößerung
fähige auswärtige Besitzung. Ein Glück für uns, daß der Strom der brittischen
Auswanderung das Capland meidet und künstlich vom Mutterlande dorthin
gelenkt werden muß; auf 150000 Ansiedler holländischer Abkunft kommen nur
80000 brittische, obgleich das Land seit 75 Jahren in festem englischen Besitz
und seitdem um das Fünfzehnfache der einstigen Größe gewachsen ist, und ob¬
gleich die ganze östliche Küste nur von Britten besetzt ist. Da wo der
holländische Bauer gut fortkommt, weil er mit nachdrücklichem und geduldigen
Fleiß der Natur den Boden abringe, mit dem Ertrag des Ackerbaues, des Wein¬
baues und der Weiden sich begnügend, kann der brittische Farmer nicht gegen
ihn aufkommen. Der Britte, der schnell reich werden will, um seine Beute
später als Nabob in England zu verzehren, hat dazu in Südafrika, mit Aus¬
nahme der Diamantgruben von Kimberley, weniger Aussicht als in Indien und
Australien. In den für den Handel günstig gelegenen Städten von West- und
Ost-Capland, wie in den Diamantfeldern dominirt daher die brittische Bevölke¬
rung, während der unverhältnißmäßig viel größere für Ackerbau und Viehzucht
taugliche Boden im Besitz der Africcmders, d. h. der Grundbesitzer holländischen
Blutes, ist, mit denen sich nur wenige Britten und Deutsche vermengt haben.
Mit dem reichen Boden, der freilich geduldige Arbeit verlangt, wissen die
Britten sich nicht zu befreunden; in Natal z. B, wo sie mit Hilfe indischer
Kukis Zuckerrohr bauen, so weit das Land gut bewässert ist, und von wo die
Boers vor ihnen wie vor dem Beelzebub nach Transvaal entwichen sind, wissen
sie augenblicklich nicht, was sie mit den landeinwärts gelegenen fruchtbaren
Districten anfangen sollen, seitdem die dort angesiedelten Zulus, die Nachfolger
der Boers, in Massen nach dem nördlich gelegenen, besser bewässerten Zulu¬
lande auswandern. Die Zulus nämlich, die ein starkes Selbstgefühl haben und
sich unter den Kaffern durch geistige Begabung vortheilhaft auszeichnen, gehen
dem brittischen Hochmuth mit demselben Haß aus dem Wege, wie es die Boers
thun; beide sind roh, obwohl in verschiedener Art, aber der Britte ist mit all
seiner Cultur und seinem Raffinement so brutal wie ein Russe.

Um die augenblickliche Lage des Transvaal ganz zu verstehen, müssen wir
ein wenig auf vergangene Ereignisse zurückblicken. Das Land ist seit 1837
von deu holländischen Kolonisten des Captantes, die sich mit dem englischen


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[0495] Boers, ihre Selbständigkeit in dem großen und fruchtbaren Lande nördlich und südlich vom Vaalflusse zu erhalten bemüht sind, eröffnet der deutschen Auswande¬ rung höchst vortheilhafte Aussichten. Denn was holländisch ist, ist halb schon deutsch und muß und wird einmal ganz deutsch werden, wenn wir das Unsere thun, um es vor der Anglisirung zu behüten. Je mehr Deutsche sich in die holländische Bevölkerung von Südafrika mischen und sich mit den Africcmders amalgamiren, desto sicherer ist uns hier eine große und weiterer Vergrößerung fähige auswärtige Besitzung. Ein Glück für uns, daß der Strom der brittischen Auswanderung das Capland meidet und künstlich vom Mutterlande dorthin gelenkt werden muß; auf 150000 Ansiedler holländischer Abkunft kommen nur 80000 brittische, obgleich das Land seit 75 Jahren in festem englischen Besitz und seitdem um das Fünfzehnfache der einstigen Größe gewachsen ist, und ob¬ gleich die ganze östliche Küste nur von Britten besetzt ist. Da wo der holländische Bauer gut fortkommt, weil er mit nachdrücklichem und geduldigen Fleiß der Natur den Boden abringe, mit dem Ertrag des Ackerbaues, des Wein¬ baues und der Weiden sich begnügend, kann der brittische Farmer nicht gegen ihn aufkommen. Der Britte, der schnell reich werden will, um seine Beute später als Nabob in England zu verzehren, hat dazu in Südafrika, mit Aus¬ nahme der Diamantgruben von Kimberley, weniger Aussicht als in Indien und Australien. In den für den Handel günstig gelegenen Städten von West- und Ost-Capland, wie in den Diamantfeldern dominirt daher die brittische Bevölke¬ rung, während der unverhältnißmäßig viel größere für Ackerbau und Viehzucht taugliche Boden im Besitz der Africcmders, d. h. der Grundbesitzer holländischen Blutes, ist, mit denen sich nur wenige Britten und Deutsche vermengt haben. Mit dem reichen Boden, der freilich geduldige Arbeit verlangt, wissen die Britten sich nicht zu befreunden; in Natal z. B, wo sie mit Hilfe indischer Kukis Zuckerrohr bauen, so weit das Land gut bewässert ist, und von wo die Boers vor ihnen wie vor dem Beelzebub nach Transvaal entwichen sind, wissen sie augenblicklich nicht, was sie mit den landeinwärts gelegenen fruchtbaren Districten anfangen sollen, seitdem die dort angesiedelten Zulus, die Nachfolger der Boers, in Massen nach dem nördlich gelegenen, besser bewässerten Zulu¬ lande auswandern. Die Zulus nämlich, die ein starkes Selbstgefühl haben und sich unter den Kaffern durch geistige Begabung vortheilhaft auszeichnen, gehen dem brittischen Hochmuth mit demselben Haß aus dem Wege, wie es die Boers thun; beide sind roh, obwohl in verschiedener Art, aber der Britte ist mit all seiner Cultur und seinem Raffinement so brutal wie ein Russe. Um die augenblickliche Lage des Transvaal ganz zu verstehen, müssen wir ein wenig auf vergangene Ereignisse zurückblicken. Das Land ist seit 1837 von deu holländischen Kolonisten des Captantes, die sich mit dem englischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/495>, abgerufen am 23.07.2024.