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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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schauenden römischen Damen abwich, Hoheit und nngebeugteu Stolz las man
in diesen Mienen nicht, nur kleinlichen Trotz, Verbissenheit und ohnmächtigen
Ingrimm. So ging es durch das ganze Bild: trotz des riesigen Apparates,
trotz des Massenaufgebotes von Menschen und Thieren, nirgends ein Zug von
Mahrer Größe. Das Ganze erinnerte wiederum an die Bühne, an die Wagner-
schen Opern mit ihren prunkvollen Aufzügen, die ja in München zuerst nach
dem Sinne des "Meisters" in Scene gingen. Die Thusnelda kam wenigstens
unter dem Troß der Gefangenen und der begleitenden Soldaten zu einer gewissen
Geltung. Aber der Triumphator verschwand ganz im Getümmel des Hinter¬
grundes, und der finstre Tiberius oben auf der Tribüne, in dessen Charakteristik
der Künstler einen Anlauf zu einer tieferen, psychologischen Analyse genommen
hatte, sah mit seinem auf die Brust gesenkten Haupte, welches einen Bruch der
Wirbelsäule vermuthen ließ, so unglücklich aus, daß er eine entschieden komische
Rolle spielte. Die Einzelgruppen des Vordergrundes fesselten auch hier wiederum
das Interesse der Beschauer in höherem Grade als die Hauptpersonen, deren
historische Bedeutung auch nicht annähernd wiedergegeben war. Dem Zuge wird
mit symbolischer Absicht ein Bär an einer Kette voraufgeführt. Ein römischer
Soldat zerrt einen greisen germanischen Barden unter dem Hohngeschrei von
Weibern aus dem Volke am Barte. Und damit sich die Virtuosität des Pinsels
auch wiederum an glänzender Etalage zeigen konnte, war links im Vordergrunde
unter der ehernen Wölfin, der Amme Roms, ein Haufe von eroberten Waffen,
Gefäßen, Kostbarkeiten und anderen Trophäen aufgeschichtet.

Freilich ergoß sich über das Ganze ein bezauberndes Farbenspiel, in welchem
nur gelbe und violette Töne zu stark dominirten, und die Wirkung des durch
ein weißes Velarium gedämpften Sonnenlichtes war von außerordentlichem
malerischen Reiz. Gleichwohl steht das Gemälde coloristisch nicht auf der Höhe
jener Schöpfungen Pilotys, welche seinen Ruf als Maler begründet haben.
Die Flausen der Färbung machte sich stellenweise zum Schaden der Harmonie
der Gesammtwirkung sehr bemerklich. Es schien fast, als wollte sich Piloty in
der Farbe einem gewissen Idealismus zuneigen, den man sogar in der Kompo¬
sition deutlich bemerken konnte. Mit Recht wurde darauf aufmerksam gemacht,
daß Piloty in dem Sireben nach monumentalen Charakter einen Aufbau der
Komposition im Stile Kaulbachs versucht hatte. Woltmann fand sogar mit
sicherem Blick noch andere Eigenschaften des Kanlbachschen Stils heraus: "das
Streben nach rein sinnlichem Effect, besonders bei den weiblichen Gestalten, den
M Schau getragenen Schein der Größe, nur daß Piloty alle diese Elemente
nicht in dem Maße wie Kaulbach durch den Rhythmus der Linien zu bändigen
w Stande ist".

So war also der Vorkämpfer des Realismus uach fünfundzwanzig Jahren


schauenden römischen Damen abwich, Hoheit und nngebeugteu Stolz las man
in diesen Mienen nicht, nur kleinlichen Trotz, Verbissenheit und ohnmächtigen
Ingrimm. So ging es durch das ganze Bild: trotz des riesigen Apparates,
trotz des Massenaufgebotes von Menschen und Thieren, nirgends ein Zug von
Mahrer Größe. Das Ganze erinnerte wiederum an die Bühne, an die Wagner-
schen Opern mit ihren prunkvollen Aufzügen, die ja in München zuerst nach
dem Sinne des „Meisters" in Scene gingen. Die Thusnelda kam wenigstens
unter dem Troß der Gefangenen und der begleitenden Soldaten zu einer gewissen
Geltung. Aber der Triumphator verschwand ganz im Getümmel des Hinter¬
grundes, und der finstre Tiberius oben auf der Tribüne, in dessen Charakteristik
der Künstler einen Anlauf zu einer tieferen, psychologischen Analyse genommen
hatte, sah mit seinem auf die Brust gesenkten Haupte, welches einen Bruch der
Wirbelsäule vermuthen ließ, so unglücklich aus, daß er eine entschieden komische
Rolle spielte. Die Einzelgruppen des Vordergrundes fesselten auch hier wiederum
das Interesse der Beschauer in höherem Grade als die Hauptpersonen, deren
historische Bedeutung auch nicht annähernd wiedergegeben war. Dem Zuge wird
mit symbolischer Absicht ein Bär an einer Kette voraufgeführt. Ein römischer
Soldat zerrt einen greisen germanischen Barden unter dem Hohngeschrei von
Weibern aus dem Volke am Barte. Und damit sich die Virtuosität des Pinsels
auch wiederum an glänzender Etalage zeigen konnte, war links im Vordergrunde
unter der ehernen Wölfin, der Amme Roms, ein Haufe von eroberten Waffen,
Gefäßen, Kostbarkeiten und anderen Trophäen aufgeschichtet.

Freilich ergoß sich über das Ganze ein bezauberndes Farbenspiel, in welchem
nur gelbe und violette Töne zu stark dominirten, und die Wirkung des durch
ein weißes Velarium gedämpften Sonnenlichtes war von außerordentlichem
malerischen Reiz. Gleichwohl steht das Gemälde coloristisch nicht auf der Höhe
jener Schöpfungen Pilotys, welche seinen Ruf als Maler begründet haben.
Die Flausen der Färbung machte sich stellenweise zum Schaden der Harmonie
der Gesammtwirkung sehr bemerklich. Es schien fast, als wollte sich Piloty in
der Farbe einem gewissen Idealismus zuneigen, den man sogar in der Kompo¬
sition deutlich bemerken konnte. Mit Recht wurde darauf aufmerksam gemacht,
daß Piloty in dem Sireben nach monumentalen Charakter einen Aufbau der
Komposition im Stile Kaulbachs versucht hatte. Woltmann fand sogar mit
sicherem Blick noch andere Eigenschaften des Kanlbachschen Stils heraus: „das
Streben nach rein sinnlichem Effect, besonders bei den weiblichen Gestalten, den
M Schau getragenen Schein der Größe, nur daß Piloty alle diese Elemente
nicht in dem Maße wie Kaulbach durch den Rhythmus der Linien zu bändigen
w Stande ist".

So war also der Vorkämpfer des Realismus uach fünfundzwanzig Jahren


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[0379] schauenden römischen Damen abwich, Hoheit und nngebeugteu Stolz las man in diesen Mienen nicht, nur kleinlichen Trotz, Verbissenheit und ohnmächtigen Ingrimm. So ging es durch das ganze Bild: trotz des riesigen Apparates, trotz des Massenaufgebotes von Menschen und Thieren, nirgends ein Zug von Mahrer Größe. Das Ganze erinnerte wiederum an die Bühne, an die Wagner- schen Opern mit ihren prunkvollen Aufzügen, die ja in München zuerst nach dem Sinne des „Meisters" in Scene gingen. Die Thusnelda kam wenigstens unter dem Troß der Gefangenen und der begleitenden Soldaten zu einer gewissen Geltung. Aber der Triumphator verschwand ganz im Getümmel des Hinter¬ grundes, und der finstre Tiberius oben auf der Tribüne, in dessen Charakteristik der Künstler einen Anlauf zu einer tieferen, psychologischen Analyse genommen hatte, sah mit seinem auf die Brust gesenkten Haupte, welches einen Bruch der Wirbelsäule vermuthen ließ, so unglücklich aus, daß er eine entschieden komische Rolle spielte. Die Einzelgruppen des Vordergrundes fesselten auch hier wiederum das Interesse der Beschauer in höherem Grade als die Hauptpersonen, deren historische Bedeutung auch nicht annähernd wiedergegeben war. Dem Zuge wird mit symbolischer Absicht ein Bär an einer Kette voraufgeführt. Ein römischer Soldat zerrt einen greisen germanischen Barden unter dem Hohngeschrei von Weibern aus dem Volke am Barte. Und damit sich die Virtuosität des Pinsels auch wiederum an glänzender Etalage zeigen konnte, war links im Vordergrunde unter der ehernen Wölfin, der Amme Roms, ein Haufe von eroberten Waffen, Gefäßen, Kostbarkeiten und anderen Trophäen aufgeschichtet. Freilich ergoß sich über das Ganze ein bezauberndes Farbenspiel, in welchem nur gelbe und violette Töne zu stark dominirten, und die Wirkung des durch ein weißes Velarium gedämpften Sonnenlichtes war von außerordentlichem malerischen Reiz. Gleichwohl steht das Gemälde coloristisch nicht auf der Höhe jener Schöpfungen Pilotys, welche seinen Ruf als Maler begründet haben. Die Flausen der Färbung machte sich stellenweise zum Schaden der Harmonie der Gesammtwirkung sehr bemerklich. Es schien fast, als wollte sich Piloty in der Farbe einem gewissen Idealismus zuneigen, den man sogar in der Kompo¬ sition deutlich bemerken konnte. Mit Recht wurde darauf aufmerksam gemacht, daß Piloty in dem Sireben nach monumentalen Charakter einen Aufbau der Komposition im Stile Kaulbachs versucht hatte. Woltmann fand sogar mit sicherem Blick noch andere Eigenschaften des Kanlbachschen Stils heraus: „das Streben nach rein sinnlichem Effect, besonders bei den weiblichen Gestalten, den M Schau getragenen Schein der Größe, nur daß Piloty alle diese Elemente nicht in dem Maße wie Kaulbach durch den Rhythmus der Linien zu bändigen w Stande ist". So war also der Vorkämpfer des Realismus uach fünfundzwanzig Jahren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/379>, abgerufen am 23.07.2024.