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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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wieder zu den Hauptprincipien einer Richtung zurückgekehrt, die er im Beginn
seiner Laufbahn mit so energischen Mitteln bekämpft hatte. Wir haben diese
Unsicherheit des künstlerischen Bewußtseins schon früher als charakteristisch für
Piloty hervorgehoben. Wir haben auch die Momente aufgezählt, durch welche
sich Piloty von seinen classisch-romantischen Vorgängern unterscheidet. Zu eiuer
Verschmelzung seiner Neuerungen, also seiner coloristischen Grundsätze, mit den
ernsten Stilprincipien jener gebricht es ihm an der geistigen Kraft. Auch ist
für Piloty selbst die Zeit vorüber, wo er eine solche Amalgamirung zweier
Metalle von verschiedenem Werth zu guter Harmonie hätte vollziehen können.
Wenn wir den heutigen Stand der deutschen Malerei betrachten, gelangen wir
zu der Ueberzeugung, daß Piloty nur eine Entwicklungsphase oder einen Ent¬
wicklungsmoment repräsentirt, der längst überholt ist. Durch sein wuchtiges
Eingreifen in den Gang der deutschen Malerei hat diese einen so starken Impuls
auf der Bahn des Realismus erhalten, daß eine Umkehr nicht eher möglich
erscheint, als bis diese Bahn bis an ihre äußersten Pole durchmessen ist. Und
so ist auch die deutsche Malerei über denjenigen zur Tagesordnung überge¬
gangen, der ihr diese Bahn eröffnet hat, über Piloty selbst.

Seine Stellung als Lehrer wurde noch einflußreicher, als er 1874 nach
dem Tode Kaulbachs zum Director der Münchener Kunstakademie ernannt
wurde. Bald daraus nahm er ein großes allegorisch-historisches Gemälde in
Angriff, welches für den Festsaal des neuen, von Hauberrisser in gothischem
Stile erbauten Münchener Rathhauses bestimmt war. Es sollte die Personi-
fication der Stadt, Monachia, umgeben von den Allegorien der Fruchtbarkeit
und der Jsar, darstelle", und um sie zu mannigfaltigen Gruppen vereinigt alle
Personen, welche jemals zum Ruhme der Stadt beigetragen. Neben Geistlichen,
Gelehrten, Kriegern und Künstlern fehlten auch nicht Repräsentanten der Brauer¬
zunft, und so konnte Piloty wenigstens diese Gruppen seinem realistischen Sinne
entsprechend gestalten. Das Bild wurde im Jahre 1879 vollendet und noch während
der internationalen Kunstausstellung dem Publikum gezeigt. Die Composition
schloß sich wiederum an die Kaulbachsche Manier an, namentlich an das Refor¬
mationsbild im Berliner Museum, das seinerseits allerdings auch nicht ans Origi¬
nalität Anspruch erheben kann, sondern vielmehr ein directer Sprößling von Raffaels
"Schule von Athen" und Paul Delaroches Hemicycle ist. Aus einer Halle, deren
Nischen mit Statuen bairischer Fürsten geschmückt sind, tritt Monachia in präch¬
tiger mittelalterlicher Tracht, von Pagen begleitet, hervor. Auf den Stufen, die
zur Halle führen, ruht links die Fruchtbarkeit, und neben ihr steht ein Brauknecht,
rechts die Jsar und neben ihr ein Holzflößer. An diese Mittelgruppen reihen
sich auf beiden Seiten die Vertreter von Kunst und Wissenschaft, geistliche und
weltliche Würdenträger, Staatsmänner, Krieger und andere Persönlichkeiten, deren.


wieder zu den Hauptprincipien einer Richtung zurückgekehrt, die er im Beginn
seiner Laufbahn mit so energischen Mitteln bekämpft hatte. Wir haben diese
Unsicherheit des künstlerischen Bewußtseins schon früher als charakteristisch für
Piloty hervorgehoben. Wir haben auch die Momente aufgezählt, durch welche
sich Piloty von seinen classisch-romantischen Vorgängern unterscheidet. Zu eiuer
Verschmelzung seiner Neuerungen, also seiner coloristischen Grundsätze, mit den
ernsten Stilprincipien jener gebricht es ihm an der geistigen Kraft. Auch ist
für Piloty selbst die Zeit vorüber, wo er eine solche Amalgamirung zweier
Metalle von verschiedenem Werth zu guter Harmonie hätte vollziehen können.
Wenn wir den heutigen Stand der deutschen Malerei betrachten, gelangen wir
zu der Ueberzeugung, daß Piloty nur eine Entwicklungsphase oder einen Ent¬
wicklungsmoment repräsentirt, der längst überholt ist. Durch sein wuchtiges
Eingreifen in den Gang der deutschen Malerei hat diese einen so starken Impuls
auf der Bahn des Realismus erhalten, daß eine Umkehr nicht eher möglich
erscheint, als bis diese Bahn bis an ihre äußersten Pole durchmessen ist. Und
so ist auch die deutsche Malerei über denjenigen zur Tagesordnung überge¬
gangen, der ihr diese Bahn eröffnet hat, über Piloty selbst.

Seine Stellung als Lehrer wurde noch einflußreicher, als er 1874 nach
dem Tode Kaulbachs zum Director der Münchener Kunstakademie ernannt
wurde. Bald daraus nahm er ein großes allegorisch-historisches Gemälde in
Angriff, welches für den Festsaal des neuen, von Hauberrisser in gothischem
Stile erbauten Münchener Rathhauses bestimmt war. Es sollte die Personi-
fication der Stadt, Monachia, umgeben von den Allegorien der Fruchtbarkeit
und der Jsar, darstelle», und um sie zu mannigfaltigen Gruppen vereinigt alle
Personen, welche jemals zum Ruhme der Stadt beigetragen. Neben Geistlichen,
Gelehrten, Kriegern und Künstlern fehlten auch nicht Repräsentanten der Brauer¬
zunft, und so konnte Piloty wenigstens diese Gruppen seinem realistischen Sinne
entsprechend gestalten. Das Bild wurde im Jahre 1879 vollendet und noch während
der internationalen Kunstausstellung dem Publikum gezeigt. Die Composition
schloß sich wiederum an die Kaulbachsche Manier an, namentlich an das Refor¬
mationsbild im Berliner Museum, das seinerseits allerdings auch nicht ans Origi¬
nalität Anspruch erheben kann, sondern vielmehr ein directer Sprößling von Raffaels
„Schule von Athen" und Paul Delaroches Hemicycle ist. Aus einer Halle, deren
Nischen mit Statuen bairischer Fürsten geschmückt sind, tritt Monachia in präch¬
tiger mittelalterlicher Tracht, von Pagen begleitet, hervor. Auf den Stufen, die
zur Halle führen, ruht links die Fruchtbarkeit, und neben ihr steht ein Brauknecht,
rechts die Jsar und neben ihr ein Holzflößer. An diese Mittelgruppen reihen
sich auf beiden Seiten die Vertreter von Kunst und Wissenschaft, geistliche und
weltliche Würdenträger, Staatsmänner, Krieger und andere Persönlichkeiten, deren.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/380>, abgerufen am 23.07.2024.