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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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kommenschaft durch Manipulationen im Stil ihres Erzvaters unter uns Deut¬
schen und aus unsern Mitteln Millionäre zu werde".

Eigenthümlich ist es, daß die Verwandten, mit denen Jakob in Folge seiner
geschäftlichen Usaneen zerfällt, theils durchgehende theils wenigstens zuletzt edle
und großmüthige Leute sind, und daß die, welche die betreffenden Sagen später
niederschrieben, dafür so wenig Empfindung haben wie für das betrügerische
Wesen und die schäbige Feigheit ihres Haupthelden. Laban hat diesem den
Contract nicht gehalten und ihn auch sonst nicht hübsch behmHelt, aber als er
den Entlaufenen dann verfolgt und einholt, läßt er ihn nach einigen Vorsichts¬
maßregeln weiterlaufen. Esau aber, vor dem Jakob, in Erinnerung an den
Streich, welchen er dem Bruder gespielt, heillose Furcht hat, dessen gerechten
Zorn er mit einem Geschenk abkaufen will, vor dem er sich als vor "seinen:
Herrn" kläglich demüthigt und um Gnade bettelt, lehnt den Accord ab, heißt
den Schächer behalten, was er hat, und gestattet ihm, in Frieden von dannen
zu ziehen. Esau ist der vornehme, Jakob nur der reiche Mann.

Wie der treulose, selbstsüchtige und habgierige Charakter Jakob-Israels sich
auf die Mehrzahl seiner Söhne vererbt, können wir hier nicht weiter verfolgen.
Wir begnügen uns, an die Schandthat, die diese an den Bewohnern von sieben
verüben, an den Verkauf Josephs durch seine Brüder und an diesen selbst in
seiner Eigenschaft als ägyptischen Minister zu erinnern, in welcher er der erste
Getreidewucherer ist und Züge entwickelt, die ein Paar tausend Jahre später
von dem würtembergischen Hofjudeu Süß Oppenheimer genau copirt wurden.

Wir wenden uns jetzt der zweiten Quelle zu, aus der sich Material zur
Charakterisirung des Judenthums schöpfen läßt, zu der Literatur, welche, ohne
irgend erhebliche Mitwirkung fremder Bildungselemente entstanden, der großen
Mehrheit der Juden (nur die Karaim, die kabbalistischen Secten und die ungläu¬
bigen Juden sind davon auszunehmen) nächst der Thora, den sogenannten fünf
Büchern Mosis, als wichtigste für ihr Denken und Thun gilt und im Talmud
zusammengefaßt ist.

Der Talmud (deutsch: Belehrung) ist zwar im Wesentlichen das Product
eines und desselben, nämlich des specifisch jüdischen Geistes, aber nichts weniger
als einem und demselben Kopfe entsprungen, sondern ein bändereiches Sammel¬
werk, eine Encyklopädie, zu der eine große Anzahl von Gelehrten, die sich zu¬
dem über mehr als sechs Jahrhunderte, d. h. über die Zeit von der Gründung
des Sanhedrins im Jahre 143 v. Chr. bis zum Abschlüsse des sogenannten
babylonischen Talmud im Jahre 550 n. Chr., vertheilen, beigetragen hat-

Dieses Sammelwerk entstand daraus, daß sich zunächst neben der Thora,
dein schriftlichen Gesetz, im Sanhedrin und später in den jüdischen Gelehrten¬
schulen und Synagogen Palästinas und der Judencolonien einiger Nachbar-


kommenschaft durch Manipulationen im Stil ihres Erzvaters unter uns Deut¬
schen und aus unsern Mitteln Millionäre zu werde».

Eigenthümlich ist es, daß die Verwandten, mit denen Jakob in Folge seiner
geschäftlichen Usaneen zerfällt, theils durchgehende theils wenigstens zuletzt edle
und großmüthige Leute sind, und daß die, welche die betreffenden Sagen später
niederschrieben, dafür so wenig Empfindung haben wie für das betrügerische
Wesen und die schäbige Feigheit ihres Haupthelden. Laban hat diesem den
Contract nicht gehalten und ihn auch sonst nicht hübsch behmHelt, aber als er
den Entlaufenen dann verfolgt und einholt, läßt er ihn nach einigen Vorsichts¬
maßregeln weiterlaufen. Esau aber, vor dem Jakob, in Erinnerung an den
Streich, welchen er dem Bruder gespielt, heillose Furcht hat, dessen gerechten
Zorn er mit einem Geschenk abkaufen will, vor dem er sich als vor „seinen:
Herrn" kläglich demüthigt und um Gnade bettelt, lehnt den Accord ab, heißt
den Schächer behalten, was er hat, und gestattet ihm, in Frieden von dannen
zu ziehen. Esau ist der vornehme, Jakob nur der reiche Mann.

Wie der treulose, selbstsüchtige und habgierige Charakter Jakob-Israels sich
auf die Mehrzahl seiner Söhne vererbt, können wir hier nicht weiter verfolgen.
Wir begnügen uns, an die Schandthat, die diese an den Bewohnern von sieben
verüben, an den Verkauf Josephs durch seine Brüder und an diesen selbst in
seiner Eigenschaft als ägyptischen Minister zu erinnern, in welcher er der erste
Getreidewucherer ist und Züge entwickelt, die ein Paar tausend Jahre später
von dem würtembergischen Hofjudeu Süß Oppenheimer genau copirt wurden.

Wir wenden uns jetzt der zweiten Quelle zu, aus der sich Material zur
Charakterisirung des Judenthums schöpfen läßt, zu der Literatur, welche, ohne
irgend erhebliche Mitwirkung fremder Bildungselemente entstanden, der großen
Mehrheit der Juden (nur die Karaim, die kabbalistischen Secten und die ungläu¬
bigen Juden sind davon auszunehmen) nächst der Thora, den sogenannten fünf
Büchern Mosis, als wichtigste für ihr Denken und Thun gilt und im Talmud
zusammengefaßt ist.

Der Talmud (deutsch: Belehrung) ist zwar im Wesentlichen das Product
eines und desselben, nämlich des specifisch jüdischen Geistes, aber nichts weniger
als einem und demselben Kopfe entsprungen, sondern ein bändereiches Sammel¬
werk, eine Encyklopädie, zu der eine große Anzahl von Gelehrten, die sich zu¬
dem über mehr als sechs Jahrhunderte, d. h. über die Zeit von der Gründung
des Sanhedrins im Jahre 143 v. Chr. bis zum Abschlüsse des sogenannten
babylonischen Talmud im Jahre 550 n. Chr., vertheilen, beigetragen hat-

Dieses Sammelwerk entstand daraus, daß sich zunächst neben der Thora,
dein schriftlichen Gesetz, im Sanhedrin und später in den jüdischen Gelehrten¬
schulen und Synagogen Palästinas und der Judencolonien einiger Nachbar-


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[0363] kommenschaft durch Manipulationen im Stil ihres Erzvaters unter uns Deut¬ schen und aus unsern Mitteln Millionäre zu werde». Eigenthümlich ist es, daß die Verwandten, mit denen Jakob in Folge seiner geschäftlichen Usaneen zerfällt, theils durchgehende theils wenigstens zuletzt edle und großmüthige Leute sind, und daß die, welche die betreffenden Sagen später niederschrieben, dafür so wenig Empfindung haben wie für das betrügerische Wesen und die schäbige Feigheit ihres Haupthelden. Laban hat diesem den Contract nicht gehalten und ihn auch sonst nicht hübsch behmHelt, aber als er den Entlaufenen dann verfolgt und einholt, läßt er ihn nach einigen Vorsichts¬ maßregeln weiterlaufen. Esau aber, vor dem Jakob, in Erinnerung an den Streich, welchen er dem Bruder gespielt, heillose Furcht hat, dessen gerechten Zorn er mit einem Geschenk abkaufen will, vor dem er sich als vor „seinen: Herrn" kläglich demüthigt und um Gnade bettelt, lehnt den Accord ab, heißt den Schächer behalten, was er hat, und gestattet ihm, in Frieden von dannen zu ziehen. Esau ist der vornehme, Jakob nur der reiche Mann. Wie der treulose, selbstsüchtige und habgierige Charakter Jakob-Israels sich auf die Mehrzahl seiner Söhne vererbt, können wir hier nicht weiter verfolgen. Wir begnügen uns, an die Schandthat, die diese an den Bewohnern von sieben verüben, an den Verkauf Josephs durch seine Brüder und an diesen selbst in seiner Eigenschaft als ägyptischen Minister zu erinnern, in welcher er der erste Getreidewucherer ist und Züge entwickelt, die ein Paar tausend Jahre später von dem würtembergischen Hofjudeu Süß Oppenheimer genau copirt wurden. Wir wenden uns jetzt der zweiten Quelle zu, aus der sich Material zur Charakterisirung des Judenthums schöpfen läßt, zu der Literatur, welche, ohne irgend erhebliche Mitwirkung fremder Bildungselemente entstanden, der großen Mehrheit der Juden (nur die Karaim, die kabbalistischen Secten und die ungläu¬ bigen Juden sind davon auszunehmen) nächst der Thora, den sogenannten fünf Büchern Mosis, als wichtigste für ihr Denken und Thun gilt und im Talmud zusammengefaßt ist. Der Talmud (deutsch: Belehrung) ist zwar im Wesentlichen das Product eines und desselben, nämlich des specifisch jüdischen Geistes, aber nichts weniger als einem und demselben Kopfe entsprungen, sondern ein bändereiches Sammel¬ werk, eine Encyklopädie, zu der eine große Anzahl von Gelehrten, die sich zu¬ dem über mehr als sechs Jahrhunderte, d. h. über die Zeit von der Gründung des Sanhedrins im Jahre 143 v. Chr. bis zum Abschlüsse des sogenannten babylonischen Talmud im Jahre 550 n. Chr., vertheilen, beigetragen hat- Dieses Sammelwerk entstand daraus, daß sich zunächst neben der Thora, dein schriftlichen Gesetz, im Sanhedrin und später in den jüdischen Gelehrten¬ schulen und Synagogen Palästinas und der Judencolonien einiger Nachbar-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/363>, abgerufen am 23.07.2024.