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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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und ihre Verschiedenheit von der deutschen erkannt und in dem von uns durch
den Druck hervorgehobenen Schlußsätze, vielleicht allein von seinen Zeitgenossen
dasjenige Element mit Nachdruck betont, welches die epochemachende Neuerung
der belgischen Malerei war, den Realismus.

Als die Bilder im Herbst 1843 in München ausgestellt waren, befand sich
unter ihren lebhaftesten Bewunderern der siebzehnjährige Karl Piloty. Geboren
am 1. Oetober 1826, hatte er schon frühzeitig im Atelier seines Vaters Ferdi¬
nand, welcher Lithograph und Zeichner war und anfangs im Verein mit Strix-
ner, dann mit Löste die hervorragendsten Gemälde der Münchener Pinakotheken
in lithographischen Drucke herausgab, künstlerische Eindrücke empfangen. Sein
Vater war besonders geschickt in der Wiedergabe der coloristischen Eigenthümlich¬
keiten der beiden elastischen belgischen Meister, Rubens und van Dyck, und diese
großen Coloristen waren von größerer Wirkung auf den jungen Piloty als die
Lehrer der Akademie, deren Unterricht er seit seinem zwölften Jahre genoß.
Nicht einmal Julius Schmorr, welcher die Componirklasse leitete, gewann einen
nachhaltigen Einfluß auf den emsigen Kunstjünger, der übrigens bald der Aka¬
demie den Rücken kehrte, weil der 1844 erfolgte Tod feines Vaters und die
dadurch hervorgerufene mißliche Lage seiner Familie ihn zwang, selbst an die
Spitze des lithographischen Ateliers zu treten und die Reproductionen der Ge¬
mälde zu leiten. Es begann nun für ihn eine Periode harter, entsagungsvoller
Arbeit, die sechs Jahre währte. Wie Friedrich Pecht erzählt, blieb ihm zum
eigenen Schaffen "nur der frühe Morgen und die späte Nacht, die er aber auch
so eifrig benützte, daß er sehr selten Gelage der jungen Künstler, nie einen Ball
oder sonstige Lustbarkeiten besuchte. Dieser früh entwickelte Ernst ist ein Grund-
zug bei ihm geblieben." Indessen erlangte er doch durch sein lithographisches
Geschäft eine gründliche, nicht zu unterschätzende Kenntniß der alten Meister.
Schon früher hatte er Rubens' "jüngstes Gericht" stückweise copirt und war auf
diesem Wege tief in die künstlerische Individualität des vlämischen Malers ein¬
gedrungen. In diesen seinen eoloristischen Tendenzen bestärkte ihn später noch
Carl Schorn, der, ursprünglich ein Schüler von Cornelius, in Paris bei Gros
und Ingres die hohe Berechtigung der Farbe kennen gelernt hatte. Schorn kam
1845 nach München, wo er eine Professur an der Akademie erhielt. Er führte
eine Schwester Pilotys als Gattin heim und gewann so einen großen Einfluß
auf seinen Schwager, der bald darauf sein coloristisches Wissen auch noch durch
eine Reise nach Venedig erweiterte.

Das erste Bild, mit welchem er vor die Öffentlichkeit trat, verrieth jedoch
von allen diesen Studien noch wenig. Einer der beliebtesten Modemaler jener
Zeit war August Riedel, ein Schüler des Münchener Akademiedirectors von
Langer, der sich aber später in Rom namentlich unter dem Einflüsse der Frau-


und ihre Verschiedenheit von der deutschen erkannt und in dem von uns durch
den Druck hervorgehobenen Schlußsätze, vielleicht allein von seinen Zeitgenossen
dasjenige Element mit Nachdruck betont, welches die epochemachende Neuerung
der belgischen Malerei war, den Realismus.

Als die Bilder im Herbst 1843 in München ausgestellt waren, befand sich
unter ihren lebhaftesten Bewunderern der siebzehnjährige Karl Piloty. Geboren
am 1. Oetober 1826, hatte er schon frühzeitig im Atelier seines Vaters Ferdi¬
nand, welcher Lithograph und Zeichner war und anfangs im Verein mit Strix-
ner, dann mit Löste die hervorragendsten Gemälde der Münchener Pinakotheken
in lithographischen Drucke herausgab, künstlerische Eindrücke empfangen. Sein
Vater war besonders geschickt in der Wiedergabe der coloristischen Eigenthümlich¬
keiten der beiden elastischen belgischen Meister, Rubens und van Dyck, und diese
großen Coloristen waren von größerer Wirkung auf den jungen Piloty als die
Lehrer der Akademie, deren Unterricht er seit seinem zwölften Jahre genoß.
Nicht einmal Julius Schmorr, welcher die Componirklasse leitete, gewann einen
nachhaltigen Einfluß auf den emsigen Kunstjünger, der übrigens bald der Aka¬
demie den Rücken kehrte, weil der 1844 erfolgte Tod feines Vaters und die
dadurch hervorgerufene mißliche Lage seiner Familie ihn zwang, selbst an die
Spitze des lithographischen Ateliers zu treten und die Reproductionen der Ge¬
mälde zu leiten. Es begann nun für ihn eine Periode harter, entsagungsvoller
Arbeit, die sechs Jahre währte. Wie Friedrich Pecht erzählt, blieb ihm zum
eigenen Schaffen „nur der frühe Morgen und die späte Nacht, die er aber auch
so eifrig benützte, daß er sehr selten Gelage der jungen Künstler, nie einen Ball
oder sonstige Lustbarkeiten besuchte. Dieser früh entwickelte Ernst ist ein Grund-
zug bei ihm geblieben." Indessen erlangte er doch durch sein lithographisches
Geschäft eine gründliche, nicht zu unterschätzende Kenntniß der alten Meister.
Schon früher hatte er Rubens' „jüngstes Gericht" stückweise copirt und war auf
diesem Wege tief in die künstlerische Individualität des vlämischen Malers ein¬
gedrungen. In diesen seinen eoloristischen Tendenzen bestärkte ihn später noch
Carl Schorn, der, ursprünglich ein Schüler von Cornelius, in Paris bei Gros
und Ingres die hohe Berechtigung der Farbe kennen gelernt hatte. Schorn kam
1845 nach München, wo er eine Professur an der Akademie erhielt. Er führte
eine Schwester Pilotys als Gattin heim und gewann so einen großen Einfluß
auf seinen Schwager, der bald darauf sein coloristisches Wissen auch noch durch
eine Reise nach Venedig erweiterte.

Das erste Bild, mit welchem er vor die Öffentlichkeit trat, verrieth jedoch
von allen diesen Studien noch wenig. Einer der beliebtesten Modemaler jener
Zeit war August Riedel, ein Schüler des Münchener Akademiedirectors von
Langer, der sich aber später in Rom namentlich unter dem Einflüsse der Frau-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/343>, abgerufen am 25.08.2024.