Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

sein dauernder Bestand dadurch gesichert werde. Ein baldiger neuer Bruch des
Friedens würde für den Staat wie für die Kirche ein viel größeres Unglück
sein als die Fortdauer des gegenwärtigen Kriegszustandes.

Die Commission der zweiten Kammer hat, unter Zustimmung der gemäßigt
liberalen Elemente, die Zurückweisung des Antrages beschlossen, sie zeigt aber
in der Begründung des Antrages zugleich, in welcher Weise sie die Amendirung
des Gesetzentwurfes bewerkstelligt haben möchte. Nach ihrer Ansicht soll die
Anwohnung eines landesherrlichen Commissärs bei der theologischen Fachprüfung
und überhaupt jede besondere Prüfung der Candidaten der Theologie wegfallen,
die allgemeine wissenschaftliche Vorbildung aber auf das Maß des Nachweises
beschränkt werden, welche verordnungsmüßig für die durch Universitätsstudien
zu erwerbende Berechtigung zu öffentlichen Aemtern !c. vorgeschrieben ist. Damit
würde der Stein des Anstoßes beseitigt, die Trennung zwischen Staat und
Kirche vollendet werden. Vor allem aber konnte dieser Ausgleich niemals von
dem Bisthumsverweser als ein erster Schritt staatlichen Entgegenkommens ange¬
sehen werde:?, sondern es wäre klar, daß, wenn der Staat sich jedes erziehliche::
Einflusses auf die Kirche begiebt, er sich denselben auf die Schule um so ener¬
gischer wahren müßte. Von einer Auslieferung der Schule an die Kirche könnte
nach jenem Schritte nie mehr die Rede sein. Es ist die Frage, ob das jetzige
Ministerium diesen Ausgleichsvorschlag nach aufnehmen kam, denn seine Tage
sind allem Anscheine nach gezählt. Wenn aber ein Ausgleich zwischen Staat
und Kirche bei uns erfolgen soll, so dürfte das allein auf diese scharf trennende
Weise möglich sein.




politische Briefe.
Die europäische Schachpartie.

Unser letzter Brief über Deutschlands neues Militärseptennat hat vielseitige
Beachtung gefunden, u. a. in Wien, London und Paris. Die "Times" hat sich
zwei Mal damit beschäftigt. Das City-Blatt erklärt, geringen Glauben zu haben
an künstliche Pläne, Gemeinwesen, die bis an die Zähne gewaffnet sind, den
Frieden aufzulegen. Nichtsdestoweniger bezeugt es seiue Genugthuung, daß
Englands legitimer Einfluß in Europa deutscherseits anerkannt werde.

Was uns betrifft, so hatten wir nicht die Absicht, England einzuladen,


sein dauernder Bestand dadurch gesichert werde. Ein baldiger neuer Bruch des
Friedens würde für den Staat wie für die Kirche ein viel größeres Unglück
sein als die Fortdauer des gegenwärtigen Kriegszustandes.

Die Commission der zweiten Kammer hat, unter Zustimmung der gemäßigt
liberalen Elemente, die Zurückweisung des Antrages beschlossen, sie zeigt aber
in der Begründung des Antrages zugleich, in welcher Weise sie die Amendirung
des Gesetzentwurfes bewerkstelligt haben möchte. Nach ihrer Ansicht soll die
Anwohnung eines landesherrlichen Commissärs bei der theologischen Fachprüfung
und überhaupt jede besondere Prüfung der Candidaten der Theologie wegfallen,
die allgemeine wissenschaftliche Vorbildung aber auf das Maß des Nachweises
beschränkt werden, welche verordnungsmüßig für die durch Universitätsstudien
zu erwerbende Berechtigung zu öffentlichen Aemtern !c. vorgeschrieben ist. Damit
würde der Stein des Anstoßes beseitigt, die Trennung zwischen Staat und
Kirche vollendet werden. Vor allem aber konnte dieser Ausgleich niemals von
dem Bisthumsverweser als ein erster Schritt staatlichen Entgegenkommens ange¬
sehen werde:?, sondern es wäre klar, daß, wenn der Staat sich jedes erziehliche::
Einflusses auf die Kirche begiebt, er sich denselben auf die Schule um so ener¬
gischer wahren müßte. Von einer Auslieferung der Schule an die Kirche könnte
nach jenem Schritte nie mehr die Rede sein. Es ist die Frage, ob das jetzige
Ministerium diesen Ausgleichsvorschlag nach aufnehmen kam, denn seine Tage
sind allem Anscheine nach gezählt. Wenn aber ein Ausgleich zwischen Staat
und Kirche bei uns erfolgen soll, so dürfte das allein auf diese scharf trennende
Weise möglich sein.




politische Briefe.
Die europäische Schachpartie.

Unser letzter Brief über Deutschlands neues Militärseptennat hat vielseitige
Beachtung gefunden, u. a. in Wien, London und Paris. Die „Times" hat sich
zwei Mal damit beschäftigt. Das City-Blatt erklärt, geringen Glauben zu haben
an künstliche Pläne, Gemeinwesen, die bis an die Zähne gewaffnet sind, den
Frieden aufzulegen. Nichtsdestoweniger bezeugt es seiue Genugthuung, daß
Englands legitimer Einfluß in Europa deutscherseits anerkannt werde.

Was uns betrifft, so hatten wir nicht die Absicht, England einzuladen,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0309" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/146238"/>
          <p xml:id="ID_874" prev="#ID_873"> sein dauernder Bestand dadurch gesichert werde. Ein baldiger neuer Bruch des<lb/>
Friedens würde für den Staat wie für die Kirche ein viel größeres Unglück<lb/>
sein als die Fortdauer des gegenwärtigen Kriegszustandes.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_875"> Die Commission der zweiten Kammer hat, unter Zustimmung der gemäßigt<lb/>
liberalen Elemente, die Zurückweisung des Antrages beschlossen, sie zeigt aber<lb/>
in der Begründung des Antrages zugleich, in welcher Weise sie die Amendirung<lb/>
des Gesetzentwurfes bewerkstelligt haben möchte. Nach ihrer Ansicht soll die<lb/>
Anwohnung eines landesherrlichen Commissärs bei der theologischen Fachprüfung<lb/>
und überhaupt jede besondere Prüfung der Candidaten der Theologie wegfallen,<lb/>
die allgemeine wissenschaftliche Vorbildung aber auf das Maß des Nachweises<lb/>
beschränkt werden, welche verordnungsmüßig für die durch Universitätsstudien<lb/>
zu erwerbende Berechtigung zu öffentlichen Aemtern !c. vorgeschrieben ist. Damit<lb/>
würde der Stein des Anstoßes beseitigt, die Trennung zwischen Staat und<lb/>
Kirche vollendet werden. Vor allem aber konnte dieser Ausgleich niemals von<lb/>
dem Bisthumsverweser als ein erster Schritt staatlichen Entgegenkommens ange¬<lb/>
sehen werde:?, sondern es wäre klar, daß, wenn der Staat sich jedes erziehliche::<lb/>
Einflusses auf die Kirche begiebt, er sich denselben auf die Schule um so ener¬<lb/>
gischer wahren müßte. Von einer Auslieferung der Schule an die Kirche könnte<lb/>
nach jenem Schritte nie mehr die Rede sein. Es ist die Frage, ob das jetzige<lb/>
Ministerium diesen Ausgleichsvorschlag nach aufnehmen kam, denn seine Tage<lb/>
sind allem Anscheine nach gezählt. Wenn aber ein Ausgleich zwischen Staat<lb/>
und Kirche bei uns erfolgen soll, so dürfte das allein auf diese scharf trennende<lb/>
Weise möglich sein.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> politische Briefe.<lb/>
Die europäische Schachpartie. </head><lb/>
          <p xml:id="ID_876"> Unser letzter Brief über Deutschlands neues Militärseptennat hat vielseitige<lb/>
Beachtung gefunden, u. a. in Wien, London und Paris. Die &#x201E;Times" hat sich<lb/>
zwei Mal damit beschäftigt. Das City-Blatt erklärt, geringen Glauben zu haben<lb/>
an künstliche Pläne, Gemeinwesen, die bis an die Zähne gewaffnet sind, den<lb/>
Frieden aufzulegen. Nichtsdestoweniger bezeugt es seiue Genugthuung, daß<lb/>
Englands legitimer Einfluß in Europa deutscherseits anerkannt werde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_877" next="#ID_878"> Was uns betrifft, so hatten wir nicht die Absicht, England einzuladen,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0309] sein dauernder Bestand dadurch gesichert werde. Ein baldiger neuer Bruch des Friedens würde für den Staat wie für die Kirche ein viel größeres Unglück sein als die Fortdauer des gegenwärtigen Kriegszustandes. Die Commission der zweiten Kammer hat, unter Zustimmung der gemäßigt liberalen Elemente, die Zurückweisung des Antrages beschlossen, sie zeigt aber in der Begründung des Antrages zugleich, in welcher Weise sie die Amendirung des Gesetzentwurfes bewerkstelligt haben möchte. Nach ihrer Ansicht soll die Anwohnung eines landesherrlichen Commissärs bei der theologischen Fachprüfung und überhaupt jede besondere Prüfung der Candidaten der Theologie wegfallen, die allgemeine wissenschaftliche Vorbildung aber auf das Maß des Nachweises beschränkt werden, welche verordnungsmüßig für die durch Universitätsstudien zu erwerbende Berechtigung zu öffentlichen Aemtern !c. vorgeschrieben ist. Damit würde der Stein des Anstoßes beseitigt, die Trennung zwischen Staat und Kirche vollendet werden. Vor allem aber konnte dieser Ausgleich niemals von dem Bisthumsverweser als ein erster Schritt staatlichen Entgegenkommens ange¬ sehen werde:?, sondern es wäre klar, daß, wenn der Staat sich jedes erziehliche:: Einflusses auf die Kirche begiebt, er sich denselben auf die Schule um so ener¬ gischer wahren müßte. Von einer Auslieferung der Schule an die Kirche könnte nach jenem Schritte nie mehr die Rede sein. Es ist die Frage, ob das jetzige Ministerium diesen Ausgleichsvorschlag nach aufnehmen kam, denn seine Tage sind allem Anscheine nach gezählt. Wenn aber ein Ausgleich zwischen Staat und Kirche bei uns erfolgen soll, so dürfte das allein auf diese scharf trennende Weise möglich sein. politische Briefe. Die europäische Schachpartie. Unser letzter Brief über Deutschlands neues Militärseptennat hat vielseitige Beachtung gefunden, u. a. in Wien, London und Paris. Die „Times" hat sich zwei Mal damit beschäftigt. Das City-Blatt erklärt, geringen Glauben zu haben an künstliche Pläne, Gemeinwesen, die bis an die Zähne gewaffnet sind, den Frieden aufzulegen. Nichtsdestoweniger bezeugt es seiue Genugthuung, daß Englands legitimer Einfluß in Europa deutscherseits anerkannt werde. Was uns betrifft, so hatten wir nicht die Absicht, England einzuladen,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/309
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/309>, abgerufen am 22.07.2024.