Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.unüberwindlichen Widerstande an höchster Stelle, während umgekehrt manche auf¬ Wenden wir uns der Musterung der Programme zu, so ist die gewiß erfreu¬ unüberwindlichen Widerstande an höchster Stelle, während umgekehrt manche auf¬ Wenden wir uns der Musterung der Programme zu, so ist die gewiß erfreu¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0218" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/146147"/> <p xml:id="ID_587" prev="#ID_586"> unüberwindlichen Widerstande an höchster Stelle, während umgekehrt manche auf¬<lb/> genommene Programm-Nummer die Billigung des Kapellmeisters nicht hat. Wir<lb/> haben eine viel zu hohe Meinung von Herrn Kapellmeister Reinecke, als daß wir<lb/> nicht wünschen sollten, er wäre in der Aufstellung der Progamme durchaus selbständig!</p><lb/> <p xml:id="ID_588" next="#ID_589"> Wenden wir uns der Musterung der Programme zu, so ist die gewiß erfreu¬<lb/> liche Bevorzugung der Klassiker unserer Instrumentalmusik auf den ersten Blick er¬<lb/> sichtlich. Von Beethovens symphonischen Meisterwerken sind uns in den ersten zehn<lb/> Concerten drei zu Gehör gebracht worden, die Eroiea, die Pastorat-Symphonie<lb/> und die A-Dur-Symphonie. Von Mozart haben wir die C-Dur-Symphonie mit<lb/> der Schlußfuge, von Haydn die Es-Dur-Symphonie Ur. 3 (Breitkopf & Härtel)<lb/> gehört. Aus der nachbeethovenschen Zeit wurde Schuberts C-Dur-, Schumanns<lb/> B-Dur- und D-Moll-, Brechens' C-Moll-Symphonie und — Goldmarks „Ländliche<lb/> Hochzeit" aufgeführt. Wie kommt Goldmarks „Symphonie" in diese Gesellschaft?<lb/> Läßt man erst eine solche Bildergalerie unter dem Rainen Symphonie im Gewand¬<lb/> hause zu, mit welchem Rechte perhorrescirt man dann die Programm-Symphonien<lb/> von Raff und die symphonischen Dichtungen von Liszt und Berlioz? Solche In-<lb/> consequenzen stehen leider nicht vereinzelt da. Wir kennen eine köstliche Geschichte<lb/> vom Gewandhause und der bekannten Symphonie von Joachim Raff, wollen sie<lb/> aber für uns behalten, da Meister Raff uns nicht gerade beauftragt hat, sie weiter<lb/> zu erzählen; nur soviel wollen wir verrathen, daß Raff eine G-Moll-Symphonie<lb/> geschrieben hat mit verschwiegenen Ueberschriften, und daß diese G-Moll-Symphonie<lb/> im Gewandhanse zur Aufführung gekommen ist. Daß sie aufgeführt wurde, ver¬<lb/> dankt sie aber lediglich dem Umstände, daß weder die ganze Symphonie noch die<lb/> einzelnen Sätze ein übergeschriebenes Programm haben. Mau perhorrescirt eben<lb/> die Programm-Musik oder eigentlich richtiger die Ueberschriften; zu modern kann nicht<lb/> leicht ein Werk sein, wir haben vielmehr im Gewandhause schon allerlei modernstes<lb/> Pathos, allermodernste Dissvnanzenseligkeit kennen gelernt — wenn das Ding nur<lb/> keinen Namen hat. Aber eben darum sind solche Ausnahmen wie die Zulassung<lb/> der Goldmarkschen Suite äußerst verwunderlich. Ein ähnlicher Fall war vor Jahren<lb/> die Aufführung von Rubinsteins „Don Quixote", von dem man auch nicht begriff,<lb/> wie er über die Schwelle des Gewandhauses gekommen war, vor der so manches<lb/> unschuldige Werk jahrelange Quarcmtcnne halten muß. Vielleicht galt es, den Löwen<lb/> zu zähmen, um ihn einmal in einem Abonnementsconcerte vorführen zu können.<lb/> Daß die „Liebesnovelle" von Arnold Krug, welche das vorige Jahr brachte, trotz<lb/> aller genrehaften Naivetät und Anspruchslosigkeit doch eigentlich auch eine Pro-<lb/> grammcomposition vom reinsten Wasser ist, scheint man ganz übersehen zu haben.<lb/> Auch die dramatische Symphonie Rubinsteins ist eigentlich eine Programmcomposi-<lb/> tion, man ließ sie aber wohl durch, weil schließlich ein Zusatz wie „dramatisch"<lb/> auch nicht mehr Programm ist als ernie», Pastorale, p-M«Zticins. Das hat ja auch<lb/> seine Richtigkeit. Die Scheide zwischen absoluter und Programm-Musik ist überhaupt<lb/> ein sehr bewegliches Ding, und man thäte jedenfalls besser, wenn man einfach den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0218]
unüberwindlichen Widerstande an höchster Stelle, während umgekehrt manche auf¬
genommene Programm-Nummer die Billigung des Kapellmeisters nicht hat. Wir
haben eine viel zu hohe Meinung von Herrn Kapellmeister Reinecke, als daß wir
nicht wünschen sollten, er wäre in der Aufstellung der Progamme durchaus selbständig!
Wenden wir uns der Musterung der Programme zu, so ist die gewiß erfreu¬
liche Bevorzugung der Klassiker unserer Instrumentalmusik auf den ersten Blick er¬
sichtlich. Von Beethovens symphonischen Meisterwerken sind uns in den ersten zehn
Concerten drei zu Gehör gebracht worden, die Eroiea, die Pastorat-Symphonie
und die A-Dur-Symphonie. Von Mozart haben wir die C-Dur-Symphonie mit
der Schlußfuge, von Haydn die Es-Dur-Symphonie Ur. 3 (Breitkopf & Härtel)
gehört. Aus der nachbeethovenschen Zeit wurde Schuberts C-Dur-, Schumanns
B-Dur- und D-Moll-, Brechens' C-Moll-Symphonie und — Goldmarks „Ländliche
Hochzeit" aufgeführt. Wie kommt Goldmarks „Symphonie" in diese Gesellschaft?
Läßt man erst eine solche Bildergalerie unter dem Rainen Symphonie im Gewand¬
hause zu, mit welchem Rechte perhorrescirt man dann die Programm-Symphonien
von Raff und die symphonischen Dichtungen von Liszt und Berlioz? Solche In-
consequenzen stehen leider nicht vereinzelt da. Wir kennen eine köstliche Geschichte
vom Gewandhause und der bekannten Symphonie von Joachim Raff, wollen sie
aber für uns behalten, da Meister Raff uns nicht gerade beauftragt hat, sie weiter
zu erzählen; nur soviel wollen wir verrathen, daß Raff eine G-Moll-Symphonie
geschrieben hat mit verschwiegenen Ueberschriften, und daß diese G-Moll-Symphonie
im Gewandhanse zur Aufführung gekommen ist. Daß sie aufgeführt wurde, ver¬
dankt sie aber lediglich dem Umstände, daß weder die ganze Symphonie noch die
einzelnen Sätze ein übergeschriebenes Programm haben. Mau perhorrescirt eben
die Programm-Musik oder eigentlich richtiger die Ueberschriften; zu modern kann nicht
leicht ein Werk sein, wir haben vielmehr im Gewandhause schon allerlei modernstes
Pathos, allermodernste Dissvnanzenseligkeit kennen gelernt — wenn das Ding nur
keinen Namen hat. Aber eben darum sind solche Ausnahmen wie die Zulassung
der Goldmarkschen Suite äußerst verwunderlich. Ein ähnlicher Fall war vor Jahren
die Aufführung von Rubinsteins „Don Quixote", von dem man auch nicht begriff,
wie er über die Schwelle des Gewandhauses gekommen war, vor der so manches
unschuldige Werk jahrelange Quarcmtcnne halten muß. Vielleicht galt es, den Löwen
zu zähmen, um ihn einmal in einem Abonnementsconcerte vorführen zu können.
Daß die „Liebesnovelle" von Arnold Krug, welche das vorige Jahr brachte, trotz
aller genrehaften Naivetät und Anspruchslosigkeit doch eigentlich auch eine Pro-
grammcomposition vom reinsten Wasser ist, scheint man ganz übersehen zu haben.
Auch die dramatische Symphonie Rubinsteins ist eigentlich eine Programmcomposi-
tion, man ließ sie aber wohl durch, weil schließlich ein Zusatz wie „dramatisch"
auch nicht mehr Programm ist als ernie», Pastorale, p-M«Zticins. Das hat ja auch
seine Richtigkeit. Die Scheide zwischen absoluter und Programm-Musik ist überhaupt
ein sehr bewegliches Ding, und man thäte jedenfalls besser, wenn man einfach den
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