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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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um den Vater abermals keine geringen Anforderungen; denn nicht nur die
Schulden in Jena, die Krause in große Verlegenheiten gebracht und in Un¬
annehmlichkeiten verwickelt hatten, hatte der Vater tilgen und die Existenz in
Rudolstadt ermöglichen müssen; auch für Dresden mußte er wenigstens vorläufig
die Subsistenzmittel hergeben. Die Idee, ein Erziehungsinstitut zu gründen,
kam in der Folge nicht zur Ausführung; mit Vorlesungen machte er einen
erfolgreichen Versuch, aber seine Existenz konnte er keinesfalls darauf gründen,
und da er auch von dem Privatunterricht, den er mehrfach ertheilte, nicht leben
konnte, so mußte ihn der Vater fortdauernd unterstützen.

Zum ersten Male tritt jetzt ein Anfall von Schwermuth bei ihm auf, der
sich später wiederholte. Am 5. September 1805 schrieb er seinem Vater:

"Immer habe ich, an Sie zu schreiben, verschoben, weil ich hoffte, vielleicht
einiges Glückliche zu erfahren, durch dessen Nachricht ich Sie hätte erfreuen können;
allein des Glücklichen ist nur wenig und des Unangenehmen, ich will nicht sagen
des Unglücks viel. Unsere Scinci j>cis zweite Kind^, die, wie Sie wissen, von An¬
beginn ihres Lebens gekränkelt hat, -- ist uns vorige Nacht halb 12 Uhr gestorben.
-- Es war ein liebes Kind, eine schöne Seele in einem schönen Leibe. -- Meine
Frau ist noch nicht niedergekommen, ich erwarte es jeden Tag mit bangen Besorg¬
nissen, theils wegen des jetzt auf sie so schädlich wirkenden Kummers, theils auch
wegen der Sorgen für Unterhalt, die mich jetzt furchtbar treffen. Ich habe
jetzt wahrlich eine harte Probe zu bestehen, die mein Herz von allen Seiten in der
Tiefe angreift. Doch schickt mir vielleicht Gott Beistand, daß ich bis zuletzt ohne
Murren aushalte. -- -- Ich treibe es, so lange es geht, ich arbeite (aber nicht
mehr ruhig), ich sorge, ich verkaufe, so lange ich etwas habe, wie dann, mag Gott
wissen. Es ist hart, bei dem lebendigsten Bestreben nach Erkenntniß und Voll¬
kommenheit, bei dem Gefühle, der Welt nützen zu können, von der Welt verlassen
unterzugehen. Mein Trost ist die ewige Weisheit, in der solche Begebenheiten ewig
begründet sind, und der Gedanke, daß ich ja nichts besseres bin, als so viele vor¬
treffliche Menschen, die ein Aehnliches oder Schlimmeres erduldet haben." --




Zur Frage der Altersversorgungskassen.
(Schluß.)

Von den gegnerischen Gesichtspunkten, die in ansehnlicher Zahl und Stärke
gegen die Altersversorgungskassen auftreten, find zwei von principiellen, tief ein¬
greifendem Charakter, während die übrigen sich mehr als technische Schwierig-


um den Vater abermals keine geringen Anforderungen; denn nicht nur die
Schulden in Jena, die Krause in große Verlegenheiten gebracht und in Un¬
annehmlichkeiten verwickelt hatten, hatte der Vater tilgen und die Existenz in
Rudolstadt ermöglichen müssen; auch für Dresden mußte er wenigstens vorläufig
die Subsistenzmittel hergeben. Die Idee, ein Erziehungsinstitut zu gründen,
kam in der Folge nicht zur Ausführung; mit Vorlesungen machte er einen
erfolgreichen Versuch, aber seine Existenz konnte er keinesfalls darauf gründen,
und da er auch von dem Privatunterricht, den er mehrfach ertheilte, nicht leben
konnte, so mußte ihn der Vater fortdauernd unterstützen.

Zum ersten Male tritt jetzt ein Anfall von Schwermuth bei ihm auf, der
sich später wiederholte. Am 5. September 1805 schrieb er seinem Vater:

„Immer habe ich, an Sie zu schreiben, verschoben, weil ich hoffte, vielleicht
einiges Glückliche zu erfahren, durch dessen Nachricht ich Sie hätte erfreuen können;
allein des Glücklichen ist nur wenig und des Unangenehmen, ich will nicht sagen
des Unglücks viel. Unsere Scinci j>cis zweite Kind^, die, wie Sie wissen, von An¬
beginn ihres Lebens gekränkelt hat, — ist uns vorige Nacht halb 12 Uhr gestorben.
— Es war ein liebes Kind, eine schöne Seele in einem schönen Leibe. — Meine
Frau ist noch nicht niedergekommen, ich erwarte es jeden Tag mit bangen Besorg¬
nissen, theils wegen des jetzt auf sie so schädlich wirkenden Kummers, theils auch
wegen der Sorgen für Unterhalt, die mich jetzt furchtbar treffen. Ich habe
jetzt wahrlich eine harte Probe zu bestehen, die mein Herz von allen Seiten in der
Tiefe angreift. Doch schickt mir vielleicht Gott Beistand, daß ich bis zuletzt ohne
Murren aushalte. — — Ich treibe es, so lange es geht, ich arbeite (aber nicht
mehr ruhig), ich sorge, ich verkaufe, so lange ich etwas habe, wie dann, mag Gott
wissen. Es ist hart, bei dem lebendigsten Bestreben nach Erkenntniß und Voll¬
kommenheit, bei dem Gefühle, der Welt nützen zu können, von der Welt verlassen
unterzugehen. Mein Trost ist die ewige Weisheit, in der solche Begebenheiten ewig
begründet sind, und der Gedanke, daß ich ja nichts besseres bin, als so viele vor¬
treffliche Menschen, die ein Aehnliches oder Schlimmeres erduldet haben." —




Zur Frage der Altersversorgungskassen.
(Schluß.)

Von den gegnerischen Gesichtspunkten, die in ansehnlicher Zahl und Stärke
gegen die Altersversorgungskassen auftreten, find zwei von principiellen, tief ein¬
greifendem Charakter, während die übrigen sich mehr als technische Schwierig-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/162>, abgerufen am 22.07.2024.