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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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holen. Kein Schwur oder Fluch kam je über seine Lippe". Auch von Aber¬
glauben war er nicht frei; er trug eine Halskette von Heiligen und Madonnen,
vor der er großen Respect hatte. Bei bedenkliche" Gespräche" Pflegte er das
große Muttergottes-Bild seines Zimmers mit dem Gesichte gegen die Wand zu
kehren. Bei dieser Gemüthsrichtung und seiner persönlichen Verehrung für den
Papst konnten schwere innere Conflicte nicht ausbleiben. Aber es siegte eben
stets das Bewußtsein seiner Monarchenpflicht über die Bedenken des Privat¬
mannes, und er bekämpfte das Papstkönigthum, dessen Verderblichkeit sür Italien
er klar erkannte, mit allen ihm zu Gebote stehenden Waffen, ohne den Frauen,
Beichtvätern und dein heiligen Vater selbst den geringsten Einfluß auf seine
Entschlüsse zu gestatten.

"Voller Geradheit, Muth und unbestechlicher Redlichkeit," so schildert ihn
uns der berühmte Dichter Manzoni, "sucht er Ruhm und Glück nicht für sich,
sondern nur für das Vaterland. In Einfachheit stets sich gleich bleibend, ohne
sich darum zu bemühen, groß zu scheinen, ist er natürlich, weil er wahr ist."
Von unerschütterlicher Konsequenz und Energie, zäh und ausdauernd in seinen
Entschlüssen wie in seinen Gesinnungen, blieb der König stets sich selbst wie
Anderen tren. Das hat ihm jenen anscheinend so bescheidenen und doch so
herrlichen und vielsagenden Beinamen verschafft, mit dem ihn sein Volk bezeichnet
hat, und den ihm die Geschichte bewahren wird: II rs Zalantumric", der König
Ehrenmann. Seinen Ministern trat er stets offen und ehrlich gegenüber; nie
hat er -- eine auch in constitutionellen Staaten nicht häufige Erscheinung --
fremden Einfluß auf die Regierung des Staates neben dem ihrigen, nie eine
Camarilla geduldet. Nie hat er das gegebene Wort gebrochen; den Freunden --
denn er besaß derselben in der vollsten Bedeutung des Wortes wie selten ein
Monarch unter seinen Unterthanen -- stand sein Herz wie seine Hand stets
offen. Voll begeisterter Vaterlandsliebe, hatte er volles und unerschütterliches
Vertrauen auf den Sieg der italienischen Sache; aber er hatte auch Glauben
an die Freiheit und ein hochherziges Vertrauen zu seinem Volke. Er verstand
es eine seltene Eigenschaft bei Königen --, auch fremde Meinungen neben
der eignen gelten zu lassen und zu achten; er besaß eine politische Klugheit, die
es ihm möglich machte, alle Elemente zu benutzen, um das vorgesteckte Ziel zu
erreichen, ohne ihnen den Weg dahin ängstlich abzustecken und vorzuschreiben; er
hatte jenen sichern und klaren Blick, der die rechten Werkzeuge rasch zu finden,
die Menschen an ihren Platz zu stellen weiß, und endlich jene geniale Sorg¬
losigkeit gegenüber allen kleineren Schwierigkeiten und Hindernissen, welche so
unendlich viel zum Erfolge beiträgt.

Daß der König an den Berathungen seiner Minister persönlich thätigen
Antheil nahm, beweist schon das oben angeführte Wort von Cavour. "Er zeigt,"


holen. Kein Schwur oder Fluch kam je über seine Lippe». Auch von Aber¬
glauben war er nicht frei; er trug eine Halskette von Heiligen und Madonnen,
vor der er großen Respect hatte. Bei bedenkliche» Gespräche» Pflegte er das
große Muttergottes-Bild seines Zimmers mit dem Gesichte gegen die Wand zu
kehren. Bei dieser Gemüthsrichtung und seiner persönlichen Verehrung für den
Papst konnten schwere innere Conflicte nicht ausbleiben. Aber es siegte eben
stets das Bewußtsein seiner Monarchenpflicht über die Bedenken des Privat¬
mannes, und er bekämpfte das Papstkönigthum, dessen Verderblichkeit sür Italien
er klar erkannte, mit allen ihm zu Gebote stehenden Waffen, ohne den Frauen,
Beichtvätern und dein heiligen Vater selbst den geringsten Einfluß auf seine
Entschlüsse zu gestatten.

„Voller Geradheit, Muth und unbestechlicher Redlichkeit," so schildert ihn
uns der berühmte Dichter Manzoni, „sucht er Ruhm und Glück nicht für sich,
sondern nur für das Vaterland. In Einfachheit stets sich gleich bleibend, ohne
sich darum zu bemühen, groß zu scheinen, ist er natürlich, weil er wahr ist."
Von unerschütterlicher Konsequenz und Energie, zäh und ausdauernd in seinen
Entschlüssen wie in seinen Gesinnungen, blieb der König stets sich selbst wie
Anderen tren. Das hat ihm jenen anscheinend so bescheidenen und doch so
herrlichen und vielsagenden Beinamen verschafft, mit dem ihn sein Volk bezeichnet
hat, und den ihm die Geschichte bewahren wird: II rs Zalantumric», der König
Ehrenmann. Seinen Ministern trat er stets offen und ehrlich gegenüber; nie
hat er — eine auch in constitutionellen Staaten nicht häufige Erscheinung —
fremden Einfluß auf die Regierung des Staates neben dem ihrigen, nie eine
Camarilla geduldet. Nie hat er das gegebene Wort gebrochen; den Freunden —
denn er besaß derselben in der vollsten Bedeutung des Wortes wie selten ein
Monarch unter seinen Unterthanen — stand sein Herz wie seine Hand stets
offen. Voll begeisterter Vaterlandsliebe, hatte er volles und unerschütterliches
Vertrauen auf den Sieg der italienischen Sache; aber er hatte auch Glauben
an die Freiheit und ein hochherziges Vertrauen zu seinem Volke. Er verstand
es eine seltene Eigenschaft bei Königen —, auch fremde Meinungen neben
der eignen gelten zu lassen und zu achten; er besaß eine politische Klugheit, die
es ihm möglich machte, alle Elemente zu benutzen, um das vorgesteckte Ziel zu
erreichen, ohne ihnen den Weg dahin ängstlich abzustecken und vorzuschreiben; er
hatte jenen sichern und klaren Blick, der die rechten Werkzeuge rasch zu finden,
die Menschen an ihren Platz zu stellen weiß, und endlich jene geniale Sorg¬
losigkeit gegenüber allen kleineren Schwierigkeiten und Hindernissen, welche so
unendlich viel zum Erfolge beiträgt.

Daß der König an den Berathungen seiner Minister persönlich thätigen
Antheil nahm, beweist schon das oben angeführte Wort von Cavour. „Er zeigt,"


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[0110] holen. Kein Schwur oder Fluch kam je über seine Lippe». Auch von Aber¬ glauben war er nicht frei; er trug eine Halskette von Heiligen und Madonnen, vor der er großen Respect hatte. Bei bedenkliche» Gespräche» Pflegte er das große Muttergottes-Bild seines Zimmers mit dem Gesichte gegen die Wand zu kehren. Bei dieser Gemüthsrichtung und seiner persönlichen Verehrung für den Papst konnten schwere innere Conflicte nicht ausbleiben. Aber es siegte eben stets das Bewußtsein seiner Monarchenpflicht über die Bedenken des Privat¬ mannes, und er bekämpfte das Papstkönigthum, dessen Verderblichkeit sür Italien er klar erkannte, mit allen ihm zu Gebote stehenden Waffen, ohne den Frauen, Beichtvätern und dein heiligen Vater selbst den geringsten Einfluß auf seine Entschlüsse zu gestatten. „Voller Geradheit, Muth und unbestechlicher Redlichkeit," so schildert ihn uns der berühmte Dichter Manzoni, „sucht er Ruhm und Glück nicht für sich, sondern nur für das Vaterland. In Einfachheit stets sich gleich bleibend, ohne sich darum zu bemühen, groß zu scheinen, ist er natürlich, weil er wahr ist." Von unerschütterlicher Konsequenz und Energie, zäh und ausdauernd in seinen Entschlüssen wie in seinen Gesinnungen, blieb der König stets sich selbst wie Anderen tren. Das hat ihm jenen anscheinend so bescheidenen und doch so herrlichen und vielsagenden Beinamen verschafft, mit dem ihn sein Volk bezeichnet hat, und den ihm die Geschichte bewahren wird: II rs Zalantumric», der König Ehrenmann. Seinen Ministern trat er stets offen und ehrlich gegenüber; nie hat er — eine auch in constitutionellen Staaten nicht häufige Erscheinung — fremden Einfluß auf die Regierung des Staates neben dem ihrigen, nie eine Camarilla geduldet. Nie hat er das gegebene Wort gebrochen; den Freunden — denn er besaß derselben in der vollsten Bedeutung des Wortes wie selten ein Monarch unter seinen Unterthanen — stand sein Herz wie seine Hand stets offen. Voll begeisterter Vaterlandsliebe, hatte er volles und unerschütterliches Vertrauen auf den Sieg der italienischen Sache; aber er hatte auch Glauben an die Freiheit und ein hochherziges Vertrauen zu seinem Volke. Er verstand es eine seltene Eigenschaft bei Königen —, auch fremde Meinungen neben der eignen gelten zu lassen und zu achten; er besaß eine politische Klugheit, die es ihm möglich machte, alle Elemente zu benutzen, um das vorgesteckte Ziel zu erreichen, ohne ihnen den Weg dahin ängstlich abzustecken und vorzuschreiben; er hatte jenen sichern und klaren Blick, der die rechten Werkzeuge rasch zu finden, die Menschen an ihren Platz zu stellen weiß, und endlich jene geniale Sorg¬ losigkeit gegenüber allen kleineren Schwierigkeiten und Hindernissen, welche so unendlich viel zum Erfolge beiträgt. Daß der König an den Berathungen seiner Minister persönlich thätigen Antheil nahm, beweist schon das oben angeführte Wort von Cavour. „Er zeigt,"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/110>, abgerufen am 22.07.2024.