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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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zahlreich erhalten. Sie sind am Gesichtsausdruck, dein nicht gymnastisch durch¬
gebildeten rohen Körper, besonders aber an dem wilden, struppigen Haare sicher
zu erkennen. Zu ihnen gehören zwei unbekleidete Krieger, in Venedig (1) und
in Paris (5), sowie der am Oberkörper leicht bekleidete in Venedig (4). Tritt
hier schon ein Unterschied in den äußeren Merkmalen ein, soweit sie unwesentlich
sind, und darf als sicher angenommen werden, daß die Gallier nicht ganz schutzlos
in den Kampf gegangen sind, am allerwenigsten aber, nachdem sie mit wohlge¬
rüsteten Völkern längere Zeit Krieg geführt und von ihnen Waffen oder Rüst¬
ungsstücke erobert hatten, so werden wir uns nicht wundern, auch einen behelmten
Gallier zu finden (8, in Neapel), ja wir dürfen vielleicht gerade diese Behelmung
als einen porträtartigen, gewiß für viele Gallier charakteristischen Zug in Anspruch
nehmen, da sie sich mit den Beutestücken der besiegten Feinde geschmückt hatten
und mit dieser Beute einen um so merkwürdigeren Anblick darboten, der sie als
früher siegreiche und daher gefährliche Gegner kennzeichnete.

Wenn wir die bei Castelani in Rom befindliche Statue (2) als zu sehr
aus echten und unechten Theilen, unter Vorwiegen der letzteren, zusammengestückelt
lieber bei Seite lassen, so bleiben noch drei Figuren übrig, welche eher einen
Zweifel über ihre Bedeutung zulassen können. Die Zipfelmütze der römischen
Statue (3) verbietet einen Gallier anzunehmen, die sonst vollständige Nacktheit
schließt den Perser aus. Da nun die spitze Mütze auf Asien hindeutet, so er¬
giebt sich wohl mit Sicherheit, daß wir hier einen Pergcuneuer, einen Krieger
des ans griechischen und asiatischen Elementen gemischten Staatswesens vor uns
haben. Hier scheint das barbarische Element den Vorrang zu haben, worauf
außer der Körperbildung besonders das in derben Zügen gebildete und durch
den erschreckenden Ausdruck verzweifelnder Sorge noch wilder gemachte Gesicht
hindeutet. Gleichfalls für einen Pergamener, aber griechischen Elementes, möchten
wir den Jüngling in Venedig halten (9), dessen edler, sorgfältig durchgebildeter
Körper, im Verein mit dem lockigen Haar, das sich deutlich von dem der Gallier
unterscheidet, auf griechische Cultur hindeutet, während der sechseckige Schild
und auch der gewundene Leibgurt ungriechische Merkmale sind und, da Gallier
und Perser ausgeschlossen bleiben, nur bei einem Pergamener vorausgesetzt werde"
können. In der letzten Figur, dem Todten in Neapel (6), könnte man zunächst
einen Gallier vermuthen. Beobachtet man aber die gerade den Galliern gegen¬
über gesteigerte Wildheit im Ausdruck wie im Haar, den den Galliern fremden
Vollbart, die nicht nur wie bei dem Gallier in Neapel (8) unter den Armen,


laset zusammengestellt; die dort benutzte Numerirung behalten wir zu rascherer Orientinmg
bei und fügen sie im Texte in Klammern hinzu.

zahlreich erhalten. Sie sind am Gesichtsausdruck, dein nicht gymnastisch durch¬
gebildeten rohen Körper, besonders aber an dem wilden, struppigen Haare sicher
zu erkennen. Zu ihnen gehören zwei unbekleidete Krieger, in Venedig (1) und
in Paris (5), sowie der am Oberkörper leicht bekleidete in Venedig (4). Tritt
hier schon ein Unterschied in den äußeren Merkmalen ein, soweit sie unwesentlich
sind, und darf als sicher angenommen werden, daß die Gallier nicht ganz schutzlos
in den Kampf gegangen sind, am allerwenigsten aber, nachdem sie mit wohlge¬
rüsteten Völkern längere Zeit Krieg geführt und von ihnen Waffen oder Rüst¬
ungsstücke erobert hatten, so werden wir uns nicht wundern, auch einen behelmten
Gallier zu finden (8, in Neapel), ja wir dürfen vielleicht gerade diese Behelmung
als einen porträtartigen, gewiß für viele Gallier charakteristischen Zug in Anspruch
nehmen, da sie sich mit den Beutestücken der besiegten Feinde geschmückt hatten
und mit dieser Beute einen um so merkwürdigeren Anblick darboten, der sie als
früher siegreiche und daher gefährliche Gegner kennzeichnete.

Wenn wir die bei Castelani in Rom befindliche Statue (2) als zu sehr
aus echten und unechten Theilen, unter Vorwiegen der letzteren, zusammengestückelt
lieber bei Seite lassen, so bleiben noch drei Figuren übrig, welche eher einen
Zweifel über ihre Bedeutung zulassen können. Die Zipfelmütze der römischen
Statue (3) verbietet einen Gallier anzunehmen, die sonst vollständige Nacktheit
schließt den Perser aus. Da nun die spitze Mütze auf Asien hindeutet, so er¬
giebt sich wohl mit Sicherheit, daß wir hier einen Pergcuneuer, einen Krieger
des ans griechischen und asiatischen Elementen gemischten Staatswesens vor uns
haben. Hier scheint das barbarische Element den Vorrang zu haben, worauf
außer der Körperbildung besonders das in derben Zügen gebildete und durch
den erschreckenden Ausdruck verzweifelnder Sorge noch wilder gemachte Gesicht
hindeutet. Gleichfalls für einen Pergamener, aber griechischen Elementes, möchten
wir den Jüngling in Venedig halten (9), dessen edler, sorgfältig durchgebildeter
Körper, im Verein mit dem lockigen Haar, das sich deutlich von dem der Gallier
unterscheidet, auf griechische Cultur hindeutet, während der sechseckige Schild
und auch der gewundene Leibgurt ungriechische Merkmale sind und, da Gallier
und Perser ausgeschlossen bleiben, nur bei einem Pergamener vorausgesetzt werde»
können. In der letzten Figur, dem Todten in Neapel (6), könnte man zunächst
einen Gallier vermuthen. Beobachtet man aber die gerade den Galliern gegen¬
über gesteigerte Wildheit im Ausdruck wie im Haar, den den Galliern fremden
Vollbart, die nicht nur wie bei dem Gallier in Neapel (8) unter den Armen,


laset zusammengestellt; die dort benutzte Numerirung behalten wir zu rascherer Orientinmg
bei und fügen sie im Texte in Klammern hinzu.
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[0076] zahlreich erhalten. Sie sind am Gesichtsausdruck, dein nicht gymnastisch durch¬ gebildeten rohen Körper, besonders aber an dem wilden, struppigen Haare sicher zu erkennen. Zu ihnen gehören zwei unbekleidete Krieger, in Venedig (1) und in Paris (5), sowie der am Oberkörper leicht bekleidete in Venedig (4). Tritt hier schon ein Unterschied in den äußeren Merkmalen ein, soweit sie unwesentlich sind, und darf als sicher angenommen werden, daß die Gallier nicht ganz schutzlos in den Kampf gegangen sind, am allerwenigsten aber, nachdem sie mit wohlge¬ rüsteten Völkern längere Zeit Krieg geführt und von ihnen Waffen oder Rüst¬ ungsstücke erobert hatten, so werden wir uns nicht wundern, auch einen behelmten Gallier zu finden (8, in Neapel), ja wir dürfen vielleicht gerade diese Behelmung als einen porträtartigen, gewiß für viele Gallier charakteristischen Zug in Anspruch nehmen, da sie sich mit den Beutestücken der besiegten Feinde geschmückt hatten und mit dieser Beute einen um so merkwürdigeren Anblick darboten, der sie als früher siegreiche und daher gefährliche Gegner kennzeichnete. Wenn wir die bei Castelani in Rom befindliche Statue (2) als zu sehr aus echten und unechten Theilen, unter Vorwiegen der letzteren, zusammengestückelt lieber bei Seite lassen, so bleiben noch drei Figuren übrig, welche eher einen Zweifel über ihre Bedeutung zulassen können. Die Zipfelmütze der römischen Statue (3) verbietet einen Gallier anzunehmen, die sonst vollständige Nacktheit schließt den Perser aus. Da nun die spitze Mütze auf Asien hindeutet, so er¬ giebt sich wohl mit Sicherheit, daß wir hier einen Pergcuneuer, einen Krieger des ans griechischen und asiatischen Elementen gemischten Staatswesens vor uns haben. Hier scheint das barbarische Element den Vorrang zu haben, worauf außer der Körperbildung besonders das in derben Zügen gebildete und durch den erschreckenden Ausdruck verzweifelnder Sorge noch wilder gemachte Gesicht hindeutet. Gleichfalls für einen Pergamener, aber griechischen Elementes, möchten wir den Jüngling in Venedig halten (9), dessen edler, sorgfältig durchgebildeter Körper, im Verein mit dem lockigen Haar, das sich deutlich von dem der Gallier unterscheidet, auf griechische Cultur hindeutet, während der sechseckige Schild und auch der gewundene Leibgurt ungriechische Merkmale sind und, da Gallier und Perser ausgeschlossen bleiben, nur bei einem Pergamener vorausgesetzt werde» können. In der letzten Figur, dem Todten in Neapel (6), könnte man zunächst einen Gallier vermuthen. Beobachtet man aber die gerade den Galliern gegen¬ über gesteigerte Wildheit im Ausdruck wie im Haar, den den Galliern fremden Vollbart, die nicht nur wie bei dem Gallier in Neapel (8) unter den Armen, laset zusammengestellt; die dort benutzte Numerirung behalten wir zu rascherer Orientinmg bei und fügen sie im Texte in Klammern hinzu.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/76>, abgerufen am 03.07.2024.