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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Ostjordanlandes ist zwar wegen der erheblichen Schwierigkeiten, mit denen die
diesen Theil der Arbeit durchführenden Amerikaner zu kämpfen haben, noch nicht
vollendet, aber auch sie geht bereits ihrer Vollendung entgegen. Daneben sind
aber auch an einzelnen Orten eingehende Forschungen über die topographische
Lage alter Städte und Bauten angestellt worden. Nach dieser Seite hin gipfelt
natürlich das Interesse in einer näheren Erkenntniß des Umfanges und der
Anlage des alten Jerusalem und seiner wichtigsten Bauten. Es ist erstaunlich,
welche Resultate der unermüdliche Forschertrieb auch auf diesem Gebiete bereits
aufzuweisen hat. Der Engländer Wilson z. B. hat durch Nachgrabungen ge¬
funden, daß das an der Westseite des Haram ches-Scherif, d. h. des Tempel¬
areals, gelegene Kettenthor auf einem großen Brückenbogen steht. Ueber diesen
und über andere hinweg führte eine Straße nach der westlich vom Tempelberge
auf dem Zion gelegenen Oberstadt, und so gewaltig hat sich an dieser Stelle
der mehr als tausendjährige Schutt aufgehäuft, daß erst bei 15 Meter Tiefe
der Fels gefunden wurde, in dem die Tempelmauer eingefügt war. Außerdem
fand man dort einen unterirdischen Gang, der in gleicher Richtung mit dem
eben erwähnten Viadnct von der Tempelarea zur Citadelle lief. Obwohl Warren
in diesem Gange 80 Meter vorwärts ging, konnte er das Ende doch nicht er¬
reichen.*) Südlich davon, nur etwa 12 Meter von der Südwestecke der Tempelarea
entfernt, fand schon früher Robinson ebenfalls einen Brückenansatz, welcher zu
einem in der Herodianischen Zeit gebauten Viaduct gehörte, der aus dem Tempel
über das Tyropvon (d. i. Käsemacherthal) nach dem Xystus, der von demselben
Herodes dem Großen angelegten Colonnade führte und das an dieser Stelle
91 Meter breite Thal überbrückte. Hier ließen sich in einer Tiefe von fast
14 Metern über einem in den Felsen gehauenen Canal noch die Gewölbesteine
der älteren, von Salomo angelegten Thalüberbrückung aufweisen, welche einst
den Palast Salomos mit dem unteren Theile der Oberstadt verband.

Aber auch die Kenntniß der Natur des ganzen Landes ist ja von bedeu¬
tendem Einfluß auf das Verständniß der biblischen Bücher. Weil die bilder¬
reiche Sprache der Hebräer ihre Wendungen unmittelbar dem Leben der Natur
entlehnt, so daß ihre zahlreichen Vergleichungen auf eine außerordentlich scharfe
und vielseitige Naturbetrachtung zurückgehen, so erschließt sich deren volles Ver¬



archäologische Resultate berichtet das Buch von C. Reignier Corder: Lent porte in ?s,Is
Keins (London, 1373). Die Karte des westlichen Palästina wird -- nach einer Notiz im
diesjährigen Aprilheft des seit 1869 vom 1^1. Dxxl. ?unä herausgegebenen Hu->,W'I^ Li^te-
msnt -- gleichzeitig mit der des Ostjordanlandcs im Herbst dieses Jahres zur öffentlichen
Ausgabe gelangen, nachdem dieselbe bereits früher den Mitgliedern der beiden Palästina-
Vereine eingehändigt worden ist.
Ueber die bis 1374 erzielten Resultate des I'^Ivstinv Lxxloration ?unä erstattet die
ans Kosten der Gesellschaft gedruckte, gut ausgestattete und dabei überaus billige Schrift

Ostjordanlandes ist zwar wegen der erheblichen Schwierigkeiten, mit denen die
diesen Theil der Arbeit durchführenden Amerikaner zu kämpfen haben, noch nicht
vollendet, aber auch sie geht bereits ihrer Vollendung entgegen. Daneben sind
aber auch an einzelnen Orten eingehende Forschungen über die topographische
Lage alter Städte und Bauten angestellt worden. Nach dieser Seite hin gipfelt
natürlich das Interesse in einer näheren Erkenntniß des Umfanges und der
Anlage des alten Jerusalem und seiner wichtigsten Bauten. Es ist erstaunlich,
welche Resultate der unermüdliche Forschertrieb auch auf diesem Gebiete bereits
aufzuweisen hat. Der Engländer Wilson z. B. hat durch Nachgrabungen ge¬
funden, daß das an der Westseite des Haram ches-Scherif, d. h. des Tempel¬
areals, gelegene Kettenthor auf einem großen Brückenbogen steht. Ueber diesen
und über andere hinweg führte eine Straße nach der westlich vom Tempelberge
auf dem Zion gelegenen Oberstadt, und so gewaltig hat sich an dieser Stelle
der mehr als tausendjährige Schutt aufgehäuft, daß erst bei 15 Meter Tiefe
der Fels gefunden wurde, in dem die Tempelmauer eingefügt war. Außerdem
fand man dort einen unterirdischen Gang, der in gleicher Richtung mit dem
eben erwähnten Viadnct von der Tempelarea zur Citadelle lief. Obwohl Warren
in diesem Gange 80 Meter vorwärts ging, konnte er das Ende doch nicht er¬
reichen.*) Südlich davon, nur etwa 12 Meter von der Südwestecke der Tempelarea
entfernt, fand schon früher Robinson ebenfalls einen Brückenansatz, welcher zu
einem in der Herodianischen Zeit gebauten Viaduct gehörte, der aus dem Tempel
über das Tyropvon (d. i. Käsemacherthal) nach dem Xystus, der von demselben
Herodes dem Großen angelegten Colonnade führte und das an dieser Stelle
91 Meter breite Thal überbrückte. Hier ließen sich in einer Tiefe von fast
14 Metern über einem in den Felsen gehauenen Canal noch die Gewölbesteine
der älteren, von Salomo angelegten Thalüberbrückung aufweisen, welche einst
den Palast Salomos mit dem unteren Theile der Oberstadt verband.

Aber auch die Kenntniß der Natur des ganzen Landes ist ja von bedeu¬
tendem Einfluß auf das Verständniß der biblischen Bücher. Weil die bilder¬
reiche Sprache der Hebräer ihre Wendungen unmittelbar dem Leben der Natur
entlehnt, so daß ihre zahlreichen Vergleichungen auf eine außerordentlich scharfe
und vielseitige Naturbetrachtung zurückgehen, so erschließt sich deren volles Ver¬



archäologische Resultate berichtet das Buch von C. Reignier Corder: Lent porte in ?s,Is
Keins (London, 1373). Die Karte des westlichen Palästina wird — nach einer Notiz im
diesjährigen Aprilheft des seit 1869 vom 1^1. Dxxl. ?unä herausgegebenen Hu->,W'I^ Li^te-
msnt — gleichzeitig mit der des Ostjordanlandcs im Herbst dieses Jahres zur öffentlichen
Ausgabe gelangen, nachdem dieselbe bereits früher den Mitgliedern der beiden Palästina-
Vereine eingehändigt worden ist.
Ueber die bis 1374 erzielten Resultate des I'^Ivstinv Lxxloration ?unä erstattet die
ans Kosten der Gesellschaft gedruckte, gut ausgestattete und dabei überaus billige Schrift
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/554>, abgerufen am 22.07.2024.