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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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alte niederdeutsche Sprttchwort: na ^all'a, (nach Jaffa gehen), das besagen
will: auf eine Reise gehen, von der man schwerlich zurückkehren wird, ist heute
zu Schanden geworden, und wenn auch die Landung in Jaffa, wo die meisten
Reisenden die bequemen Dampfer des österreichischen Lloyd verlassen, nicht leicht
ist und es große Anstrengungen kostet, das Fahrzeug, welches die Reifenden
mit dem Dampfschiff vertauschen müssen, über die Felsenklippen und durch die
stets bewegte See ins ruhige Wasser zu lenken, so kann diese kleine Schwierig¬
keit gegenüber der Schnelligkeit und Bequemlichkeit der ganzen Reise doch nicht
in Betracht kommen.

Aber auch diejenigen, denen der Anblick Palästinas verwehrt bleibt, können
ihr Interesse am Heiligen Lande bethätigen. So hat ein noch lebender hochbe¬
tagter Geistlicher Dresdens, Pastor "Zwor. Gustav Böttger, ein "Topographisch¬
historisches Lexicon zu den Schriften des Flcwius Josephus" verfaßt, welches
nur dem Wunsche die biblischen Stätten zu schauen und zu erforschen seine
Entstehung verdankt. Von seinen Jugendjahren an beseelte den Herausgeber,
wie er in der Vorrede erzählt, der heiße Wunsch, das Heilige Land betreten
zu können. Da aber verschiedene Umstände der Erfüllung dieses Wunsches ent¬
gegentraten, so begann er, um feiner Sehnsucht einigermaßen entschädigende Be¬
friedigung zu gewähren, sich an der Hand der Bibel mit Reisebeschreibungen
und Karten von Palästina zu beschäftigen, und so wurde schließlich der Wunsch
in ihm rege, alles das zusammenstellen, was Josephus über die Lage der ein¬
zelnen Ortschaften, Flüsse und Gegenden dieses Landes und der Nachbarländer
anführt, und dadurch an feinem Theile die Kenntniß des Heiligen Landes zu
fördern.

In England und Amerika, wo das Interesse für die Bibel bei weitem noch
lebendiger ist als in Deutschland, hat man es neuerdings verstanden, dieses
allgemeine Interesse an den "Ländern und Stätten der Heiligen Schrift" zu con-
centriren und in eine gemeinsame Bahn zu leiten, indem man Gesellschaften
gründete, welche sich die genaue wissenschaftliche Erforschung Palästinas zur
Aufgabe stellten: Zuerst den 1865 in London gegründeten IÄWti,us Dxxlora-
tion?un<Z, dem sich später eine ähnliche amerikanische Gesellschaft angeschlossen
hat, deren Execntivcomite seinen Sitz in Beirut hat.

Was diese Gesellschaften seit ihrem Bestehen zur Erreichung ihres Zieles
geleistet haben, ist nicht mit wenigen Worten zu sagen. Die großartigste, von
beiden gemeinsam unternommene Leistung ist jedenfalls die trigonometrische Ver¬
messung des Landes. Die von den Engländern ausgeführte Vermessung des
Westjordanlandes ist bereits abgeschlossen und kartographisch fixirt"); die des



*) Ueber die im Sommer 1877 vollendete Aufnahme des Westjordanlandes und einige

alte niederdeutsche Sprttchwort: na ^all'a, (nach Jaffa gehen), das besagen
will: auf eine Reise gehen, von der man schwerlich zurückkehren wird, ist heute
zu Schanden geworden, und wenn auch die Landung in Jaffa, wo die meisten
Reisenden die bequemen Dampfer des österreichischen Lloyd verlassen, nicht leicht
ist und es große Anstrengungen kostet, das Fahrzeug, welches die Reifenden
mit dem Dampfschiff vertauschen müssen, über die Felsenklippen und durch die
stets bewegte See ins ruhige Wasser zu lenken, so kann diese kleine Schwierig¬
keit gegenüber der Schnelligkeit und Bequemlichkeit der ganzen Reise doch nicht
in Betracht kommen.

Aber auch diejenigen, denen der Anblick Palästinas verwehrt bleibt, können
ihr Interesse am Heiligen Lande bethätigen. So hat ein noch lebender hochbe¬
tagter Geistlicher Dresdens, Pastor «Zwor. Gustav Böttger, ein „Topographisch¬
historisches Lexicon zu den Schriften des Flcwius Josephus" verfaßt, welches
nur dem Wunsche die biblischen Stätten zu schauen und zu erforschen seine
Entstehung verdankt. Von seinen Jugendjahren an beseelte den Herausgeber,
wie er in der Vorrede erzählt, der heiße Wunsch, das Heilige Land betreten
zu können. Da aber verschiedene Umstände der Erfüllung dieses Wunsches ent¬
gegentraten, so begann er, um feiner Sehnsucht einigermaßen entschädigende Be¬
friedigung zu gewähren, sich an der Hand der Bibel mit Reisebeschreibungen
und Karten von Palästina zu beschäftigen, und so wurde schließlich der Wunsch
in ihm rege, alles das zusammenstellen, was Josephus über die Lage der ein¬
zelnen Ortschaften, Flüsse und Gegenden dieses Landes und der Nachbarländer
anführt, und dadurch an feinem Theile die Kenntniß des Heiligen Landes zu
fördern.

In England und Amerika, wo das Interesse für die Bibel bei weitem noch
lebendiger ist als in Deutschland, hat man es neuerdings verstanden, dieses
allgemeine Interesse an den „Ländern und Stätten der Heiligen Schrift" zu con-
centriren und in eine gemeinsame Bahn zu leiten, indem man Gesellschaften
gründete, welche sich die genaue wissenschaftliche Erforschung Palästinas zur
Aufgabe stellten: Zuerst den 1865 in London gegründeten IÄWti,us Dxxlora-
tion?un<Z, dem sich später eine ähnliche amerikanische Gesellschaft angeschlossen
hat, deren Execntivcomite seinen Sitz in Beirut hat.

Was diese Gesellschaften seit ihrem Bestehen zur Erreichung ihres Zieles
geleistet haben, ist nicht mit wenigen Worten zu sagen. Die großartigste, von
beiden gemeinsam unternommene Leistung ist jedenfalls die trigonometrische Ver¬
messung des Landes. Die von den Engländern ausgeführte Vermessung des
Westjordanlandes ist bereits abgeschlossen und kartographisch fixirt"); die des



*) Ueber die im Sommer 1877 vollendete Aufnahme des Westjordanlandes und einige
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[0553] alte niederdeutsche Sprttchwort: na ^all'a, (nach Jaffa gehen), das besagen will: auf eine Reise gehen, von der man schwerlich zurückkehren wird, ist heute zu Schanden geworden, und wenn auch die Landung in Jaffa, wo die meisten Reisenden die bequemen Dampfer des österreichischen Lloyd verlassen, nicht leicht ist und es große Anstrengungen kostet, das Fahrzeug, welches die Reifenden mit dem Dampfschiff vertauschen müssen, über die Felsenklippen und durch die stets bewegte See ins ruhige Wasser zu lenken, so kann diese kleine Schwierig¬ keit gegenüber der Schnelligkeit und Bequemlichkeit der ganzen Reise doch nicht in Betracht kommen. Aber auch diejenigen, denen der Anblick Palästinas verwehrt bleibt, können ihr Interesse am Heiligen Lande bethätigen. So hat ein noch lebender hochbe¬ tagter Geistlicher Dresdens, Pastor «Zwor. Gustav Böttger, ein „Topographisch¬ historisches Lexicon zu den Schriften des Flcwius Josephus" verfaßt, welches nur dem Wunsche die biblischen Stätten zu schauen und zu erforschen seine Entstehung verdankt. Von seinen Jugendjahren an beseelte den Herausgeber, wie er in der Vorrede erzählt, der heiße Wunsch, das Heilige Land betreten zu können. Da aber verschiedene Umstände der Erfüllung dieses Wunsches ent¬ gegentraten, so begann er, um feiner Sehnsucht einigermaßen entschädigende Be¬ friedigung zu gewähren, sich an der Hand der Bibel mit Reisebeschreibungen und Karten von Palästina zu beschäftigen, und so wurde schließlich der Wunsch in ihm rege, alles das zusammenstellen, was Josephus über die Lage der ein¬ zelnen Ortschaften, Flüsse und Gegenden dieses Landes und der Nachbarländer anführt, und dadurch an feinem Theile die Kenntniß des Heiligen Landes zu fördern. In England und Amerika, wo das Interesse für die Bibel bei weitem noch lebendiger ist als in Deutschland, hat man es neuerdings verstanden, dieses allgemeine Interesse an den „Ländern und Stätten der Heiligen Schrift" zu con- centriren und in eine gemeinsame Bahn zu leiten, indem man Gesellschaften gründete, welche sich die genaue wissenschaftliche Erforschung Palästinas zur Aufgabe stellten: Zuerst den 1865 in London gegründeten IÄWti,us Dxxlora- tion?un<Z, dem sich später eine ähnliche amerikanische Gesellschaft angeschlossen hat, deren Execntivcomite seinen Sitz in Beirut hat. Was diese Gesellschaften seit ihrem Bestehen zur Erreichung ihres Zieles geleistet haben, ist nicht mit wenigen Worten zu sagen. Die großartigste, von beiden gemeinsam unternommene Leistung ist jedenfalls die trigonometrische Ver¬ messung des Landes. Die von den Engländern ausgeführte Vermessung des Westjordanlandes ist bereits abgeschlossen und kartographisch fixirt"); die des *) Ueber die im Sommer 1877 vollendete Aufnahme des Westjordanlandes und einige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/553>, abgerufen am 03.07.2024.