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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Wohl sah ich die Eltern beide,
Ohne der Kronen Licht,
Im schwarzen Trauerkleide;
Die Jungfrau sah ich nicht.

In einer gothischen Halle voll ernstem, düsterem Charakter sitzt das "Trauernde
Königspaar" -- unter diesen Namen wurde das Bild berühmt -- in tiefen
Schmerz versunken. Der König, ein bärtiger Greis, blickt starr, seine Thränen
mannhaft bekämpfend, vor sich hiu. Ein weißer Mantel fällt in breiten Falten¬
massen über das violette Untergewand herab; die Hände hält er über den Knien
gefaltet. Die Königin in braunem Gewande stützt mit der Rechten, den Blick
zu Boden gesenkt, ihr Haupt, während die Linke auf dem Arme ihres Gemahls
ruht. Seitwärts sieht man den Sarg der Tochter, und durch das Fenster blickt
der Avendhimmel, der sich über das Meer gebreitet hat, herein. Mit Sohns
"Raub des Hylas" gehörte das "Trauernde Königspaar" zu den Ereignissen der
Berliner Ausstellung von 1830. Die ergreifende Stimmungswelt, die aus den
Köpfen der beiden Figuren sprach, der Ernst und die Tiefe der Auffassung,
mit welcher sich der absichtlich gedämpfte Ton des Colorits harmonisch deckte,
riefen in Berlin einen so nachhaltigen Eindruck hervor, daß man, als die Kunde
kam, der Petersburger Winterpalast, wohin das Gemälde verkauft worden
war, sei durch eine Feuersbrunst zerstört worden, zuerst fragte, ob Lessings
"Trauerndes Königspaar" mit verbrannt sei. Bendemanns "Trauernde Juden",
welche 1831 erstanden, sind unzweifelhaft durch den Erfolg des Lessingschen
Bildes mit veranlaßt worden. Damit das Trauern nicht weiter um sich griffe,
setzte damals der Humorist der Düsseldorfer Schule, Adolf Schrödter, diesem
Jammer ein frühes Ziel, indem er den "Trauernden Juden" seine "Trauernden
Lohgerber" gegenüberstellte.

Die Lebensweise, welche der junge Lessing und seiue gleichgesinnten Genosse"
in Düsseldorf führten, entsprach völlig dem Ernste ihres Strebens. Als der
Vater ihn im Jahre 1830 besuchte, fand er dort zu seinein Erstaunen nichts von
der Regellosigkeit und Ungebundenheit des Künstlerlebens vor. "Die Einigkeit,"
schreibt er, "die ich unter diesen jungen Malern traf, war wirklich eine seltene.
Sie wohnten größtenteils in einem Hause, hatten nur ein Schreibzeug und
eine Casse, welche einer von ihnen führte. Diese Cassenverwaltung war so originell,
daß man sah, sie verlangten vom Leben wenig und gingen nur mit Ernst ihrer
Ausbildung als Maler nach. Die meisten, und Carl an der Spitze, lebten aufs
äußerste streng und sparsam."

Als Schcidow im Jahre 1830 mit Hildebrand, Sohn und Bendemann
eine längere Reise nach Italien antrat, gab er dem zweiundzwanzigjährigen
Lessing eine höchst ehrenvolle Probe seines Vertrauens, indem er ihm einen


Wohl sah ich die Eltern beide,
Ohne der Kronen Licht,
Im schwarzen Trauerkleide;
Die Jungfrau sah ich nicht.

In einer gothischen Halle voll ernstem, düsterem Charakter sitzt das „Trauernde
Königspaar" — unter diesen Namen wurde das Bild berühmt — in tiefen
Schmerz versunken. Der König, ein bärtiger Greis, blickt starr, seine Thränen
mannhaft bekämpfend, vor sich hiu. Ein weißer Mantel fällt in breiten Falten¬
massen über das violette Untergewand herab; die Hände hält er über den Knien
gefaltet. Die Königin in braunem Gewande stützt mit der Rechten, den Blick
zu Boden gesenkt, ihr Haupt, während die Linke auf dem Arme ihres Gemahls
ruht. Seitwärts sieht man den Sarg der Tochter, und durch das Fenster blickt
der Avendhimmel, der sich über das Meer gebreitet hat, herein. Mit Sohns
„Raub des Hylas" gehörte das „Trauernde Königspaar" zu den Ereignissen der
Berliner Ausstellung von 1830. Die ergreifende Stimmungswelt, die aus den
Köpfen der beiden Figuren sprach, der Ernst und die Tiefe der Auffassung,
mit welcher sich der absichtlich gedämpfte Ton des Colorits harmonisch deckte,
riefen in Berlin einen so nachhaltigen Eindruck hervor, daß man, als die Kunde
kam, der Petersburger Winterpalast, wohin das Gemälde verkauft worden
war, sei durch eine Feuersbrunst zerstört worden, zuerst fragte, ob Lessings
„Trauerndes Königspaar" mit verbrannt sei. Bendemanns „Trauernde Juden",
welche 1831 erstanden, sind unzweifelhaft durch den Erfolg des Lessingschen
Bildes mit veranlaßt worden. Damit das Trauern nicht weiter um sich griffe,
setzte damals der Humorist der Düsseldorfer Schule, Adolf Schrödter, diesem
Jammer ein frühes Ziel, indem er den „Trauernden Juden" seine „Trauernden
Lohgerber" gegenüberstellte.

Die Lebensweise, welche der junge Lessing und seiue gleichgesinnten Genosse»
in Düsseldorf führten, entsprach völlig dem Ernste ihres Strebens. Als der
Vater ihn im Jahre 1830 besuchte, fand er dort zu seinein Erstaunen nichts von
der Regellosigkeit und Ungebundenheit des Künstlerlebens vor. „Die Einigkeit,"
schreibt er, „die ich unter diesen jungen Malern traf, war wirklich eine seltene.
Sie wohnten größtenteils in einem Hause, hatten nur ein Schreibzeug und
eine Casse, welche einer von ihnen führte. Diese Cassenverwaltung war so originell,
daß man sah, sie verlangten vom Leben wenig und gingen nur mit Ernst ihrer
Ausbildung als Maler nach. Die meisten, und Carl an der Spitze, lebten aufs
äußerste streng und sparsam."

Als Schcidow im Jahre 1830 mit Hildebrand, Sohn und Bendemann
eine längere Reise nach Italien antrat, gab er dem zweiundzwanzigjährigen
Lessing eine höchst ehrenvolle Probe seines Vertrauens, indem er ihm einen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/516>, abgerufen am 22.07.2024.