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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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sehen erregten und die Landschaftsmalerei in ein ganz neues Stadium hinüber-
zuleiten berufen schienen. Noch bis in die Mitte der dreißiger Jahre bleibt
den Landschaften Lessings diese vedutenartige Anordnung, welche dann allmählich
in dein Maße weicht als Stil und Charakter die einzelnen Formen zu beherr¬
schen und zu einem einheitlichen, stimmungsvollen Ganzen aneinanderzuschließen
beginnen.

Als Wilhelm von Schadow im Herbst 1826 an Cornelius' Stelle zum
Director der Düsseldorfer Akademie ernannt wurde, befand sich auch Lessing
unter den Schülern, welche ihm nach dem Rheine folgten. Schadow hielt seiner
ganzen Richtung nach nicht viel von 'der Landschaftsmalerei. Es war ihm darum
zu thun, möglichst schnell eine große Anzahl von Historienbildern aus seiner
Schule hervorgehen zu lassen, um die Erinnerung an die großen Thaten des
Cornelius und seiner Schüler auszulöschen. Dazu sollte auch Lessing helfen, den
Schadow zu Versuchen in der Historienmalerei cmeiferte. Aber seine ersten Ver¬
suche "Abschied des jungen Tobias von seinem Vater" (Carton) und "Schlacht
bei Ikonium" (Farbenskizze) mißglückter, so daß er bald wieder den Muth verlor.
Die "Schlacht bei Ikonium" wurde jedoch trsseo im Schlosse des Grafen
Spec in Hektors ausgeführt. Nebenher cultivirte er nach wie vor die Land¬
schaftsmalerei und erzielte auch 1828 mit einer "Ritterburg im See" (jetzt in
der Berliner Nationalgalerie), welche im Charakter der Walther Seottschen
Naturschilderungen gemalt ist, und mit einer Klosterruine auf den Ausstellungen
in Düsseldorf und Berlin neue Erfolge. Die letztere Landschaft hatte bereits
dnrch zwei Schatzgräber, die im Vordergrunde beschäftigt sind, eine düstre, ge-
geheimuißvolle Staffage erhalten, wie sie nunmehr in den mannigfachsten Varia¬
tionen auf allen Lessingschen Landschaften wiederkehrte. "Lessings Burg am Wald¬
see," schrieb damals ein Correspondent des "Kunstblattes" aus Berlin, "ist eine
kühnere Dichtung, als je ein Scott sie gewagt, bei einer Wärme in der Aus-
führung, hinter der die schöpferische Kraft in der Erfindung fast zurückblieb."
Aus derselben Walter Seottschen Stimmungsromantik herausgeboren ist auch
der 1828 entstandene "Klosterhof im Schnee", welchen das städtische Museum
in Cöln besitzt: Im inneren Kreuzgange eines Klosters sieht man eine Procession
von betenden Mönchen nach einem in der Kapelle vor einem Altar stehenden
Katafalk ziehen. Zu gleicher Zeit entstand, als Pendant zu der oben erwähnten
Landschaft, ein Schloß am Meere im Mondlicht.

Diese umfassende Thätigkeit ließ Lessing noch die Zeit, einen neuen Versuch
mit der Figurenmalerei zu wagen, der seinen Namen mit einem Schlage zu den
gefeiertsten deutscher Kunst machen sollte. Uhlands melancholische Romanze
"Das Schloß am Meere" lieferte ihm das Motiv zu einem Bilde mit überlebens¬
großen Figuren in der letzten Strophe:


sehen erregten und die Landschaftsmalerei in ein ganz neues Stadium hinüber-
zuleiten berufen schienen. Noch bis in die Mitte der dreißiger Jahre bleibt
den Landschaften Lessings diese vedutenartige Anordnung, welche dann allmählich
in dein Maße weicht als Stil und Charakter die einzelnen Formen zu beherr¬
schen und zu einem einheitlichen, stimmungsvollen Ganzen aneinanderzuschließen
beginnen.

Als Wilhelm von Schadow im Herbst 1826 an Cornelius' Stelle zum
Director der Düsseldorfer Akademie ernannt wurde, befand sich auch Lessing
unter den Schülern, welche ihm nach dem Rheine folgten. Schadow hielt seiner
ganzen Richtung nach nicht viel von 'der Landschaftsmalerei. Es war ihm darum
zu thun, möglichst schnell eine große Anzahl von Historienbildern aus seiner
Schule hervorgehen zu lassen, um die Erinnerung an die großen Thaten des
Cornelius und seiner Schüler auszulöschen. Dazu sollte auch Lessing helfen, den
Schadow zu Versuchen in der Historienmalerei cmeiferte. Aber seine ersten Ver¬
suche „Abschied des jungen Tobias von seinem Vater" (Carton) und „Schlacht
bei Ikonium" (Farbenskizze) mißglückter, so daß er bald wieder den Muth verlor.
Die „Schlacht bei Ikonium" wurde jedoch trsseo im Schlosse des Grafen
Spec in Hektors ausgeführt. Nebenher cultivirte er nach wie vor die Land¬
schaftsmalerei und erzielte auch 1828 mit einer „Ritterburg im See" (jetzt in
der Berliner Nationalgalerie), welche im Charakter der Walther Seottschen
Naturschilderungen gemalt ist, und mit einer Klosterruine auf den Ausstellungen
in Düsseldorf und Berlin neue Erfolge. Die letztere Landschaft hatte bereits
dnrch zwei Schatzgräber, die im Vordergrunde beschäftigt sind, eine düstre, ge-
geheimuißvolle Staffage erhalten, wie sie nunmehr in den mannigfachsten Varia¬
tionen auf allen Lessingschen Landschaften wiederkehrte. „Lessings Burg am Wald¬
see," schrieb damals ein Correspondent des „Kunstblattes" aus Berlin, „ist eine
kühnere Dichtung, als je ein Scott sie gewagt, bei einer Wärme in der Aus-
führung, hinter der die schöpferische Kraft in der Erfindung fast zurückblieb."
Aus derselben Walter Seottschen Stimmungsromantik herausgeboren ist auch
der 1828 entstandene „Klosterhof im Schnee", welchen das städtische Museum
in Cöln besitzt: Im inneren Kreuzgange eines Klosters sieht man eine Procession
von betenden Mönchen nach einem in der Kapelle vor einem Altar stehenden
Katafalk ziehen. Zu gleicher Zeit entstand, als Pendant zu der oben erwähnten
Landschaft, ein Schloß am Meere im Mondlicht.

Diese umfassende Thätigkeit ließ Lessing noch die Zeit, einen neuen Versuch
mit der Figurenmalerei zu wagen, der seinen Namen mit einem Schlage zu den
gefeiertsten deutscher Kunst machen sollte. Uhlands melancholische Romanze
„Das Schloß am Meere" lieferte ihm das Motiv zu einem Bilde mit überlebens¬
großen Figuren in der letzten Strophe:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/515>, abgerufen am 22.07.2024.