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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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die Reisen der norwegischen Walroßfänger, der Gebrüder Palliser (1869) und
Wiggins (1874) berufen, welche seine Erfahrungen durchaus bestätigten, aber
immerhin blieb die Fahrt bis zum Jenissei eine vereinzelte Leistung. Um alle
Bedenken zu beseitigen, faßte man bald nach der Rückkehr deu Beschluß, im
Jahre 1876 zwei Expeditionen auszusenden, ti.e eine zu Lande unter Führung
des Dr. Hjalmar Theel, dem noch einige wissenschaftliche Kräfte sich zugeselltell;
die andere zur See wollte Nordenskjöld selbst leiten. Diesmal miethete man
den Frachtdampfer "Jener" für die Reise, für deren Kosten wieder Dickson in
Gemeinschaft mit einem reichen sibirischen Handelsherrn aufkam. Von Tromsö
am 25. Juli 1876 aufbrechend, durchfuhr der "Jener" schon am 31, Juli den
Matoschkin-Scharr, in der Absicht, seinen Curs in gerade östlicher Richtung zu
nehmen. Indeß nur zu bald geboten die Vorboten undurchdringlichen Eises
Halt, und man mußte in einem großen Bogen die Hindernisse umgehen. Trotz¬
dem würde der Dampfer, wenn nicht Nebel langsame Fahrt oder gar Ruhe
geboten hätten, sein Ziel sehr zeitig erreicht haben. So aber traf man erst am
15. August auf eine Insel, die man anfänglich für Dickson-Hafen hielt, und
die man, als man den Irrthum entdeckte, nach dein zweiten Mäcen der Nord¬
fahrt Sibiriakoff benannte. In Mesenkin, dem verabredeten Vereinigungs-
punkte beider Expeditionen, trafen die Seefahrer leider mit den Landreisenden
nicht zusammen und mußten, nachdem sie bis zum äußersten Termin gewartet
hatten, wieder aufbrechen, ohne die Landsleute an Bord nehmen zu können. Die
Heimkehr des Dampfers nach Tromsö ging vom 1. bis zum 22. September
ohne jeden Unfall von Statten.

Nachdem auch diese Reise die Möglichkeit, diese Strecken zu befahren, zwei¬
fellos dargethan hatte, lag es für Nordenskjöld nahe, auch den übrigen Theil des
sibirischen Eismeeres einem erneuten Versuche zu unterwerfen und womöglich die
Beringsstraße zu gewinnen. In einer der schwedischen Regierung unterbreite¬
ten Denkschrift legte er die Resultate seiner eingehenden Studien, verknüpft mit
seinen vielfachen Polarerfahrungen, dar und sagte unter anderem: "Ich halte
es für durchaus wahrscheinlich, daß ein gut ausgerüsteter Dampfer im Stande
sein wird, sich in: Herbste eine Bahn durchzubrechen, ohne doch zu viele Hin¬
dernisse vom Eise fürchten zu müssen.....Ich bin nicht nur vollkommen
überzeugt, daß es unter mäßig günstigen Umständen möglich sein wird, an der
Nordküste Asiens entlang zu fahren, sondern auch, daß ein derartiges Unter¬
nehmen von unberechenbarem praktischen Nutzen sein wird. .... Sollte die
Expedition wider alles Erwarten nicht im Stande sein, das festgesetzte Pro¬
gramm in allen seinen Einzelheiten auszuführen, so darf sie doch nicht als ver¬
fehlt oder mißglückt angesehen werden. Ist doch jede Meile, die wir von der
Jenisseimündung aufwärts gehen, ein neuer Schritt nach jenem großen Ziele der


die Reisen der norwegischen Walroßfänger, der Gebrüder Palliser (1869) und
Wiggins (1874) berufen, welche seine Erfahrungen durchaus bestätigten, aber
immerhin blieb die Fahrt bis zum Jenissei eine vereinzelte Leistung. Um alle
Bedenken zu beseitigen, faßte man bald nach der Rückkehr deu Beschluß, im
Jahre 1876 zwei Expeditionen auszusenden, ti.e eine zu Lande unter Führung
des Dr. Hjalmar Theel, dem noch einige wissenschaftliche Kräfte sich zugeselltell;
die andere zur See wollte Nordenskjöld selbst leiten. Diesmal miethete man
den Frachtdampfer „Jener" für die Reise, für deren Kosten wieder Dickson in
Gemeinschaft mit einem reichen sibirischen Handelsherrn aufkam. Von Tromsö
am 25. Juli 1876 aufbrechend, durchfuhr der „Jener" schon am 31, Juli den
Matoschkin-Scharr, in der Absicht, seinen Curs in gerade östlicher Richtung zu
nehmen. Indeß nur zu bald geboten die Vorboten undurchdringlichen Eises
Halt, und man mußte in einem großen Bogen die Hindernisse umgehen. Trotz¬
dem würde der Dampfer, wenn nicht Nebel langsame Fahrt oder gar Ruhe
geboten hätten, sein Ziel sehr zeitig erreicht haben. So aber traf man erst am
15. August auf eine Insel, die man anfänglich für Dickson-Hafen hielt, und
die man, als man den Irrthum entdeckte, nach dein zweiten Mäcen der Nord¬
fahrt Sibiriakoff benannte. In Mesenkin, dem verabredeten Vereinigungs-
punkte beider Expeditionen, trafen die Seefahrer leider mit den Landreisenden
nicht zusammen und mußten, nachdem sie bis zum äußersten Termin gewartet
hatten, wieder aufbrechen, ohne die Landsleute an Bord nehmen zu können. Die
Heimkehr des Dampfers nach Tromsö ging vom 1. bis zum 22. September
ohne jeden Unfall von Statten.

Nachdem auch diese Reise die Möglichkeit, diese Strecken zu befahren, zwei¬
fellos dargethan hatte, lag es für Nordenskjöld nahe, auch den übrigen Theil des
sibirischen Eismeeres einem erneuten Versuche zu unterwerfen und womöglich die
Beringsstraße zu gewinnen. In einer der schwedischen Regierung unterbreite¬
ten Denkschrift legte er die Resultate seiner eingehenden Studien, verknüpft mit
seinen vielfachen Polarerfahrungen, dar und sagte unter anderem: „Ich halte
es für durchaus wahrscheinlich, daß ein gut ausgerüsteter Dampfer im Stande
sein wird, sich in: Herbste eine Bahn durchzubrechen, ohne doch zu viele Hin¬
dernisse vom Eise fürchten zu müssen.....Ich bin nicht nur vollkommen
überzeugt, daß es unter mäßig günstigen Umständen möglich sein wird, an der
Nordküste Asiens entlang zu fahren, sondern auch, daß ein derartiges Unter¬
nehmen von unberechenbarem praktischen Nutzen sein wird. .... Sollte die
Expedition wider alles Erwarten nicht im Stande sein, das festgesetzte Pro¬
gramm in allen seinen Einzelheiten auszuführen, so darf sie doch nicht als ver¬
fehlt oder mißglückt angesehen werden. Ist doch jede Meile, die wir von der
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/500>, abgerufen am 22.07.2024.