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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Semlja nördlich vom Nordgänsekap (Llusirmoi A^s). Die Absicht der Reisenden
war, von hier aus durch den Matoschkin-Scharr, einen die ganze Insel in zwei
Theile zerlegenden Sund, in das Karische Meer vorzudringen. Da aber die
noch ungebrochene Eisdecke desselben noch längere Zeit dem Einflüsse des Polar-
svmmers trotzen zu wollen schien, so blieb nichts anderes übrig als bis zur
Südspitze der Insel umkehrend durch die Karische Pforte den Eingang zum gleich¬
namigen Meere zu nehmen. Diesem Plane aber war wieder der heftige Nord¬
ostwind so wenig günstig, daß ein Versuch mit der Jugorschen Straße gemacht
werden mußte. Diese Straße wurde nach siebentägigen Warten auf günstigen
Wind passirt und das Karische Meer völlig eisfrei gefunden. Schon während
der ganzen Fahrt und besonders während des Aufenthalts an der Westküste von
Novaja Semlja waren die Reisenden ununterbrochen mit der Untersuchung der
geologischen Beschaffenheit, der Flora und Fauna der von ihnen besuchtewGegenden
beschäftigt, und da bei äußerst schwachem Winde die Reise im Karischen Meere
nur langsam von Statten ging, so blieb ihnen Muße genug, allerhand hydro¬
graphische Untersuchungen anzustellen. Am 8. August wurde für wenige Stunden
auf der Halbinsel Jalmal (Samojedenhalbinsel) gelandet. Anfangs in nördlicher,
dann wegen unpassirbarer Massen großer Eisfelder in östlicher Richtung segelnd,
erreichte die "Prooem" am 15. Angust unter Aufhissung der schwedischen Flagge
die Nordseite der Jenisseimündung, wo sich zu ihrer Begrüßung nur ein alter
Eisbär eingestellt hatte. Er konnte der Einladung der schwedischen Expeditions¬
mitglieder nicht widerstehn und verblutete unter ihren Kugeln. "Ich betrachte
diesen Jagderfolg," schreibt Nordenskjöld "als eine gute Vorbedeutung, daß die viel¬
tausendjährige Alleinherrschaft des Bären in diesen Gegenden schleunigst ihr Ende
erreichen wird, daß zahlreiche Schiffe hier den Verkehr zwischen Europa und
den gewaltigen Flußgebieten des Jrtisch, Ob und Jenissei vermitteln werden."
Schon diese Fahrt steht einzig in ihrer Art da, indem sie auf einmal und in
verhältnißmäßig kurzer Zeit von der Jugorschen Straße bis zu Jenisseimündung
in 14 Tagen zurückgelegt worden war. Von Dickson-Hafen aus unter dem
Commando des Dr. Kjellmcmn zurückgeschickt, legte darauf die "Prooem" die Strecke
zwischen Dickson-Hafen und Hammerfest durch den Matoschkin-Scharr ohne Un¬
fall, wenn auch durch Stürme, Windstillen und conträre Winde verzögert, vom
20. August bis zum 26. September zurück. Die ganze Reise der "Prooem" hatte
demnach etwa 3Vs Monat gedauert. Nordenskjöld selbst kehrte mit seinen übrigen
Gefährten erst den Jenissei aufwärts zu Boot und Dampfer bis Jenisseisk und
von da zu Lande nach Schweden zurück.

Der Erfolg dieser Reise stand außer allem Zweifel, konnte aber dennoch
die ungünstigen Meinungen über die Eisverhältnisse des Karischen Meeres selbst
bei sachverständigen Leuten nicht ausrotten. Zwar konnte sich Nordenskjöld auf


Semlja nördlich vom Nordgänsekap (Llusirmoi A^s). Die Absicht der Reisenden
war, von hier aus durch den Matoschkin-Scharr, einen die ganze Insel in zwei
Theile zerlegenden Sund, in das Karische Meer vorzudringen. Da aber die
noch ungebrochene Eisdecke desselben noch längere Zeit dem Einflüsse des Polar-
svmmers trotzen zu wollen schien, so blieb nichts anderes übrig als bis zur
Südspitze der Insel umkehrend durch die Karische Pforte den Eingang zum gleich¬
namigen Meere zu nehmen. Diesem Plane aber war wieder der heftige Nord¬
ostwind so wenig günstig, daß ein Versuch mit der Jugorschen Straße gemacht
werden mußte. Diese Straße wurde nach siebentägigen Warten auf günstigen
Wind passirt und das Karische Meer völlig eisfrei gefunden. Schon während
der ganzen Fahrt und besonders während des Aufenthalts an der Westküste von
Novaja Semlja waren die Reisenden ununterbrochen mit der Untersuchung der
geologischen Beschaffenheit, der Flora und Fauna der von ihnen besuchtewGegenden
beschäftigt, und da bei äußerst schwachem Winde die Reise im Karischen Meere
nur langsam von Statten ging, so blieb ihnen Muße genug, allerhand hydro¬
graphische Untersuchungen anzustellen. Am 8. August wurde für wenige Stunden
auf der Halbinsel Jalmal (Samojedenhalbinsel) gelandet. Anfangs in nördlicher,
dann wegen unpassirbarer Massen großer Eisfelder in östlicher Richtung segelnd,
erreichte die „Prooem" am 15. Angust unter Aufhissung der schwedischen Flagge
die Nordseite der Jenisseimündung, wo sich zu ihrer Begrüßung nur ein alter
Eisbär eingestellt hatte. Er konnte der Einladung der schwedischen Expeditions¬
mitglieder nicht widerstehn und verblutete unter ihren Kugeln. „Ich betrachte
diesen Jagderfolg," schreibt Nordenskjöld „als eine gute Vorbedeutung, daß die viel¬
tausendjährige Alleinherrschaft des Bären in diesen Gegenden schleunigst ihr Ende
erreichen wird, daß zahlreiche Schiffe hier den Verkehr zwischen Europa und
den gewaltigen Flußgebieten des Jrtisch, Ob und Jenissei vermitteln werden."
Schon diese Fahrt steht einzig in ihrer Art da, indem sie auf einmal und in
verhältnißmäßig kurzer Zeit von der Jugorschen Straße bis zu Jenisseimündung
in 14 Tagen zurückgelegt worden war. Von Dickson-Hafen aus unter dem
Commando des Dr. Kjellmcmn zurückgeschickt, legte darauf die „Prooem" die Strecke
zwischen Dickson-Hafen und Hammerfest durch den Matoschkin-Scharr ohne Un¬
fall, wenn auch durch Stürme, Windstillen und conträre Winde verzögert, vom
20. August bis zum 26. September zurück. Die ganze Reise der „Prooem" hatte
demnach etwa 3Vs Monat gedauert. Nordenskjöld selbst kehrte mit seinen übrigen
Gefährten erst den Jenissei aufwärts zu Boot und Dampfer bis Jenisseisk und
von da zu Lande nach Schweden zurück.

Der Erfolg dieser Reise stand außer allem Zweifel, konnte aber dennoch
die ungünstigen Meinungen über die Eisverhältnisse des Karischen Meeres selbst
bei sachverständigen Leuten nicht ausrotten. Zwar konnte sich Nordenskjöld auf


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[0499] Semlja nördlich vom Nordgänsekap (Llusirmoi A^s). Die Absicht der Reisenden war, von hier aus durch den Matoschkin-Scharr, einen die ganze Insel in zwei Theile zerlegenden Sund, in das Karische Meer vorzudringen. Da aber die noch ungebrochene Eisdecke desselben noch längere Zeit dem Einflüsse des Polar- svmmers trotzen zu wollen schien, so blieb nichts anderes übrig als bis zur Südspitze der Insel umkehrend durch die Karische Pforte den Eingang zum gleich¬ namigen Meere zu nehmen. Diesem Plane aber war wieder der heftige Nord¬ ostwind so wenig günstig, daß ein Versuch mit der Jugorschen Straße gemacht werden mußte. Diese Straße wurde nach siebentägigen Warten auf günstigen Wind passirt und das Karische Meer völlig eisfrei gefunden. Schon während der ganzen Fahrt und besonders während des Aufenthalts an der Westküste von Novaja Semlja waren die Reisenden ununterbrochen mit der Untersuchung der geologischen Beschaffenheit, der Flora und Fauna der von ihnen besuchtewGegenden beschäftigt, und da bei äußerst schwachem Winde die Reise im Karischen Meere nur langsam von Statten ging, so blieb ihnen Muße genug, allerhand hydro¬ graphische Untersuchungen anzustellen. Am 8. August wurde für wenige Stunden auf der Halbinsel Jalmal (Samojedenhalbinsel) gelandet. Anfangs in nördlicher, dann wegen unpassirbarer Massen großer Eisfelder in östlicher Richtung segelnd, erreichte die „Prooem" am 15. Angust unter Aufhissung der schwedischen Flagge die Nordseite der Jenisseimündung, wo sich zu ihrer Begrüßung nur ein alter Eisbär eingestellt hatte. Er konnte der Einladung der schwedischen Expeditions¬ mitglieder nicht widerstehn und verblutete unter ihren Kugeln. „Ich betrachte diesen Jagderfolg," schreibt Nordenskjöld „als eine gute Vorbedeutung, daß die viel¬ tausendjährige Alleinherrschaft des Bären in diesen Gegenden schleunigst ihr Ende erreichen wird, daß zahlreiche Schiffe hier den Verkehr zwischen Europa und den gewaltigen Flußgebieten des Jrtisch, Ob und Jenissei vermitteln werden." Schon diese Fahrt steht einzig in ihrer Art da, indem sie auf einmal und in verhältnißmäßig kurzer Zeit von der Jugorschen Straße bis zu Jenisseimündung in 14 Tagen zurückgelegt worden war. Von Dickson-Hafen aus unter dem Commando des Dr. Kjellmcmn zurückgeschickt, legte darauf die „Prooem" die Strecke zwischen Dickson-Hafen und Hammerfest durch den Matoschkin-Scharr ohne Un¬ fall, wenn auch durch Stürme, Windstillen und conträre Winde verzögert, vom 20. August bis zum 26. September zurück. Die ganze Reise der „Prooem" hatte demnach etwa 3Vs Monat gedauert. Nordenskjöld selbst kehrte mit seinen übrigen Gefährten erst den Jenissei aufwärts zu Boot und Dampfer bis Jenisseisk und von da zu Lande nach Schweden zurück. Der Erfolg dieser Reise stand außer allem Zweifel, konnte aber dennoch die ungünstigen Meinungen über die Eisverhältnisse des Karischen Meeres selbst bei sachverständigen Leuten nicht ausrotten. Zwar konnte sich Nordenskjöld auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/499>, abgerufen am 22.07.2024.