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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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der mit drei Schiffen von London am 10. Mai 1553 aufbrach, zwei seiner
Fahrzeuge bis an die Mündung des Warsimflüßchens in Lappland führte und
hier mit seinen Gefährten durch. Hunger und Krankheiten aufgerieben wurde.
Sein drittes Schiff, das unter dem Commando von Richard Chcmcellor stand,
der den ursprünglichen Curs verloren hatte, war glücklicher: es erreichte nach
Wiederentdeckung der nördlichsten Spitze Scandimviens, die nun Nordkap be¬
nannt wurde, die Mündung der Dwina, von wo aus sich Chancellor zur An¬
knüpfung von Handelsbeziehungen zwischen dem russischen Czar und seiner
auftraggebenden Gesellschaft nach Moskau begab. Mit dem Ziele, die Obmün-
dung zu finden, machte sich drei Jahre später, 1556, Stephen Borrough auf
den Weg. Der äußerste Punkt, den er erreichte, war die karische Straße zwi¬
schen Novaja Semlja und Waigatsch, auch verdankt ihm die Erdkunde die erste
Schilderung der Scnnojeden. Treibeis hinderte ihn weiter vorzudringen. Nur
wenige Meilen weiter als er, gelangten wegen des gleichen Hemmnisses 1580
Arthur Peel und Charles Jackmann, die letzten Vertreter der Nusoov^ vmn-
welche auf diesem Wege das ihnen vorschwebende Ziel, China, zu erreiche"
suchten. Dann gab die Gesellschaft aus Furcht vor der erwachenden Eifersucht
des moskowitischen Machthabers auf die Engländer ihren Lieblingsplan auf.
An ihre Stelle traten holländische Kaufleute. 1566 waren Simon von Salingeu
und Cornelius de Meier, beide aus Antwerpen, an der Onegamündung gelandet
und hatten, um den auf ihr Monopol haltenden Engländern zu entgehen, als
Russen verkleidet sich bis nach Moskau durchgeschlagen, um vom Czar ebenfalls
eine Handelsberechtigung zu erlangen. Je mehr sich die Engländer zurückzogen,
desto eifriger suchten die Mynheers dies Gebiet auszubeuten. Cornelis van
Enkhuizen und Barent, Mbrcmd und Heemskerk sind unter den holländischen
Polarreisenden die namhaftesten. Mit reicheren Mitteln versehen als die Eng¬
länder -- von der seeländischen Regierung waren 25000 si. als Belohnung
für die Erreichung Chinas ausgesetzt -- und von den bisher gemachten nautischen
Erfahrungen Nutzen ziehend, konnten sie zwar die ausgesetzte Prämie nicht ge¬
winnen, vervollständigten aber die Kenntniß des Karischen Meeres und von
Novaja Semlja. Ihre Bemühungen enden mit dem 1596 erfolgten Tode des
thätigsten und verdientesten unter ihnen, Barent, dessen Grab auf Novaja Semlja
neuerdings wieder aufgefunden worden ist. Den letzten Versuch, den Polarweg
nach China zwischen Spitzbergen und Novaja Semlja hindurch, bez. südlich
davon zu finden, machte 1608 Hudson, doch traf er schon unter 75" n. Br. auf
ein so mächtiges Eisfeld, daß er nicht weiter vorzudringen wagte und bei seiner
Rückkehr in London erklärte, da oben gäbe es überhaupt keinen Weg nach China.
Mit dieser Fahrt enden die Versuche, jenes Problem zu losen. Was weiter


der mit drei Schiffen von London am 10. Mai 1553 aufbrach, zwei seiner
Fahrzeuge bis an die Mündung des Warsimflüßchens in Lappland führte und
hier mit seinen Gefährten durch. Hunger und Krankheiten aufgerieben wurde.
Sein drittes Schiff, das unter dem Commando von Richard Chcmcellor stand,
der den ursprünglichen Curs verloren hatte, war glücklicher: es erreichte nach
Wiederentdeckung der nördlichsten Spitze Scandimviens, die nun Nordkap be¬
nannt wurde, die Mündung der Dwina, von wo aus sich Chancellor zur An¬
knüpfung von Handelsbeziehungen zwischen dem russischen Czar und seiner
auftraggebenden Gesellschaft nach Moskau begab. Mit dem Ziele, die Obmün-
dung zu finden, machte sich drei Jahre später, 1556, Stephen Borrough auf
den Weg. Der äußerste Punkt, den er erreichte, war die karische Straße zwi¬
schen Novaja Semlja und Waigatsch, auch verdankt ihm die Erdkunde die erste
Schilderung der Scnnojeden. Treibeis hinderte ihn weiter vorzudringen. Nur
wenige Meilen weiter als er, gelangten wegen des gleichen Hemmnisses 1580
Arthur Peel und Charles Jackmann, die letzten Vertreter der Nusoov^ vmn-
welche auf diesem Wege das ihnen vorschwebende Ziel, China, zu erreiche»
suchten. Dann gab die Gesellschaft aus Furcht vor der erwachenden Eifersucht
des moskowitischen Machthabers auf die Engländer ihren Lieblingsplan auf.
An ihre Stelle traten holländische Kaufleute. 1566 waren Simon von Salingeu
und Cornelius de Meier, beide aus Antwerpen, an der Onegamündung gelandet
und hatten, um den auf ihr Monopol haltenden Engländern zu entgehen, als
Russen verkleidet sich bis nach Moskau durchgeschlagen, um vom Czar ebenfalls
eine Handelsberechtigung zu erlangen. Je mehr sich die Engländer zurückzogen,
desto eifriger suchten die Mynheers dies Gebiet auszubeuten. Cornelis van
Enkhuizen und Barent, Mbrcmd und Heemskerk sind unter den holländischen
Polarreisenden die namhaftesten. Mit reicheren Mitteln versehen als die Eng¬
länder — von der seeländischen Regierung waren 25000 si. als Belohnung
für die Erreichung Chinas ausgesetzt — und von den bisher gemachten nautischen
Erfahrungen Nutzen ziehend, konnten sie zwar die ausgesetzte Prämie nicht ge¬
winnen, vervollständigten aber die Kenntniß des Karischen Meeres und von
Novaja Semlja. Ihre Bemühungen enden mit dem 1596 erfolgten Tode des
thätigsten und verdientesten unter ihnen, Barent, dessen Grab auf Novaja Semlja
neuerdings wieder aufgefunden worden ist. Den letzten Versuch, den Polarweg
nach China zwischen Spitzbergen und Novaja Semlja hindurch, bez. südlich
davon zu finden, machte 1608 Hudson, doch traf er schon unter 75« n. Br. auf
ein so mächtiges Eisfeld, daß er nicht weiter vorzudringen wagte und bei seiner
Rückkehr in London erklärte, da oben gäbe es überhaupt keinen Weg nach China.
Mit dieser Fahrt enden die Versuche, jenes Problem zu losen. Was weiter


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/495>, abgerufen am 22.07.2024.