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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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seiner Ansicht in Cathai (-----China) und zwar in der Nähe von Cumbalich (-----Peking)
lag. Diese Karte unseres -- für jene Zeit dürfen wir wohl sagen -- Lands¬
manns von Herberstein erregte sehr bald in speculativen Köpfen den Gedanken,
auf diesem Wege, der sich, wie sie glaubten, durch Kürze vor deu übrige" aus-
zeichne, China aufzusuchen. So reiste z. B. ein Italiener, wahrscheinlich Gale-
azzo Butrigario, zu Herberstein, um mit ihm weiter über diesen Gegenstand zu
spreche". Und Herberstein durfte mit Recht als Autorität für den Osten Europas
angesehen werden, da er mehrere Male als Gesandter seines Kaisers am mosko¬
witischen Hofe verweilt und mit den ihm zu Gebote stehenden Mittel" fach¬
mäßige Untersuchungen über Land und Leute angestellt hatte.

Zu derselben Zeit wurde man in England durch Herbersteins Karte zu
ähnlichen Schlüssen geführt, und hier rüstete man schon vier Jahre nach dem
Erscheinen der Ros Noseovitas eine Expedition zur Aufsuchung Chinas auf
dieser Wasserstraße aus. Die englischen Kaufleute nämlich, beunruhigt darüber,
daß ihre Waaren auf dem europäischen Markte nur noch zu gedrückten Preise"
Absatz fanden, hatten von der englischen Krone ein Handelsmonopol zur Aus¬
beutung der nördlichen Gegenden Europas erlangt und die vomxan/ ot' Noi-
eliu-ur ^ävontarörs, später An8L0v^ <Ü0iuxg,Q^, gestiftet. Der alte und erfah¬
rene Sebastian Cabot, dessen Rath sie dabei gefolgt waren, hatte sie aus dieses
Gebiet als eine völlige wrra ineoMitg. oder vielmehr ein inaro inoognitum
verwiese". Und so beginnt nun 700 Jahre nach dem ersten Versuch des wackeren
Ottar eine eifrige Erforschung jener Einöden. Etwa 50 Jahre hindurch arbei¬
tete" erst die Engländer und nach ihnen die Holländer mit aufopferungsvoller
Ausdauer an der Entdeckung einer Handelsstraße und zugleich an der Lösung
eines geographischen Problems. Von diesen beiden Zielen erreichten sie freilich
das erstere gar nicht, das andere aber förderten sie doch wesentlich. Durch ihre
Fahrten, die mit großen Anstrengungen und außerordentlichen Entbehrungen
verknüpft waren und auf denen der Scorbut (Scharbock) zahlreiche Todesfälle
herbeiführte, wurde die Nordküste des europäisch-asiatischen Continents bis an das
Karische Meer bekannt, auch Novaja Semlja und Spitzbergen entdeckt. Näher
auf diese interessanten Entdeckungsreisen hier einzugehen, kann nicht unsere Ab¬
sicht sein, da wir unseren Lesern die Entwicklung der Frage nur zu skizziren,
dagegen die schließliche Lösung etwas eingehender zu schildern gedenken. Die
Pflicht der Dankbarkeit aber erheischt es, wenigstens die Namen der Männer
zu nennen, die nicht nur diesem so schwierigen und für jene Zeit höchst ge¬
fahrvollen Unternehmen ihre geistigen, körperlichen und materiellen Kräfte wid¬
meten, sondern auch zum Theil ihr Leben fern voll Heimat und Familie nach
unsäglichen Entbehrungen und Leiden einbüßten.

Die erste Fahrt der englischen Gesellschaft leitete Sir Hugh Willoughby,


seiner Ansicht in Cathai (-----China) und zwar in der Nähe von Cumbalich (-----Peking)
lag. Diese Karte unseres — für jene Zeit dürfen wir wohl sagen — Lands¬
manns von Herberstein erregte sehr bald in speculativen Köpfen den Gedanken,
auf diesem Wege, der sich, wie sie glaubten, durch Kürze vor deu übrige» aus-
zeichne, China aufzusuchen. So reiste z. B. ein Italiener, wahrscheinlich Gale-
azzo Butrigario, zu Herberstein, um mit ihm weiter über diesen Gegenstand zu
spreche«. Und Herberstein durfte mit Recht als Autorität für den Osten Europas
angesehen werden, da er mehrere Male als Gesandter seines Kaisers am mosko¬
witischen Hofe verweilt und mit den ihm zu Gebote stehenden Mittel» fach¬
mäßige Untersuchungen über Land und Leute angestellt hatte.

Zu derselben Zeit wurde man in England durch Herbersteins Karte zu
ähnlichen Schlüssen geführt, und hier rüstete man schon vier Jahre nach dem
Erscheinen der Ros Noseovitas eine Expedition zur Aufsuchung Chinas auf
dieser Wasserstraße aus. Die englischen Kaufleute nämlich, beunruhigt darüber,
daß ihre Waaren auf dem europäischen Markte nur noch zu gedrückten Preise»
Absatz fanden, hatten von der englischen Krone ein Handelsmonopol zur Aus¬
beutung der nördlichen Gegenden Europas erlangt und die vomxan/ ot' Noi-
eliu-ur ^ävontarörs, später An8L0v^ <Ü0iuxg,Q^, gestiftet. Der alte und erfah¬
rene Sebastian Cabot, dessen Rath sie dabei gefolgt waren, hatte sie aus dieses
Gebiet als eine völlige wrra ineoMitg. oder vielmehr ein inaro inoognitum
verwiese». Und so beginnt nun 700 Jahre nach dem ersten Versuch des wackeren
Ottar eine eifrige Erforschung jener Einöden. Etwa 50 Jahre hindurch arbei¬
tete» erst die Engländer und nach ihnen die Holländer mit aufopferungsvoller
Ausdauer an der Entdeckung einer Handelsstraße und zugleich an der Lösung
eines geographischen Problems. Von diesen beiden Zielen erreichten sie freilich
das erstere gar nicht, das andere aber förderten sie doch wesentlich. Durch ihre
Fahrten, die mit großen Anstrengungen und außerordentlichen Entbehrungen
verknüpft waren und auf denen der Scorbut (Scharbock) zahlreiche Todesfälle
herbeiführte, wurde die Nordküste des europäisch-asiatischen Continents bis an das
Karische Meer bekannt, auch Novaja Semlja und Spitzbergen entdeckt. Näher
auf diese interessanten Entdeckungsreisen hier einzugehen, kann nicht unsere Ab¬
sicht sein, da wir unseren Lesern die Entwicklung der Frage nur zu skizziren,
dagegen die schließliche Lösung etwas eingehender zu schildern gedenken. Die
Pflicht der Dankbarkeit aber erheischt es, wenigstens die Namen der Männer
zu nennen, die nicht nur diesem so schwierigen und für jene Zeit höchst ge¬
fahrvollen Unternehmen ihre geistigen, körperlichen und materiellen Kräfte wid¬
meten, sondern auch zum Theil ihr Leben fern voll Heimat und Familie nach
unsäglichen Entbehrungen und Leiden einbüßten.

Die erste Fahrt der englischen Gesellschaft leitete Sir Hugh Willoughby,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/494>, abgerufen am 22.07.2024.