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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Anderes stecken. Darauf ist einfach zu erwiedern, daß dieser thatsächliche Be¬
weis von Friedensliebe doch nicht überflüssig ist. Die liberalen Blätter sagen,
bei den Katholiken, welche nur die Caplanspresse lesen, verfange dieser Beweis
doch nichts. Der Beweis ist aber auch nicht auf die von der Caplanspresse
bedienten Katholiken berechnet.

Das Feuer des Culturkmnpses war sehr im Erlöschen, zum Theil aller¬
dings in Folge der Verständigungsversuche, auf welche die preußische Regierung
sich mit dem neuen Papst eingelassen hatte und -- einlassen mußte. Man denke
nur nicht, daß irgend ein Kampf, irgend eine Arbeit im ersten Ansatz gleich¬
mäßig sich steigernd fortlaufen kann. Es kommen Pausen, Ermattungen und
darauf das Ende oder neue Ansätze. So will es das Gesetz des Lebens, dem
auch der Culturkampf unterliegt. Auch Herr v. Bennigsen sprach schon öffent¬
lich von dem Bedürfniß des kirchlichen Friedens. Wenn dieses Bedürfniß allge¬
mein ist, so muß nun allen Augen offenbar werden, wer ihm entgegensteht.
Dazu dient überzeugend die Vorlage vom 19. Mai. Es hätte nicht ausgereicht,
Schriftstücke zu veröffentlichen, welche die unerfüllbaren Anforderungen der Curie
aufs neue bestätigen. Man muß sich weit über die Kluft hinüber biegen und
der Curie die Hand entgegenstrecken, damit die Welt sieht, wer nicht in die
Hand einschlägt. Dann kann der Kampf neu entbrennen. Dies bezweckt die
Vorlage vom 19. Mai. Aber nicht bloß dies. Es ist trotz alledem nicht aus¬
geschlossen, daß die Curie es geschehen läßt, daß auf dem Grunde dieser Vor¬
lage sich ein inoäus vivsiiäi bildet. Die Motive zu diesem Geschehenlassen
kann die Curie in der Weltsituation finden, wenn die Jesuiten dies zulassen.
Ob die Klugheit über den Fanatismus siegt, muß man abwarten. Siege der
Fanatismus, so ist die Position des Staates durch die Vorlage vom 19. Mai
ungeheuer gestärkt. Siege die Klugheit, so eröffnet sich ein Weg zum Frieden,
welcher für die Curie der leichteste und für den Staat der vortheilhafteste ist.
Das sollten die Nationalliberalen bedenken. Anstatt die Vorlage zu zerpflücken
und nach allen Seiten hin wirkungslos zu machen, sollten sie dieselbe vivo
annehmen, mit dem einzigen Zusätze einer Fristbestimmung, und sollten ihre Be¬
reitwilligkeit dazu der Regierung kund thun. Dann würde diese wohl die Kon¬
servativen zu dem Gleichen vermögen. So sollten die Nationalliberalen im
Plenum verfahren. Die Arbeiten der Commission werden nur den Zweck er¬
füllen, den Parteien die Zeit zur Wahl des richtigen Entschlusses zu verschaffen.




Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herliig in Leipzig, -- Drink von Hiithel K, Herrmann in Leipzig.

Anderes stecken. Darauf ist einfach zu erwiedern, daß dieser thatsächliche Be¬
weis von Friedensliebe doch nicht überflüssig ist. Die liberalen Blätter sagen,
bei den Katholiken, welche nur die Caplanspresse lesen, verfange dieser Beweis
doch nichts. Der Beweis ist aber auch nicht auf die von der Caplanspresse
bedienten Katholiken berechnet.

Das Feuer des Culturkmnpses war sehr im Erlöschen, zum Theil aller¬
dings in Folge der Verständigungsversuche, auf welche die preußische Regierung
sich mit dem neuen Papst eingelassen hatte und — einlassen mußte. Man denke
nur nicht, daß irgend ein Kampf, irgend eine Arbeit im ersten Ansatz gleich¬
mäßig sich steigernd fortlaufen kann. Es kommen Pausen, Ermattungen und
darauf das Ende oder neue Ansätze. So will es das Gesetz des Lebens, dem
auch der Culturkampf unterliegt. Auch Herr v. Bennigsen sprach schon öffent¬
lich von dem Bedürfniß des kirchlichen Friedens. Wenn dieses Bedürfniß allge¬
mein ist, so muß nun allen Augen offenbar werden, wer ihm entgegensteht.
Dazu dient überzeugend die Vorlage vom 19. Mai. Es hätte nicht ausgereicht,
Schriftstücke zu veröffentlichen, welche die unerfüllbaren Anforderungen der Curie
aufs neue bestätigen. Man muß sich weit über die Kluft hinüber biegen und
der Curie die Hand entgegenstrecken, damit die Welt sieht, wer nicht in die
Hand einschlägt. Dann kann der Kampf neu entbrennen. Dies bezweckt die
Vorlage vom 19. Mai. Aber nicht bloß dies. Es ist trotz alledem nicht aus¬
geschlossen, daß die Curie es geschehen läßt, daß auf dem Grunde dieser Vor¬
lage sich ein inoäus vivsiiäi bildet. Die Motive zu diesem Geschehenlassen
kann die Curie in der Weltsituation finden, wenn die Jesuiten dies zulassen.
Ob die Klugheit über den Fanatismus siegt, muß man abwarten. Siege der
Fanatismus, so ist die Position des Staates durch die Vorlage vom 19. Mai
ungeheuer gestärkt. Siege die Klugheit, so eröffnet sich ein Weg zum Frieden,
welcher für die Curie der leichteste und für den Staat der vortheilhafteste ist.
Das sollten die Nationalliberalen bedenken. Anstatt die Vorlage zu zerpflücken
und nach allen Seiten hin wirkungslos zu machen, sollten sie dieselbe vivo
annehmen, mit dem einzigen Zusätze einer Fristbestimmung, und sollten ihre Be¬
reitwilligkeit dazu der Regierung kund thun. Dann würde diese wohl die Kon¬
servativen zu dem Gleichen vermögen. So sollten die Nationalliberalen im
Plenum verfahren. Die Arbeiten der Commission werden nur den Zweck er¬
füllen, den Parteien die Zeit zur Wahl des richtigen Entschlusses zu verschaffen.




Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herliig in Leipzig, — Drink von Hiithel K, Herrmann in Leipzig.
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[0488] Anderes stecken. Darauf ist einfach zu erwiedern, daß dieser thatsächliche Be¬ weis von Friedensliebe doch nicht überflüssig ist. Die liberalen Blätter sagen, bei den Katholiken, welche nur die Caplanspresse lesen, verfange dieser Beweis doch nichts. Der Beweis ist aber auch nicht auf die von der Caplanspresse bedienten Katholiken berechnet. Das Feuer des Culturkmnpses war sehr im Erlöschen, zum Theil aller¬ dings in Folge der Verständigungsversuche, auf welche die preußische Regierung sich mit dem neuen Papst eingelassen hatte und — einlassen mußte. Man denke nur nicht, daß irgend ein Kampf, irgend eine Arbeit im ersten Ansatz gleich¬ mäßig sich steigernd fortlaufen kann. Es kommen Pausen, Ermattungen und darauf das Ende oder neue Ansätze. So will es das Gesetz des Lebens, dem auch der Culturkampf unterliegt. Auch Herr v. Bennigsen sprach schon öffent¬ lich von dem Bedürfniß des kirchlichen Friedens. Wenn dieses Bedürfniß allge¬ mein ist, so muß nun allen Augen offenbar werden, wer ihm entgegensteht. Dazu dient überzeugend die Vorlage vom 19. Mai. Es hätte nicht ausgereicht, Schriftstücke zu veröffentlichen, welche die unerfüllbaren Anforderungen der Curie aufs neue bestätigen. Man muß sich weit über die Kluft hinüber biegen und der Curie die Hand entgegenstrecken, damit die Welt sieht, wer nicht in die Hand einschlägt. Dann kann der Kampf neu entbrennen. Dies bezweckt die Vorlage vom 19. Mai. Aber nicht bloß dies. Es ist trotz alledem nicht aus¬ geschlossen, daß die Curie es geschehen läßt, daß auf dem Grunde dieser Vor¬ lage sich ein inoäus vivsiiäi bildet. Die Motive zu diesem Geschehenlassen kann die Curie in der Weltsituation finden, wenn die Jesuiten dies zulassen. Ob die Klugheit über den Fanatismus siegt, muß man abwarten. Siege der Fanatismus, so ist die Position des Staates durch die Vorlage vom 19. Mai ungeheuer gestärkt. Siege die Klugheit, so eröffnet sich ein Weg zum Frieden, welcher für die Curie der leichteste und für den Staat der vortheilhafteste ist. Das sollten die Nationalliberalen bedenken. Anstatt die Vorlage zu zerpflücken und nach allen Seiten hin wirkungslos zu machen, sollten sie dieselbe vivo annehmen, mit dem einzigen Zusätze einer Fristbestimmung, und sollten ihre Be¬ reitwilligkeit dazu der Regierung kund thun. Dann würde diese wohl die Kon¬ servativen zu dem Gleichen vermögen. So sollten die Nationalliberalen im Plenum verfahren. Die Arbeiten der Commission werden nur den Zweck er¬ füllen, den Parteien die Zeit zur Wahl des richtigen Entschlusses zu verschaffen. Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig. Verlag von F. L. Herliig in Leipzig, — Drink von Hiithel K, Herrmann in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/488>, abgerufen am 03.07.2024.