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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Opposition alle vom Parlament abhängigen Regierungsactionen vereiteln kann.
So spricht der Kanzler. Läßt sich dem Argument etwa ein Titelchen abziehen?
Er sagt aber auch noch weiter, daß die päpstliche Drohung, die Centrums-
aktivn neu anzufachen und das Wählerheer des Centrums zu verstärken, auf
ihn keinen Eindruck mache, weil nach dieser Richtung das bereits Geleistete nicht
mehr übertroffen werden könne. Trotzdem spricht der Kanzler schon in diesem
Erlaß von seiner fortbestehenden Bereitwilligkeit zu Concessionen, wenn beider¬
seitig der gleiche Schritt eingehalten werde, und einen Monat später erklärt er
(in dem Erlaß vom 14. Mai), die preußische Regierung werde aus ihrer eigenen
Initiative heraus, d. h. ohne irgend eine vorangehende päpstliche Concession,
wie sie noch in dem Ministerialbeschluß vom 17. März vorausgesetzt war, die¬
jenigen Maßregeln den gesetzgebenden Factoren vorschlagen, welche mit den un¬
veräußerlichen Rechten des Staats verträglich sei. Ueber die Fortsetzung der
Verhandlungen mit der Curie werde die preußische Regierung sich erst erklären
nach der Entscheidung des Landtags über die beabsichtigte Vorlage. Unter den
"aus eigener Initiative der Regierung heraus vorzuschlagenden Maßregeln" sind
natürlich Vollmachten verstanden. Unter demselben 14. Mai war aber ein Er¬
laß des Cardinal-Staatssecretärs an den Prouuntius erfolgt, worin der Päpst¬
liche Stcmtssecretär, ganz wie der deutsche Kanzler, den einstweiligen Verzicht
auf die Verständigungsversuche aussprach. Der päpstliche Stcmtssecretär be¬
auftragte den Pronnntius, die päpstliche Billigung des Erstrebens von Voll¬
machten zur facultativen Milderung der Maigesetze zurückzuweisen und die in
dem Breve vom 24. Februar angebotene Gestattung der Anzeigepflicht zurück¬
zunehmen, wenn für letztere die staatliche Gegenleistung nur in der Erstrebung
von Vollmachten zur facultativen Milderung bestehen sollte. Die hinzugefügte
päpstliche Drohung, als Ankläger der preußischen Negierung vor der Oeffent-
lichkeit aufzutreten, erwiedert endlich der Kanzler in dem letzten der veröffent¬
lichten Schriftstücke (dem Erlaß vom 21. Mai) mit der Ankündigung, daß die
preußische Regierung die Öffentlichkeit in den Stand setzen werde, auf Grund
der gewechselten und veröffentlichten Schriftstücke sich ein Urtheil zu bilden. Und
so ist es geschehen.

Wir fragen nun: Weshalb hat die preußische Negierung ihre Vorlage vom
19. Mai eingebracht, nachdem die Curie jede Verständigung auf Grund einer
solchen Vorlage zurückgewiesen? Man wird vielleicht sagen: Wenn die preu¬
ßische Regierung sich bloß gegen den Vorwurf schützen wollte, das Mißlingen
der Verhandlungen verschuldet zu haben, so genügte es, wenn sie der päpstlichen
Anklagedrohung durch den veröffentlichten Schriftenwechsel zuvorkam, wie es ja
geschehe" ist. Dagegen -- so werden Viele denke" -- war die Vorlage vom
19. Mai als Beweis der Friedensliebe überflüssig, nachdem die Curie eine
solche Friedensbasis zurückgewiesen, und deshalb muß hinter der Vorlage etwas


Opposition alle vom Parlament abhängigen Regierungsactionen vereiteln kann.
So spricht der Kanzler. Läßt sich dem Argument etwa ein Titelchen abziehen?
Er sagt aber auch noch weiter, daß die päpstliche Drohung, die Centrums-
aktivn neu anzufachen und das Wählerheer des Centrums zu verstärken, auf
ihn keinen Eindruck mache, weil nach dieser Richtung das bereits Geleistete nicht
mehr übertroffen werden könne. Trotzdem spricht der Kanzler schon in diesem
Erlaß von seiner fortbestehenden Bereitwilligkeit zu Concessionen, wenn beider¬
seitig der gleiche Schritt eingehalten werde, und einen Monat später erklärt er
(in dem Erlaß vom 14. Mai), die preußische Regierung werde aus ihrer eigenen
Initiative heraus, d. h. ohne irgend eine vorangehende päpstliche Concession,
wie sie noch in dem Ministerialbeschluß vom 17. März vorausgesetzt war, die¬
jenigen Maßregeln den gesetzgebenden Factoren vorschlagen, welche mit den un¬
veräußerlichen Rechten des Staats verträglich sei. Ueber die Fortsetzung der
Verhandlungen mit der Curie werde die preußische Regierung sich erst erklären
nach der Entscheidung des Landtags über die beabsichtigte Vorlage. Unter den
„aus eigener Initiative der Regierung heraus vorzuschlagenden Maßregeln" sind
natürlich Vollmachten verstanden. Unter demselben 14. Mai war aber ein Er¬
laß des Cardinal-Staatssecretärs an den Prouuntius erfolgt, worin der Päpst¬
liche Stcmtssecretär, ganz wie der deutsche Kanzler, den einstweiligen Verzicht
auf die Verständigungsversuche aussprach. Der päpstliche Stcmtssecretär be¬
auftragte den Pronnntius, die päpstliche Billigung des Erstrebens von Voll¬
machten zur facultativen Milderung der Maigesetze zurückzuweisen und die in
dem Breve vom 24. Februar angebotene Gestattung der Anzeigepflicht zurück¬
zunehmen, wenn für letztere die staatliche Gegenleistung nur in der Erstrebung
von Vollmachten zur facultativen Milderung bestehen sollte. Die hinzugefügte
päpstliche Drohung, als Ankläger der preußischen Negierung vor der Oeffent-
lichkeit aufzutreten, erwiedert endlich der Kanzler in dem letzten der veröffent¬
lichten Schriftstücke (dem Erlaß vom 21. Mai) mit der Ankündigung, daß die
preußische Regierung die Öffentlichkeit in den Stand setzen werde, auf Grund
der gewechselten und veröffentlichten Schriftstücke sich ein Urtheil zu bilden. Und
so ist es geschehen.

Wir fragen nun: Weshalb hat die preußische Negierung ihre Vorlage vom
19. Mai eingebracht, nachdem die Curie jede Verständigung auf Grund einer
solchen Vorlage zurückgewiesen? Man wird vielleicht sagen: Wenn die preu¬
ßische Regierung sich bloß gegen den Vorwurf schützen wollte, das Mißlingen
der Verhandlungen verschuldet zu haben, so genügte es, wenn sie der päpstlichen
Anklagedrohung durch den veröffentlichten Schriftenwechsel zuvorkam, wie es ja
geschehe» ist. Dagegen — so werden Viele denke» — war die Vorlage vom
19. Mai als Beweis der Friedensliebe überflüssig, nachdem die Curie eine
solche Friedensbasis zurückgewiesen, und deshalb muß hinter der Vorlage etwas


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/487>, abgerufen am 22.07.2024.