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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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wollte die Zulassung der geistlichen Orden, die in der Maigesetzgebung ans den
dringendsten Gründen beschränkt worden war, wiederum ausdehnen -- die Curie
verlangte die grundsätzliche Zulassung aller Orden mit einzelnen, von der Curie
zu gestaltenden Ausnahmen.

Es ist wohl klar, warum unter diesen Umständen die preußische Regierung
nach der Rückkehr ihrer Sachverständigen von Wien vorläufig an eine Wieder¬
aufnahme der Besprechungen nicht dachte, da constatirt worden war, daß die
Curie im Grunde die ganze Maigesetzgebuug verwerfe. Offenbar hat das
Breve vom 24. Februar den Zweck gehabt, die Verhandlungen wieder in Gang
zu bringen, und zwar dadurch, daß die Curie sich öffentlich vor der ganzen
Welt als friedensuchend und bereit zu großer Nachgiebigkeit hinstellte. Was
hatte es aber mit dieser Nachgiebigkeit auf sich, worin bestand sie und welchen
Preis forderte die Curie dafür? Worin die Nachgiebigkeit bestand, erhellt aus
einer Depesche des Cardinal-Staatssecretärs Nina an den Pronuntius Jacobini
vom 23. März, welche der Pronnntius dem deutschen Botschafter mittheilte. Die
Depesche ist erlassen, bevor der preußische Staatsministerialbeschluß vom 17. März
in Rom bekannt war; sie ist nicht in den veröffentlichten Schriftstücken enthalten,
sondern in der Rede des Cultusmiuisters vom 28. Mai. Der Inhalt der Depesche ist
folgender: 1. Die Anzeige der berufenen Priester darf sich nur auf die zu uuabsetzbaren
Stellen berufenen beziehen. 2. Die Anzeige erfolgt nur für deuZweck, zu ermitteln, ob
die Regierung ihre Zustimmung gern gewährt (zur Ermittlung des Ägi-ünisut).
3. Das letzte Urtheil über die Geeignetheit der Berufenen verbleibt den Bischöfen
und, bei Meinungsverschiedenheit derselben mit dem Staate, dem Papste. Das
also war das Zugeständniß. Und welches war der Preis, den der Staat dafür
zahlen sollte? Der Preis ist enthalten in einem Bericht des deutschen Bot¬
schafters vom 29. Mürz, welcher die vom 23. März datirte Hauptdepesche Niuas
auszüglich enthält, zu der die andere wegen der Definition des Zugeständnisses
als Anlage gehört. In dieser Depesche vom 23. März verlangt Niuci, der
Staat solle gestatten, daß sowohl die anwesenden wie die abwesenden, d. h.
die abgesetzten, Bischöfe sich Jeder an die Regierung wenden dürfen, um die
Namen der in die erledigten Pfarren zu ernennenden Priester schriftlich anzu¬
geben. Hier war also bereits mittelbar die Anerkennung der entsetzten Bischöfe
gefordert. Zweitens aber sollte der Staat, nachdem jene Anzeigen eingelaufen,
eine allgemeine Amnestie für den der Strafe verfallenen Clerus, die Nieder¬
schlagung der schwebenden Processe und die Wiedereinsetzung der rechtskräftig
abgesetzten in ihre Aemter bewirken. Aber dies ist durchaus noch nicht Alles.
Die Regierung sollte auch drittens noch dem Papste die Zusicherung geben, die
preußische Gesetzgebung in Uebereinstimmung mit den Gesetzen der katholischen
Kirche bringen zu wollen, wozu namentlich gehöre die freie, d. h. von jedem
staatlichen Gerichtshofe unbehinderte Ausübung des heiligen Ministeriums, ferner


wollte die Zulassung der geistlichen Orden, die in der Maigesetzgebung ans den
dringendsten Gründen beschränkt worden war, wiederum ausdehnen — die Curie
verlangte die grundsätzliche Zulassung aller Orden mit einzelnen, von der Curie
zu gestaltenden Ausnahmen.

Es ist wohl klar, warum unter diesen Umständen die preußische Regierung
nach der Rückkehr ihrer Sachverständigen von Wien vorläufig an eine Wieder¬
aufnahme der Besprechungen nicht dachte, da constatirt worden war, daß die
Curie im Grunde die ganze Maigesetzgebuug verwerfe. Offenbar hat das
Breve vom 24. Februar den Zweck gehabt, die Verhandlungen wieder in Gang
zu bringen, und zwar dadurch, daß die Curie sich öffentlich vor der ganzen
Welt als friedensuchend und bereit zu großer Nachgiebigkeit hinstellte. Was
hatte es aber mit dieser Nachgiebigkeit auf sich, worin bestand sie und welchen
Preis forderte die Curie dafür? Worin die Nachgiebigkeit bestand, erhellt aus
einer Depesche des Cardinal-Staatssecretärs Nina an den Pronuntius Jacobini
vom 23. März, welche der Pronnntius dem deutschen Botschafter mittheilte. Die
Depesche ist erlassen, bevor der preußische Staatsministerialbeschluß vom 17. März
in Rom bekannt war; sie ist nicht in den veröffentlichten Schriftstücken enthalten,
sondern in der Rede des Cultusmiuisters vom 28. Mai. Der Inhalt der Depesche ist
folgender: 1. Die Anzeige der berufenen Priester darf sich nur auf die zu uuabsetzbaren
Stellen berufenen beziehen. 2. Die Anzeige erfolgt nur für deuZweck, zu ermitteln, ob
die Regierung ihre Zustimmung gern gewährt (zur Ermittlung des Ägi-ünisut).
3. Das letzte Urtheil über die Geeignetheit der Berufenen verbleibt den Bischöfen
und, bei Meinungsverschiedenheit derselben mit dem Staate, dem Papste. Das
also war das Zugeständniß. Und welches war der Preis, den der Staat dafür
zahlen sollte? Der Preis ist enthalten in einem Bericht des deutschen Bot¬
schafters vom 29. Mürz, welcher die vom 23. März datirte Hauptdepesche Niuas
auszüglich enthält, zu der die andere wegen der Definition des Zugeständnisses
als Anlage gehört. In dieser Depesche vom 23. März verlangt Niuci, der
Staat solle gestatten, daß sowohl die anwesenden wie die abwesenden, d. h.
die abgesetzten, Bischöfe sich Jeder an die Regierung wenden dürfen, um die
Namen der in die erledigten Pfarren zu ernennenden Priester schriftlich anzu¬
geben. Hier war also bereits mittelbar die Anerkennung der entsetzten Bischöfe
gefordert. Zweitens aber sollte der Staat, nachdem jene Anzeigen eingelaufen,
eine allgemeine Amnestie für den der Strafe verfallenen Clerus, die Nieder¬
schlagung der schwebenden Processe und die Wiedereinsetzung der rechtskräftig
abgesetzten in ihre Aemter bewirken. Aber dies ist durchaus noch nicht Alles.
Die Regierung sollte auch drittens noch dem Papste die Zusicherung geben, die
preußische Gesetzgebung in Uebereinstimmung mit den Gesetzen der katholischen
Kirche bringen zu wollen, wozu namentlich gehöre die freie, d. h. von jedem
staatlichen Gerichtshofe unbehinderte Ausübung des heiligen Ministeriums, ferner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/485>, abgerufen am 03.07.2024.