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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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München Noneetti, von der ^gsnos Hg.og.8 fälschlich als päpstlicher Botschafter
beim deutschen Hofe bezeichnet, beauftragt sei, dem Fürsten Bismarck die an
Stelle der mit Tode abgegangenen Bischöfe vom Papste ernannten Nachfolger
mitzutheilen. Die Curie also wollte vor den Katholiken und vor der ganzen
Welt als der friedensnchende, friedenswillige Theil erscheinen.

Als das Breve vom 24. Februar am 15. März in der Berliner "Ger¬
mania" veröffentlicht worden, erfolgte zwei Tage darauf der vier Wochen später
in die Presse gebrachte Staatsministerialbeschluß vom 17. März, welcher dahin
ging, daß die Staatsregierung sich bemühen werde, Vollmachten einer freieren
Anwendung der Maigesetze von der Landesvertretung zu gewinnen, sobald den
versöhnlichen Absichten des Papstes durch thatsächliche Befolgung der Anzeige¬
pflicht seitens der römischen Geistlichkeit praktisch Folge gegeben worden. Und
was ist wohl natürlicher als daß, nachdem der Papst seine Versöhnlichkeit
öffentlich, aber zunächst nur theoretisch für einen wichtigen Punkt erklärt hatte,
die preußische Regierung ihrerseits erklärte: Wir werden uns in den Stand
setzen, praktisch versöhnlich zu sein, sobald und soweit die römische Geistlichkeit
auf Befehl des Papstes praktisch versöhnlich sein wird. Gleichwohl hat der
Beschluß vom 17. März bei der Curie nicht nur eine mißfällige Aufnahme ge¬
funden, sondern die Curie hat sich durch denselben schließlich bewogen gefunden,
die in dem Breve vom 24. Februar erklärte Bereitwilligkeit zur Gestattung der
Anzeigepflicht zurückzuziehen. Wie ist das gekommen?

Während die Curie öffentlich, nämlich in dem veröffentlichten Breve
vom 24. Februar, ihr Zuständniß der zu gestaltenden Anzeigepflicht als ein un¬
bedingtes zwar nicht definirt hatte, aber doch als ein solches hatte erscheinen
lassen, beschränkte sie dasselbe in dem amtlichen Schriftenwechsel alsbald in einer
Weise, welche das Zugeständnis; jedes Werthes entkleidete. Für dieses werthlose
Zugeständnis; forderte sie den allergrößten Preis. In den Besprechungen schon,
welche dem Breve vorausgegangen waren und von denen die Ultramontanen
erzählen, daß sie den Ausgangspunkt der eigentlichen Verhandlungen hätten
bilden sollen, also beim Wiener Meinungsaustausch, hatte die Curie im Grunde
die ganze Maigesetzgebnng für unannehmbar erklärt. Der Minister v. Puttkamer
hat dies in seiner Einleitungsrede vom 28. Mai ausgesprochen und durch meh¬
rere Anführungen bekräftigt. So wollte die preußische Regierung das Ein¬
schreiten des staatlichen Gerichtshofes gegen die Mißbräuche der kirchlichen Disci-
plinargewalt ganz erheblich, nämlich allein auf die weltlichen Strafen dieser
letzteren, beschränken. Die Curie verharrte dabei, daß die ganze Institution
eines solchen Gerichtshofes in römisch-geistlichen Angelegenheiten unzulässig sei.
Man wollte preußischerseits die Beschränkung der kirchlichen Straf- und Zucht¬
mittel gegenüber deu Laien theilweise zurücknehmen -- die Curie wollte gar
keine solche Beschränkung dulden. Was aber das Ungeheuerlichste ist: der Staat


München Noneetti, von der ^gsnos Hg.og.8 fälschlich als päpstlicher Botschafter
beim deutschen Hofe bezeichnet, beauftragt sei, dem Fürsten Bismarck die an
Stelle der mit Tode abgegangenen Bischöfe vom Papste ernannten Nachfolger
mitzutheilen. Die Curie also wollte vor den Katholiken und vor der ganzen
Welt als der friedensnchende, friedenswillige Theil erscheinen.

Als das Breve vom 24. Februar am 15. März in der Berliner „Ger¬
mania" veröffentlicht worden, erfolgte zwei Tage darauf der vier Wochen später
in die Presse gebrachte Staatsministerialbeschluß vom 17. März, welcher dahin
ging, daß die Staatsregierung sich bemühen werde, Vollmachten einer freieren
Anwendung der Maigesetze von der Landesvertretung zu gewinnen, sobald den
versöhnlichen Absichten des Papstes durch thatsächliche Befolgung der Anzeige¬
pflicht seitens der römischen Geistlichkeit praktisch Folge gegeben worden. Und
was ist wohl natürlicher als daß, nachdem der Papst seine Versöhnlichkeit
öffentlich, aber zunächst nur theoretisch für einen wichtigen Punkt erklärt hatte,
die preußische Regierung ihrerseits erklärte: Wir werden uns in den Stand
setzen, praktisch versöhnlich zu sein, sobald und soweit die römische Geistlichkeit
auf Befehl des Papstes praktisch versöhnlich sein wird. Gleichwohl hat der
Beschluß vom 17. März bei der Curie nicht nur eine mißfällige Aufnahme ge¬
funden, sondern die Curie hat sich durch denselben schließlich bewogen gefunden,
die in dem Breve vom 24. Februar erklärte Bereitwilligkeit zur Gestattung der
Anzeigepflicht zurückzuziehen. Wie ist das gekommen?

Während die Curie öffentlich, nämlich in dem veröffentlichten Breve
vom 24. Februar, ihr Zuständniß der zu gestaltenden Anzeigepflicht als ein un¬
bedingtes zwar nicht definirt hatte, aber doch als ein solches hatte erscheinen
lassen, beschränkte sie dasselbe in dem amtlichen Schriftenwechsel alsbald in einer
Weise, welche das Zugeständnis; jedes Werthes entkleidete. Für dieses werthlose
Zugeständnis; forderte sie den allergrößten Preis. In den Besprechungen schon,
welche dem Breve vorausgegangen waren und von denen die Ultramontanen
erzählen, daß sie den Ausgangspunkt der eigentlichen Verhandlungen hätten
bilden sollen, also beim Wiener Meinungsaustausch, hatte die Curie im Grunde
die ganze Maigesetzgebnng für unannehmbar erklärt. Der Minister v. Puttkamer
hat dies in seiner Einleitungsrede vom 28. Mai ausgesprochen und durch meh¬
rere Anführungen bekräftigt. So wollte die preußische Regierung das Ein¬
schreiten des staatlichen Gerichtshofes gegen die Mißbräuche der kirchlichen Disci-
plinargewalt ganz erheblich, nämlich allein auf die weltlichen Strafen dieser
letzteren, beschränken. Die Curie verharrte dabei, daß die ganze Institution
eines solchen Gerichtshofes in römisch-geistlichen Angelegenheiten unzulässig sei.
Man wollte preußischerseits die Beschränkung der kirchlichen Straf- und Zucht¬
mittel gegenüber deu Laien theilweise zurücknehmen — die Curie wollte gar
keine solche Beschränkung dulden. Was aber das Ungeheuerlichste ist: der Staat


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[0484] München Noneetti, von der ^gsnos Hg.og.8 fälschlich als päpstlicher Botschafter beim deutschen Hofe bezeichnet, beauftragt sei, dem Fürsten Bismarck die an Stelle der mit Tode abgegangenen Bischöfe vom Papste ernannten Nachfolger mitzutheilen. Die Curie also wollte vor den Katholiken und vor der ganzen Welt als der friedensnchende, friedenswillige Theil erscheinen. Als das Breve vom 24. Februar am 15. März in der Berliner „Ger¬ mania" veröffentlicht worden, erfolgte zwei Tage darauf der vier Wochen später in die Presse gebrachte Staatsministerialbeschluß vom 17. März, welcher dahin ging, daß die Staatsregierung sich bemühen werde, Vollmachten einer freieren Anwendung der Maigesetze von der Landesvertretung zu gewinnen, sobald den versöhnlichen Absichten des Papstes durch thatsächliche Befolgung der Anzeige¬ pflicht seitens der römischen Geistlichkeit praktisch Folge gegeben worden. Und was ist wohl natürlicher als daß, nachdem der Papst seine Versöhnlichkeit öffentlich, aber zunächst nur theoretisch für einen wichtigen Punkt erklärt hatte, die preußische Regierung ihrerseits erklärte: Wir werden uns in den Stand setzen, praktisch versöhnlich zu sein, sobald und soweit die römische Geistlichkeit auf Befehl des Papstes praktisch versöhnlich sein wird. Gleichwohl hat der Beschluß vom 17. März bei der Curie nicht nur eine mißfällige Aufnahme ge¬ funden, sondern die Curie hat sich durch denselben schließlich bewogen gefunden, die in dem Breve vom 24. Februar erklärte Bereitwilligkeit zur Gestattung der Anzeigepflicht zurückzuziehen. Wie ist das gekommen? Während die Curie öffentlich, nämlich in dem veröffentlichten Breve vom 24. Februar, ihr Zuständniß der zu gestaltenden Anzeigepflicht als ein un¬ bedingtes zwar nicht definirt hatte, aber doch als ein solches hatte erscheinen lassen, beschränkte sie dasselbe in dem amtlichen Schriftenwechsel alsbald in einer Weise, welche das Zugeständnis; jedes Werthes entkleidete. Für dieses werthlose Zugeständnis; forderte sie den allergrößten Preis. In den Besprechungen schon, welche dem Breve vorausgegangen waren und von denen die Ultramontanen erzählen, daß sie den Ausgangspunkt der eigentlichen Verhandlungen hätten bilden sollen, also beim Wiener Meinungsaustausch, hatte die Curie im Grunde die ganze Maigesetzgebnng für unannehmbar erklärt. Der Minister v. Puttkamer hat dies in seiner Einleitungsrede vom 28. Mai ausgesprochen und durch meh¬ rere Anführungen bekräftigt. So wollte die preußische Regierung das Ein¬ schreiten des staatlichen Gerichtshofes gegen die Mißbräuche der kirchlichen Disci- plinargewalt ganz erheblich, nämlich allein auf die weltlichen Strafen dieser letzteren, beschränken. Die Curie verharrte dabei, daß die ganze Institution eines solchen Gerichtshofes in römisch-geistlichen Angelegenheiten unzulässig sei. Man wollte preußischerseits die Beschränkung der kirchlichen Straf- und Zucht¬ mittel gegenüber deu Laien theilweise zurücknehmen — die Curie wollte gar keine solche Beschränkung dulden. Was aber das Ungeheuerlichste ist: der Staat

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/484>, abgerufen am 22.07.2024.