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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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sich sehr langsam ausfüllen und daß das in ihnen angesammelte Wasser nur
ganz allmählich über den tiefsten Rand des Beckens oder über die Stauschwelle
als natürliches Wehr abfließt; d. h. das Wasser wird auf seinem Wege zum
Thale in der mannigfachsten Weise aufgehalten, staut seinen Spiegel weithin
auf und bildet in natürlicher und ungezwungener Form eine große Menge von
Mooren, brüchigen Niederungen und Seen. Bei so zugerichteten Terrain
aber werden Hochflutheu, selbst nach wolkenbruchartigen Niederschlägen, für die
Thäler ganz ungefährlich bleiben, ja sie müssen wohlthätig wirken, denn dadurch,
daß sie durch ihre Kraft größere Gesteintrümmer weiter fortschieben, leichteres
Gerölle und Geschiebe den Seen, Brüchen und Mooren zuführen und die Ab-
schwemmungen der Böschungen höher gelegener Thäler als Anschwemmungen
in tiefer gelegenen Flächen absetzen, werden sie die Veranlassung, die Thalsohlen
zu verbreiteren und die Thalufer abzuflachen. Ferner: Durch die schon oben
erwähnte Separation der Stickstoffe werden die tiefsten Stellen der Niederungen
durch die gröberen Gesteintrümmer zuerst ausgefüllt, die weniger groben flachen
die Ufer der Stromrinne ab, und die leichten, lange im Wasser suspendirt
bleibenden, der Vegetation ganz besonders dienlichen Stoffe lagern sich als
Ufergelände ab und bildeten fruchtbare Wiesen, Auen und Marschen. Bei
diesem unablässigen Wirthschaften des Wassers werden die natürlichen Stau¬
schwellen und Wehre immer tiefer eingesägt; dadurch sinkt der Wasserspiegel in
den Sammelbecken, ihr Fassungsraum für die Hochwasser wird stetig kleiner,
die Geschwindigkeit, mit welcher die Hochwasser zu Thale geführt werden, stetig
größer, und als natürliche Folge davon werden die Wasserläufe immer breiter
und tiefer. Gleichzeitig findet ein Ausdehnen der Thäler bez. der Thalebenen
nach Länge und Breite statt, was noch sehr wirksam vermehrt wird dadurch,
daß in Folge der Unregelmäßigkeit der sedimentären Ablagerungen und der
Verschiedenheit der Widerstandsfähigkeit der Ufer die fließenden Gewässer ihren
Lauf unausgesetzt verändern, weil bei dem Uebertritte eines jeden Wasserlaufes
in einen anderen durch die Veränderung der Strömungsgeschwindigkeit sich
Gerölle und Sinkstoffe ablagern müssen, welche als Stauwehre wirken und die
Strömungsrichtung ablenken. Daß durch die Ablenkungen der Wasserlüufe, denen
Regengüsse häufig genug in die Hand arbeiten, und durch Abschwemmuugen
aus den Höhen die Anschwemmungen in den Niederungen stetig fortschreiten
und endlich als Deltabildungen bis ins Meer gelangen müssen, ist ebenso leicht
einzusehen wie die Nothwendigkeit, daß dieser Umbildungsproceß so lange un¬
unterbrochen fortdauern muß, als die Ursachen jener Ab- und Anschwemmungen
wesentlich dieselben bleiben, d. h. so lange als Festes von Flüssigem auf Erden
noch getrennt ist.

In die ausgewaschenen und aufgehöhten Stromrinnen, Thäler und Ebenen


Grenzboten II. 1880. os

sich sehr langsam ausfüllen und daß das in ihnen angesammelte Wasser nur
ganz allmählich über den tiefsten Rand des Beckens oder über die Stauschwelle
als natürliches Wehr abfließt; d. h. das Wasser wird auf seinem Wege zum
Thale in der mannigfachsten Weise aufgehalten, staut seinen Spiegel weithin
auf und bildet in natürlicher und ungezwungener Form eine große Menge von
Mooren, brüchigen Niederungen und Seen. Bei so zugerichteten Terrain
aber werden Hochflutheu, selbst nach wolkenbruchartigen Niederschlägen, für die
Thäler ganz ungefährlich bleiben, ja sie müssen wohlthätig wirken, denn dadurch,
daß sie durch ihre Kraft größere Gesteintrümmer weiter fortschieben, leichteres
Gerölle und Geschiebe den Seen, Brüchen und Mooren zuführen und die Ab-
schwemmungen der Böschungen höher gelegener Thäler als Anschwemmungen
in tiefer gelegenen Flächen absetzen, werden sie die Veranlassung, die Thalsohlen
zu verbreiteren und die Thalufer abzuflachen. Ferner: Durch die schon oben
erwähnte Separation der Stickstoffe werden die tiefsten Stellen der Niederungen
durch die gröberen Gesteintrümmer zuerst ausgefüllt, die weniger groben flachen
die Ufer der Stromrinne ab, und die leichten, lange im Wasser suspendirt
bleibenden, der Vegetation ganz besonders dienlichen Stoffe lagern sich als
Ufergelände ab und bildeten fruchtbare Wiesen, Auen und Marschen. Bei
diesem unablässigen Wirthschaften des Wassers werden die natürlichen Stau¬
schwellen und Wehre immer tiefer eingesägt; dadurch sinkt der Wasserspiegel in
den Sammelbecken, ihr Fassungsraum für die Hochwasser wird stetig kleiner,
die Geschwindigkeit, mit welcher die Hochwasser zu Thale geführt werden, stetig
größer, und als natürliche Folge davon werden die Wasserläufe immer breiter
und tiefer. Gleichzeitig findet ein Ausdehnen der Thäler bez. der Thalebenen
nach Länge und Breite statt, was noch sehr wirksam vermehrt wird dadurch,
daß in Folge der Unregelmäßigkeit der sedimentären Ablagerungen und der
Verschiedenheit der Widerstandsfähigkeit der Ufer die fließenden Gewässer ihren
Lauf unausgesetzt verändern, weil bei dem Uebertritte eines jeden Wasserlaufes
in einen anderen durch die Veränderung der Strömungsgeschwindigkeit sich
Gerölle und Sinkstoffe ablagern müssen, welche als Stauwehre wirken und die
Strömungsrichtung ablenken. Daß durch die Ablenkungen der Wasserlüufe, denen
Regengüsse häufig genug in die Hand arbeiten, und durch Abschwemmuugen
aus den Höhen die Anschwemmungen in den Niederungen stetig fortschreiten
und endlich als Deltabildungen bis ins Meer gelangen müssen, ist ebenso leicht
einzusehen wie die Nothwendigkeit, daß dieser Umbildungsproceß so lange un¬
unterbrochen fortdauern muß, als die Ursachen jener Ab- und Anschwemmungen
wesentlich dieselben bleiben, d. h. so lange als Festes von Flüssigem auf Erden
noch getrennt ist.

In die ausgewaschenen und aufgehöhten Stromrinnen, Thäler und Ebenen


Grenzboten II. 1880. os
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[0465] sich sehr langsam ausfüllen und daß das in ihnen angesammelte Wasser nur ganz allmählich über den tiefsten Rand des Beckens oder über die Stauschwelle als natürliches Wehr abfließt; d. h. das Wasser wird auf seinem Wege zum Thale in der mannigfachsten Weise aufgehalten, staut seinen Spiegel weithin auf und bildet in natürlicher und ungezwungener Form eine große Menge von Mooren, brüchigen Niederungen und Seen. Bei so zugerichteten Terrain aber werden Hochflutheu, selbst nach wolkenbruchartigen Niederschlägen, für die Thäler ganz ungefährlich bleiben, ja sie müssen wohlthätig wirken, denn dadurch, daß sie durch ihre Kraft größere Gesteintrümmer weiter fortschieben, leichteres Gerölle und Geschiebe den Seen, Brüchen und Mooren zuführen und die Ab- schwemmungen der Böschungen höher gelegener Thäler als Anschwemmungen in tiefer gelegenen Flächen absetzen, werden sie die Veranlassung, die Thalsohlen zu verbreiteren und die Thalufer abzuflachen. Ferner: Durch die schon oben erwähnte Separation der Stickstoffe werden die tiefsten Stellen der Niederungen durch die gröberen Gesteintrümmer zuerst ausgefüllt, die weniger groben flachen die Ufer der Stromrinne ab, und die leichten, lange im Wasser suspendirt bleibenden, der Vegetation ganz besonders dienlichen Stoffe lagern sich als Ufergelände ab und bildeten fruchtbare Wiesen, Auen und Marschen. Bei diesem unablässigen Wirthschaften des Wassers werden die natürlichen Stau¬ schwellen und Wehre immer tiefer eingesägt; dadurch sinkt der Wasserspiegel in den Sammelbecken, ihr Fassungsraum für die Hochwasser wird stetig kleiner, die Geschwindigkeit, mit welcher die Hochwasser zu Thale geführt werden, stetig größer, und als natürliche Folge davon werden die Wasserläufe immer breiter und tiefer. Gleichzeitig findet ein Ausdehnen der Thäler bez. der Thalebenen nach Länge und Breite statt, was noch sehr wirksam vermehrt wird dadurch, daß in Folge der Unregelmäßigkeit der sedimentären Ablagerungen und der Verschiedenheit der Widerstandsfähigkeit der Ufer die fließenden Gewässer ihren Lauf unausgesetzt verändern, weil bei dem Uebertritte eines jeden Wasserlaufes in einen anderen durch die Veränderung der Strömungsgeschwindigkeit sich Gerölle und Sinkstoffe ablagern müssen, welche als Stauwehre wirken und die Strömungsrichtung ablenken. Daß durch die Ablenkungen der Wasserlüufe, denen Regengüsse häufig genug in die Hand arbeiten, und durch Abschwemmuugen aus den Höhen die Anschwemmungen in den Niederungen stetig fortschreiten und endlich als Deltabildungen bis ins Meer gelangen müssen, ist ebenso leicht einzusehen wie die Nothwendigkeit, daß dieser Umbildungsproceß so lange un¬ unterbrochen fortdauern muß, als die Ursachen jener Ab- und Anschwemmungen wesentlich dieselben bleiben, d. h. so lange als Festes von Flüssigem auf Erden noch getrennt ist. In die ausgewaschenen und aufgehöhten Stromrinnen, Thäler und Ebenen Grenzboten II. 1880. os

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/465>, abgerufen am 22.07.2024.