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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Der Detritus, welcher durch die fließenden Gewässer, namentlich durch die
Hochwasser im Frühjahre den Sammelbecken bez. dem Meere zugeführt wird,
setzt sich nun aber vollständig nur sehr langsam ab. Bei der dabei stattfinden¬
den Sortirung bleibt der grobkörnige Sand schon dicht vor der Mündung liegen,
während die feinsten Thontheile 80--100 Meilen weit fortgeführt werden, weil
dieselben sich so innig mit dem Wasser mengen, daß sie nicht einmal durch den
künstlichen Filter im Laboratorium vom reinen Wasser sich trennen lassen. Das
Wasser läuft erst trübe durch den Filter und verstopft ihn dann sehr bald, so
daß er überhaupt kein Wasser mehr durchläßt. Selbstverständlich ist auch die
Zusammensetzung aller Detritusbildungen bedingt durch die Zusammensetzungen
der Terrainformationen, durch welche das Wasser fließt, und der Gehalt des
Detritus an den verschiedensten mehr oder weniger fein zertheilten Mineralien
hängt immer von der Oertlichkeit ab. Das Rheinwasser oder sein Detritus in
dem Laufe oberhalb des Bodensees hat einen großen Gehalt an kohlensaurem
Kalk, weil das Callcmdagebirge oberhalb Chur auf dem linken Rheinufer aus
kohlensaurem Kalk besteht. Da aber dieser Gehalt an kohlensaurem Kalk im
Vodensee vollständig abgesetzt wird und die Gegenden des unteren Rheinlaufes,
von Basel ab, nur sehr wenig Kalk enthalten, so ist der Detritus, welchen der
Rhein ins Meer führt, sehr arm an kohlensaurem Kalk und besteht fast nur
ans Thon- und Sandschlamm von gelbgrauer Farbe. Der Moselschlamm hat
eine ganz andere Farbe und Zusammensetzung, und so können bis ins Meer
hinein je nach der Mächtigkeit der Hochwasser und der Gegend, aus welcher sie
herkommen, die ungleichartigsten und verschiedensten Detritusschichten abgesetzt
werden. Bohrungen in Amsterdam ergaben bis zu einer Tiefe von 232 Fuß
19 verschiedene Schichten, darunter 11 thonige mit einer Gesammtinächtigkeit
von 153 Fuß und 8 Sandschichten mit einer Mächtigkeit von 79 Fuß. Von
da an abwärts wurde nur Sand gefunden.

Die Einschnitte und Rinnen, welche das abfließende Wasser in die Erd¬
oberfläche macht, sind bedingt durch deren Widerstandsfähigkeit. Bei festem Fels
sind es gewöhnlich enge Schluchten mit steilen Wänden, fast senkrecht, anch sogar
nach oben enger, wie bei der Tamina beim Bad Pfeffers, welche, als Gletscher¬
bach dem Rheine zueilend, so tief ihre Rinne in den Nummulitcukalk einge¬
schnitten hat, daß die Schlucht 100 Meter tief ist bei nur 10--20 Meter Breite
und oben so eng, daß die Seitenwände einander stellenweise verdecken und das
Tageslicht uur durch schmale Lücken hinabdringt. Die Tamina ist zugleich ein
instructives Beispiel dafür, wie die Thäler großer Strome stetig aufgehöht und
zu ausgedehnten Thalebenen werden. Aus ihrer engen steilseitigen Thalschlucht,
welche im Profil als Keil erscheint, wälzt, schiebt und stößt sie die Gestein-
trümmer in das Rheinthal, hier bleiben sie liegen, weil sie ihre Geschwindigkeit


Der Detritus, welcher durch die fließenden Gewässer, namentlich durch die
Hochwasser im Frühjahre den Sammelbecken bez. dem Meere zugeführt wird,
setzt sich nun aber vollständig nur sehr langsam ab. Bei der dabei stattfinden¬
den Sortirung bleibt der grobkörnige Sand schon dicht vor der Mündung liegen,
während die feinsten Thontheile 80—100 Meilen weit fortgeführt werden, weil
dieselben sich so innig mit dem Wasser mengen, daß sie nicht einmal durch den
künstlichen Filter im Laboratorium vom reinen Wasser sich trennen lassen. Das
Wasser läuft erst trübe durch den Filter und verstopft ihn dann sehr bald, so
daß er überhaupt kein Wasser mehr durchläßt. Selbstverständlich ist auch die
Zusammensetzung aller Detritusbildungen bedingt durch die Zusammensetzungen
der Terrainformationen, durch welche das Wasser fließt, und der Gehalt des
Detritus an den verschiedensten mehr oder weniger fein zertheilten Mineralien
hängt immer von der Oertlichkeit ab. Das Rheinwasser oder sein Detritus in
dem Laufe oberhalb des Bodensees hat einen großen Gehalt an kohlensaurem
Kalk, weil das Callcmdagebirge oberhalb Chur auf dem linken Rheinufer aus
kohlensaurem Kalk besteht. Da aber dieser Gehalt an kohlensaurem Kalk im
Vodensee vollständig abgesetzt wird und die Gegenden des unteren Rheinlaufes,
von Basel ab, nur sehr wenig Kalk enthalten, so ist der Detritus, welchen der
Rhein ins Meer führt, sehr arm an kohlensaurem Kalk und besteht fast nur
ans Thon- und Sandschlamm von gelbgrauer Farbe. Der Moselschlamm hat
eine ganz andere Farbe und Zusammensetzung, und so können bis ins Meer
hinein je nach der Mächtigkeit der Hochwasser und der Gegend, aus welcher sie
herkommen, die ungleichartigsten und verschiedensten Detritusschichten abgesetzt
werden. Bohrungen in Amsterdam ergaben bis zu einer Tiefe von 232 Fuß
19 verschiedene Schichten, darunter 11 thonige mit einer Gesammtinächtigkeit
von 153 Fuß und 8 Sandschichten mit einer Mächtigkeit von 79 Fuß. Von
da an abwärts wurde nur Sand gefunden.

Die Einschnitte und Rinnen, welche das abfließende Wasser in die Erd¬
oberfläche macht, sind bedingt durch deren Widerstandsfähigkeit. Bei festem Fels
sind es gewöhnlich enge Schluchten mit steilen Wänden, fast senkrecht, anch sogar
nach oben enger, wie bei der Tamina beim Bad Pfeffers, welche, als Gletscher¬
bach dem Rheine zueilend, so tief ihre Rinne in den Nummulitcukalk einge¬
schnitten hat, daß die Schlucht 100 Meter tief ist bei nur 10—20 Meter Breite
und oben so eng, daß die Seitenwände einander stellenweise verdecken und das
Tageslicht uur durch schmale Lücken hinabdringt. Die Tamina ist zugleich ein
instructives Beispiel dafür, wie die Thäler großer Strome stetig aufgehöht und
zu ausgedehnten Thalebenen werden. Aus ihrer engen steilseitigen Thalschlucht,
welche im Profil als Keil erscheint, wälzt, schiebt und stößt sie die Gestein-
trümmer in das Rheinthal, hier bleiben sie liegen, weil sie ihre Geschwindigkeit


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[0463] Der Detritus, welcher durch die fließenden Gewässer, namentlich durch die Hochwasser im Frühjahre den Sammelbecken bez. dem Meere zugeführt wird, setzt sich nun aber vollständig nur sehr langsam ab. Bei der dabei stattfinden¬ den Sortirung bleibt der grobkörnige Sand schon dicht vor der Mündung liegen, während die feinsten Thontheile 80—100 Meilen weit fortgeführt werden, weil dieselben sich so innig mit dem Wasser mengen, daß sie nicht einmal durch den künstlichen Filter im Laboratorium vom reinen Wasser sich trennen lassen. Das Wasser läuft erst trübe durch den Filter und verstopft ihn dann sehr bald, so daß er überhaupt kein Wasser mehr durchläßt. Selbstverständlich ist auch die Zusammensetzung aller Detritusbildungen bedingt durch die Zusammensetzungen der Terrainformationen, durch welche das Wasser fließt, und der Gehalt des Detritus an den verschiedensten mehr oder weniger fein zertheilten Mineralien hängt immer von der Oertlichkeit ab. Das Rheinwasser oder sein Detritus in dem Laufe oberhalb des Bodensees hat einen großen Gehalt an kohlensaurem Kalk, weil das Callcmdagebirge oberhalb Chur auf dem linken Rheinufer aus kohlensaurem Kalk besteht. Da aber dieser Gehalt an kohlensaurem Kalk im Vodensee vollständig abgesetzt wird und die Gegenden des unteren Rheinlaufes, von Basel ab, nur sehr wenig Kalk enthalten, so ist der Detritus, welchen der Rhein ins Meer führt, sehr arm an kohlensaurem Kalk und besteht fast nur ans Thon- und Sandschlamm von gelbgrauer Farbe. Der Moselschlamm hat eine ganz andere Farbe und Zusammensetzung, und so können bis ins Meer hinein je nach der Mächtigkeit der Hochwasser und der Gegend, aus welcher sie herkommen, die ungleichartigsten und verschiedensten Detritusschichten abgesetzt werden. Bohrungen in Amsterdam ergaben bis zu einer Tiefe von 232 Fuß 19 verschiedene Schichten, darunter 11 thonige mit einer Gesammtinächtigkeit von 153 Fuß und 8 Sandschichten mit einer Mächtigkeit von 79 Fuß. Von da an abwärts wurde nur Sand gefunden. Die Einschnitte und Rinnen, welche das abfließende Wasser in die Erd¬ oberfläche macht, sind bedingt durch deren Widerstandsfähigkeit. Bei festem Fels sind es gewöhnlich enge Schluchten mit steilen Wänden, fast senkrecht, anch sogar nach oben enger, wie bei der Tamina beim Bad Pfeffers, welche, als Gletscher¬ bach dem Rheine zueilend, so tief ihre Rinne in den Nummulitcukalk einge¬ schnitten hat, daß die Schlucht 100 Meter tief ist bei nur 10—20 Meter Breite und oben so eng, daß die Seitenwände einander stellenweise verdecken und das Tageslicht uur durch schmale Lücken hinabdringt. Die Tamina ist zugleich ein instructives Beispiel dafür, wie die Thäler großer Strome stetig aufgehöht und zu ausgedehnten Thalebenen werden. Aus ihrer engen steilseitigen Thalschlucht, welche im Profil als Keil erscheint, wälzt, schiebt und stößt sie die Gestein- trümmer in das Rheinthal, hier bleiben sie liegen, weil sie ihre Geschwindigkeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/463>, abgerufen am 03.07.2024.