Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Volumen oder Gewicht ist die zu bewegende Last. Da nun das Gewicht im
kubischen, die Angriffsfläche aber nur im quadratischen Verhältniß steigt, so giebt
es für jeden Stein eine gewisse Geschwindigkeit des Wassers, welche ihn zu be¬
wegen, zu rollen im Stande ist. Kleinere Körper werden von schwächerer Be¬
wegung des Wassers, größere erst von stärkerer fortgeführt. Hierdurch entsteht
eine gewisse Sortirung der Gesteinstrümmer nach ihrer Größe. Bei leisester
Bewegung des Wassers wird nur der feinste Staub fortgeführt, bei etwas stär¬
kerer auch der feinste Sand, dann der grobe Sand, dann kleinere Rollstücke,
dann größere bis zu ganzen Felsblöcken. Im Verlauf des Rollers, durch Ab¬
nutzung also, vermindert sich aber auch Volumen und Gewicht des Steines, fo
daß er nun von immer geringerer Bewegung des Wassers fortgeführt wird.

Diese Thon-, Sand- und Gesteintheile, welche das fließende Wasser mit
sich führt, läßt es nicht eher fallen, als bis es auf seinem Wege beckenartige
Vertiefungen der Erdoberfläche antrifft, und in diesen zur Ruhe kommt. Solche
natürliche Becken, die Landseen der Urzeit und der Gegenwart, wirken als
natürliche Klärbassins. Wenn der Rhein und der Rhone noch so trübe in ihre
Seen einfließen, so treten sie doch ganz klar aus dem Boden- und Genfersee
aus. Die von dem fließenden Wasser mitgeführten und in diesen Klärbassins
abgeschiedenen Stoffe müssen aber schließlich das ganze Becken ausfüllen; das
Wasser wird dann über die niedrigste Stelle des Wasserrandes, die Stauschwelle,
weiterfließen und an dieser Stelle immer tiefer in das Gestein des Beckenrandes
einschneiden. Das frühere Becken wird zuletzt eine Ebene darstellen durch deren
Mitte ein mehr oder weniger starker Wasserlauf nach jener Abflußstelle hinströmt.
Diese Ebene erscheint dann als Flußthal, in welches eine Stromrinne einge¬
schnitten ist.

Mehr oder weniger deutlich ist noch jetzt fast bei allen Flüssen und Strömen
ihre Entstehung aus solchen Sammelbecken bez. Klärbassins nachzuweisen, deren
oft eine ganze Reihe auf einander folgt, z. B. bei der Donau. Aber auch
Sammelbecken oder Klärbassins, welche noch nicht mit Detritus ausgefüllt sind
und in Folge dessen auch noch keinen Abfluß gebildet haben, sind gegenwärtig
noch in großer Anzahl vorhanden; unter ihnen überragen der Caspische See
und der Superior-Lake alle anderen an Größe. Das letzte Samuel- und Klär¬
becken aber für alle fließenden Gewässer der Erde ist das Meer, und auch in
dieses drängen die Ströme ihre Thäler und Stromrinnen vor, indem sie ihre
Deltabildungen immer weiter und weiter in die Meeresbecken hineinschieben.
Aus der Größe der Ablagerungen in den heutigen Deltas des Mississipi, Ganges,
Nil, Orinoco, Rhein und aller Flüsse überhaupt kann man entnehmen, eine wie
ungeheuere Ausdehnung die Thalbildungen auf der Erde zu jeder Zeit ange¬
nommen haben.


Volumen oder Gewicht ist die zu bewegende Last. Da nun das Gewicht im
kubischen, die Angriffsfläche aber nur im quadratischen Verhältniß steigt, so giebt
es für jeden Stein eine gewisse Geschwindigkeit des Wassers, welche ihn zu be¬
wegen, zu rollen im Stande ist. Kleinere Körper werden von schwächerer Be¬
wegung des Wassers, größere erst von stärkerer fortgeführt. Hierdurch entsteht
eine gewisse Sortirung der Gesteinstrümmer nach ihrer Größe. Bei leisester
Bewegung des Wassers wird nur der feinste Staub fortgeführt, bei etwas stär¬
kerer auch der feinste Sand, dann der grobe Sand, dann kleinere Rollstücke,
dann größere bis zu ganzen Felsblöcken. Im Verlauf des Rollers, durch Ab¬
nutzung also, vermindert sich aber auch Volumen und Gewicht des Steines, fo
daß er nun von immer geringerer Bewegung des Wassers fortgeführt wird.

Diese Thon-, Sand- und Gesteintheile, welche das fließende Wasser mit
sich führt, läßt es nicht eher fallen, als bis es auf seinem Wege beckenartige
Vertiefungen der Erdoberfläche antrifft, und in diesen zur Ruhe kommt. Solche
natürliche Becken, die Landseen der Urzeit und der Gegenwart, wirken als
natürliche Klärbassins. Wenn der Rhein und der Rhone noch so trübe in ihre
Seen einfließen, so treten sie doch ganz klar aus dem Boden- und Genfersee
aus. Die von dem fließenden Wasser mitgeführten und in diesen Klärbassins
abgeschiedenen Stoffe müssen aber schließlich das ganze Becken ausfüllen; das
Wasser wird dann über die niedrigste Stelle des Wasserrandes, die Stauschwelle,
weiterfließen und an dieser Stelle immer tiefer in das Gestein des Beckenrandes
einschneiden. Das frühere Becken wird zuletzt eine Ebene darstellen durch deren
Mitte ein mehr oder weniger starker Wasserlauf nach jener Abflußstelle hinströmt.
Diese Ebene erscheint dann als Flußthal, in welches eine Stromrinne einge¬
schnitten ist.

Mehr oder weniger deutlich ist noch jetzt fast bei allen Flüssen und Strömen
ihre Entstehung aus solchen Sammelbecken bez. Klärbassins nachzuweisen, deren
oft eine ganze Reihe auf einander folgt, z. B. bei der Donau. Aber auch
Sammelbecken oder Klärbassins, welche noch nicht mit Detritus ausgefüllt sind
und in Folge dessen auch noch keinen Abfluß gebildet haben, sind gegenwärtig
noch in großer Anzahl vorhanden; unter ihnen überragen der Caspische See
und der Superior-Lake alle anderen an Größe. Das letzte Samuel- und Klär¬
becken aber für alle fließenden Gewässer der Erde ist das Meer, und auch in
dieses drängen die Ströme ihre Thäler und Stromrinnen vor, indem sie ihre
Deltabildungen immer weiter und weiter in die Meeresbecken hineinschieben.
Aus der Größe der Ablagerungen in den heutigen Deltas des Mississipi, Ganges,
Nil, Orinoco, Rhein und aller Flüsse überhaupt kann man entnehmen, eine wie
ungeheuere Ausdehnung die Thalbildungen auf der Erde zu jeder Zeit ange¬
nommen haben.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0462" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/146967"/>
          <p xml:id="ID_1341" prev="#ID_1340"> Volumen oder Gewicht ist die zu bewegende Last. Da nun das Gewicht im<lb/>
kubischen, die Angriffsfläche aber nur im quadratischen Verhältniß steigt, so giebt<lb/>
es für jeden Stein eine gewisse Geschwindigkeit des Wassers, welche ihn zu be¬<lb/>
wegen, zu rollen im Stande ist. Kleinere Körper werden von schwächerer Be¬<lb/>
wegung des Wassers, größere erst von stärkerer fortgeführt. Hierdurch entsteht<lb/>
eine gewisse Sortirung der Gesteinstrümmer nach ihrer Größe. Bei leisester<lb/>
Bewegung des Wassers wird nur der feinste Staub fortgeführt, bei etwas stär¬<lb/>
kerer auch der feinste Sand, dann der grobe Sand, dann kleinere Rollstücke,<lb/>
dann größere bis zu ganzen Felsblöcken. Im Verlauf des Rollers, durch Ab¬<lb/>
nutzung also, vermindert sich aber auch Volumen und Gewicht des Steines, fo<lb/>
daß er nun von immer geringerer Bewegung des Wassers fortgeführt wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1342"> Diese Thon-, Sand- und Gesteintheile, welche das fließende Wasser mit<lb/>
sich führt, läßt es nicht eher fallen, als bis es auf seinem Wege beckenartige<lb/>
Vertiefungen der Erdoberfläche antrifft, und in diesen zur Ruhe kommt. Solche<lb/>
natürliche Becken, die Landseen der Urzeit und der Gegenwart, wirken als<lb/>
natürliche Klärbassins. Wenn der Rhein und der Rhone noch so trübe in ihre<lb/>
Seen einfließen, so treten sie doch ganz klar aus dem Boden- und Genfersee<lb/>
aus. Die von dem fließenden Wasser mitgeführten und in diesen Klärbassins<lb/>
abgeschiedenen Stoffe müssen aber schließlich das ganze Becken ausfüllen; das<lb/>
Wasser wird dann über die niedrigste Stelle des Wasserrandes, die Stauschwelle,<lb/>
weiterfließen und an dieser Stelle immer tiefer in das Gestein des Beckenrandes<lb/>
einschneiden. Das frühere Becken wird zuletzt eine Ebene darstellen durch deren<lb/>
Mitte ein mehr oder weniger starker Wasserlauf nach jener Abflußstelle hinströmt.<lb/>
Diese Ebene erscheint dann als Flußthal, in welches eine Stromrinne einge¬<lb/>
schnitten ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1343"> Mehr oder weniger deutlich ist noch jetzt fast bei allen Flüssen und Strömen<lb/>
ihre Entstehung aus solchen Sammelbecken bez. Klärbassins nachzuweisen, deren<lb/>
oft eine ganze Reihe auf einander folgt, z. B. bei der Donau. Aber auch<lb/>
Sammelbecken oder Klärbassins, welche noch nicht mit Detritus ausgefüllt sind<lb/>
und in Folge dessen auch noch keinen Abfluß gebildet haben, sind gegenwärtig<lb/>
noch in großer Anzahl vorhanden; unter ihnen überragen der Caspische See<lb/>
und der Superior-Lake alle anderen an Größe. Das letzte Samuel- und Klär¬<lb/>
becken aber für alle fließenden Gewässer der Erde ist das Meer, und auch in<lb/>
dieses drängen die Ströme ihre Thäler und Stromrinnen vor, indem sie ihre<lb/>
Deltabildungen immer weiter und weiter in die Meeresbecken hineinschieben.<lb/>
Aus der Größe der Ablagerungen in den heutigen Deltas des Mississipi, Ganges,<lb/>
Nil, Orinoco, Rhein und aller Flüsse überhaupt kann man entnehmen, eine wie<lb/>
ungeheuere Ausdehnung die Thalbildungen auf der Erde zu jeder Zeit ange¬<lb/>
nommen haben.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0462] Volumen oder Gewicht ist die zu bewegende Last. Da nun das Gewicht im kubischen, die Angriffsfläche aber nur im quadratischen Verhältniß steigt, so giebt es für jeden Stein eine gewisse Geschwindigkeit des Wassers, welche ihn zu be¬ wegen, zu rollen im Stande ist. Kleinere Körper werden von schwächerer Be¬ wegung des Wassers, größere erst von stärkerer fortgeführt. Hierdurch entsteht eine gewisse Sortirung der Gesteinstrümmer nach ihrer Größe. Bei leisester Bewegung des Wassers wird nur der feinste Staub fortgeführt, bei etwas stär¬ kerer auch der feinste Sand, dann der grobe Sand, dann kleinere Rollstücke, dann größere bis zu ganzen Felsblöcken. Im Verlauf des Rollers, durch Ab¬ nutzung also, vermindert sich aber auch Volumen und Gewicht des Steines, fo daß er nun von immer geringerer Bewegung des Wassers fortgeführt wird. Diese Thon-, Sand- und Gesteintheile, welche das fließende Wasser mit sich führt, läßt es nicht eher fallen, als bis es auf seinem Wege beckenartige Vertiefungen der Erdoberfläche antrifft, und in diesen zur Ruhe kommt. Solche natürliche Becken, die Landseen der Urzeit und der Gegenwart, wirken als natürliche Klärbassins. Wenn der Rhein und der Rhone noch so trübe in ihre Seen einfließen, so treten sie doch ganz klar aus dem Boden- und Genfersee aus. Die von dem fließenden Wasser mitgeführten und in diesen Klärbassins abgeschiedenen Stoffe müssen aber schließlich das ganze Becken ausfüllen; das Wasser wird dann über die niedrigste Stelle des Wasserrandes, die Stauschwelle, weiterfließen und an dieser Stelle immer tiefer in das Gestein des Beckenrandes einschneiden. Das frühere Becken wird zuletzt eine Ebene darstellen durch deren Mitte ein mehr oder weniger starker Wasserlauf nach jener Abflußstelle hinströmt. Diese Ebene erscheint dann als Flußthal, in welches eine Stromrinne einge¬ schnitten ist. Mehr oder weniger deutlich ist noch jetzt fast bei allen Flüssen und Strömen ihre Entstehung aus solchen Sammelbecken bez. Klärbassins nachzuweisen, deren oft eine ganze Reihe auf einander folgt, z. B. bei der Donau. Aber auch Sammelbecken oder Klärbassins, welche noch nicht mit Detritus ausgefüllt sind und in Folge dessen auch noch keinen Abfluß gebildet haben, sind gegenwärtig noch in großer Anzahl vorhanden; unter ihnen überragen der Caspische See und der Superior-Lake alle anderen an Größe. Das letzte Samuel- und Klär¬ becken aber für alle fließenden Gewässer der Erde ist das Meer, und auch in dieses drängen die Ströme ihre Thäler und Stromrinnen vor, indem sie ihre Deltabildungen immer weiter und weiter in die Meeresbecken hineinschieben. Aus der Größe der Ablagerungen in den heutigen Deltas des Mississipi, Ganges, Nil, Orinoco, Rhein und aller Flüsse überhaupt kann man entnehmen, eine wie ungeheuere Ausdehnung die Thalbildungen auf der Erde zu jeder Zeit ange¬ nommen haben.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/462
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/462>, abgerufen am 22.07.2024.