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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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sich neigt. In beiden Fällen stört das Wasser den Stoffbestand der Oberfläche
und vermindert deren Volumen. Das in den Boden sinkende Wasser löst Stein-
verbindungen chemisch auf, das über die Oberfläche rinnende zerreibt und zer¬
theilt sie mechanisch, auch können beide Wirkungen sich vereinigen, was wohl die
Regel sein dürfte. Bei seiner chemischen Wirkung nimmt das Wasser Kohlen¬
säure ans und löst damit Kalk, Natron, Kali oder Eisen. Bei seiner mechani¬
schen Wirkung trägt das Wasser die kleinsten Trümmer der Gesteine in Form
von Sand- und Thontheilen fort, die es aus den zertrümmerten Gesteinen mit¬
nimmt. Da die Felsen, namentlich die feldspcithhaltigen, in ihrer Widerstands¬
fähigkeit wesentlich abhängig sind von dem leichtlöslichen Gehalt an Alkalien,
Magnesia und Kalk, so zerfallen sie in dem Verhältniß wie das Wasser bez.
der Wasserdunst an ihren Oberflächen jene Verbindungen auslöst. Die ge¬
lockerten Bestandtheile der Felsen gelangen in das abrinnende Wasser, und in dem
Maße, als es durch Menge und Gefälle befähigt ist sie fortzuschaffen, werden
sie auf dem Festlande oder schließlich im Meere abgesetzt. In jeder Ackerfurche
ist zu beobachten, wie das rinnende Wasser sich trübt, wie es Sandkörnchen
und Steinchen fortstößt; jedes Rinnsal am Bergabhange schiebt Steintrümmer
vor sich her, deren Größe zunimmt, je steiler der Bergabhang und je rascher
damit der Lauf wird.

Zu den chemischen und mechanischen Wirkungen des Wassers kommen aber
noch die Wirkungen der Temperatur. Wenn das Wasser in tropfbar Mssigem
Zustande oder in Dunstform in die Zwischenräume der Felsen dringt, so dehnt
es sich, so oft es gefriert, um '/<> aus, hebt dadurch die Cohäsion der Gesteins¬
bestandtheile auf und läßt dieselben zerfallen, wenn beim Aufthauen das eisige
Bindemittel sich auflöst. Dieser Vorgang ist es, der in den Hochgebirgen die
Felsen zerstört. In der gebirgigen Aequatorialzone geschieht ähnliches durch hohe
Wärmegrade: Die Außenflächen der Felsen, welche am Tage durch directe
Einwirkung des Sonnenlichtes stark erhitzt werden, ziehen sich durch die rasch
eintretende Nachtkühle und Thaubildung stark zusammen und lösen sich ab.
Diese Bildungen, die sogenannten Detritnsbildungen, haben stattgefunden, so
lange die Erde aus Festem und Flüssigem besteht, und sie werden in alle Zu¬
kunft fortdauern, weil die zersetzenden chemischen, physikalischen und mechanischen
Kräfte in ihrer Thätigkeit als Verwitterungsproceß ungeschwächt fortdauern
müssen.

Die durch das Wasser bedingte Fortführbarkeit der Gesteinstrümmer aber
hängt nun, bei gleicher Dichtigkeit, von ihrem Volumen ab, weil der Querschnitt
eines Steines dem Quadrat feines Durchmessers, und der Inhalt oder das
Gewicht dem Würfel seines Durchmessers proportional ist. Der Querschnitt
eines Steines ist die dem fließenden Wasser dargebotene Angriffsfläche, das


sich neigt. In beiden Fällen stört das Wasser den Stoffbestand der Oberfläche
und vermindert deren Volumen. Das in den Boden sinkende Wasser löst Stein-
verbindungen chemisch auf, das über die Oberfläche rinnende zerreibt und zer¬
theilt sie mechanisch, auch können beide Wirkungen sich vereinigen, was wohl die
Regel sein dürfte. Bei seiner chemischen Wirkung nimmt das Wasser Kohlen¬
säure ans und löst damit Kalk, Natron, Kali oder Eisen. Bei seiner mechani¬
schen Wirkung trägt das Wasser die kleinsten Trümmer der Gesteine in Form
von Sand- und Thontheilen fort, die es aus den zertrümmerten Gesteinen mit¬
nimmt. Da die Felsen, namentlich die feldspcithhaltigen, in ihrer Widerstands¬
fähigkeit wesentlich abhängig sind von dem leichtlöslichen Gehalt an Alkalien,
Magnesia und Kalk, so zerfallen sie in dem Verhältniß wie das Wasser bez.
der Wasserdunst an ihren Oberflächen jene Verbindungen auslöst. Die ge¬
lockerten Bestandtheile der Felsen gelangen in das abrinnende Wasser, und in dem
Maße, als es durch Menge und Gefälle befähigt ist sie fortzuschaffen, werden
sie auf dem Festlande oder schließlich im Meere abgesetzt. In jeder Ackerfurche
ist zu beobachten, wie das rinnende Wasser sich trübt, wie es Sandkörnchen
und Steinchen fortstößt; jedes Rinnsal am Bergabhange schiebt Steintrümmer
vor sich her, deren Größe zunimmt, je steiler der Bergabhang und je rascher
damit der Lauf wird.

Zu den chemischen und mechanischen Wirkungen des Wassers kommen aber
noch die Wirkungen der Temperatur. Wenn das Wasser in tropfbar Mssigem
Zustande oder in Dunstform in die Zwischenräume der Felsen dringt, so dehnt
es sich, so oft es gefriert, um '/<> aus, hebt dadurch die Cohäsion der Gesteins¬
bestandtheile auf und läßt dieselben zerfallen, wenn beim Aufthauen das eisige
Bindemittel sich auflöst. Dieser Vorgang ist es, der in den Hochgebirgen die
Felsen zerstört. In der gebirgigen Aequatorialzone geschieht ähnliches durch hohe
Wärmegrade: Die Außenflächen der Felsen, welche am Tage durch directe
Einwirkung des Sonnenlichtes stark erhitzt werden, ziehen sich durch die rasch
eintretende Nachtkühle und Thaubildung stark zusammen und lösen sich ab.
Diese Bildungen, die sogenannten Detritnsbildungen, haben stattgefunden, so
lange die Erde aus Festem und Flüssigem besteht, und sie werden in alle Zu¬
kunft fortdauern, weil die zersetzenden chemischen, physikalischen und mechanischen
Kräfte in ihrer Thätigkeit als Verwitterungsproceß ungeschwächt fortdauern
müssen.

Die durch das Wasser bedingte Fortführbarkeit der Gesteinstrümmer aber
hängt nun, bei gleicher Dichtigkeit, von ihrem Volumen ab, weil der Querschnitt
eines Steines dem Quadrat feines Durchmessers, und der Inhalt oder das
Gewicht dem Würfel seines Durchmessers proportional ist. Der Querschnitt
eines Steines ist die dem fließenden Wasser dargebotene Angriffsfläche, das


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[0461] sich neigt. In beiden Fällen stört das Wasser den Stoffbestand der Oberfläche und vermindert deren Volumen. Das in den Boden sinkende Wasser löst Stein- verbindungen chemisch auf, das über die Oberfläche rinnende zerreibt und zer¬ theilt sie mechanisch, auch können beide Wirkungen sich vereinigen, was wohl die Regel sein dürfte. Bei seiner chemischen Wirkung nimmt das Wasser Kohlen¬ säure ans und löst damit Kalk, Natron, Kali oder Eisen. Bei seiner mechani¬ schen Wirkung trägt das Wasser die kleinsten Trümmer der Gesteine in Form von Sand- und Thontheilen fort, die es aus den zertrümmerten Gesteinen mit¬ nimmt. Da die Felsen, namentlich die feldspcithhaltigen, in ihrer Widerstands¬ fähigkeit wesentlich abhängig sind von dem leichtlöslichen Gehalt an Alkalien, Magnesia und Kalk, so zerfallen sie in dem Verhältniß wie das Wasser bez. der Wasserdunst an ihren Oberflächen jene Verbindungen auslöst. Die ge¬ lockerten Bestandtheile der Felsen gelangen in das abrinnende Wasser, und in dem Maße, als es durch Menge und Gefälle befähigt ist sie fortzuschaffen, werden sie auf dem Festlande oder schließlich im Meere abgesetzt. In jeder Ackerfurche ist zu beobachten, wie das rinnende Wasser sich trübt, wie es Sandkörnchen und Steinchen fortstößt; jedes Rinnsal am Bergabhange schiebt Steintrümmer vor sich her, deren Größe zunimmt, je steiler der Bergabhang und je rascher damit der Lauf wird. Zu den chemischen und mechanischen Wirkungen des Wassers kommen aber noch die Wirkungen der Temperatur. Wenn das Wasser in tropfbar Mssigem Zustande oder in Dunstform in die Zwischenräume der Felsen dringt, so dehnt es sich, so oft es gefriert, um '/<> aus, hebt dadurch die Cohäsion der Gesteins¬ bestandtheile auf und läßt dieselben zerfallen, wenn beim Aufthauen das eisige Bindemittel sich auflöst. Dieser Vorgang ist es, der in den Hochgebirgen die Felsen zerstört. In der gebirgigen Aequatorialzone geschieht ähnliches durch hohe Wärmegrade: Die Außenflächen der Felsen, welche am Tage durch directe Einwirkung des Sonnenlichtes stark erhitzt werden, ziehen sich durch die rasch eintretende Nachtkühle und Thaubildung stark zusammen und lösen sich ab. Diese Bildungen, die sogenannten Detritnsbildungen, haben stattgefunden, so lange die Erde aus Festem und Flüssigem besteht, und sie werden in alle Zu¬ kunft fortdauern, weil die zersetzenden chemischen, physikalischen und mechanischen Kräfte in ihrer Thätigkeit als Verwitterungsproceß ungeschwächt fortdauern müssen. Die durch das Wasser bedingte Fortführbarkeit der Gesteinstrümmer aber hängt nun, bei gleicher Dichtigkeit, von ihrem Volumen ab, weil der Querschnitt eines Steines dem Quadrat feines Durchmessers, und der Inhalt oder das Gewicht dem Würfel seines Durchmessers proportional ist. Der Querschnitt eines Steines ist die dem fließenden Wasser dargebotene Angriffsfläche, das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/461>, abgerufen am 22.07.2024.