Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

für das Amt des Präsidenten und Vicepräsidenten stattfindet. Ueber das Abhalten
dieser Conventionen, so entscheidungsvoll sie auch sind, bestehen keine verfassungs¬
mäßigen Vorschriften, sie sind vollständig dem Belieben der einzelnen politischen
Parteien überlassen; und hier bietet sich denn, sowohl was die Vorbereitung zu
diesen Conventionen, als was die Leitung derselben betrifft, der geschickten Partei¬
taktik und den politischen Wahlmanövern ein weites Feld. Die später zu wählenden
Electoren sind nämlich zwar nicht rechtlich, aber moralisch verpflichtet, ihre
Stimmen für diejenigen Präsidentschafts - Candidaten abzugeben, welche von den
Nationalconventionen der betreffenden Parteien ernannt worden find. Die Zu¬
sammensetzung und der Charakter dieser Nationalconventionen ist aber wiederum
wesentlich durch die in den Staatsconventionen gefaßten Beschlüsse bedingt.

Die Initiative bei der diesjährigen Präsidentenwahl ist, wie schon angedeutet,
von der Partei der Republikaner ergriffen worden, aus deren Reihen seit dem Jahre
1861 die Präsidenten der Vereinigten Staaten hervorgegangen sind. Nachdem von
dem republikanischen Central-Wahlcomite die Nationalconvention der republikanischen
Partei für den 2. Juni d. Is. nach Chicago im Staate Illinois ausgeschrieben
worden war, berief der Bundessenator I. D. Cameron von Pennsylvanien, der
neben seinem Collegen Roscoe Conkling von New - Jork zu den gewandtesten, aber
auch rücksichtslosesten und herrschsüchtigsten Führern jener Partei gehört, zum
4. Februar eine Staatsconvention der Republikaner von Pennsylvanien nach der
Stadt Harrisburg, um die nach Chicago zu entsendenden Delegaten mit den nöthigen
Jnstructionen in Bezug auf die Ernennung eines Präsidentschafts - Candidaten zu
versehen. Cameron sowohl wie Conkling zählen zu den enragirtesten Anhängern
des Generals Grant, und es gelang den Machinationen des ersteren, trotz der
Opposition andersdenkender Parteigenossen, die für die Nationalconvention in Chicago
bestimmten Delegaten Pennsylvaniens dahin zu instruiren, daß sie "geschlossen"
("s a nun) für Granes Präsidentschafts - Candidatur stimmen sollten. Dasselbe
Resultat erzielte Roscoe Conkling sür den Staat New-Iork in der am 25. Februar
zu Utica (in New-Uork) abgehaltenen Staatsconvention. Wenn nun auch auf
diese Weise die Delegaten der beiden volkreichsten Unionsstaaten auf der National-
convention zu Chicago für Grant gewonnen zu sein scheinen, so ist doch damit
dessen Ernennung zum Präsideutschafts-Candidaten der republikanischen Partei durch¬
aus noch nicht gesichert, viel weniger seine Erwählung. Es besteht nämlich in der
ganzen Union ein großer Widerwille gegen diejenige Politik, welche das Präsidenten¬
amt öfter als zweimal auf eine und dieselbe Person übertragen will, und dieser
Widerwille hat sich bei aller Anerkennung der Verdienste, die sich General Grant
während des Rebellionskrieges als Soldat um die Union erworben hat, vielfach
und in deutlichster Weise kund gethan. Dazu kommt noch, daß sich Grant im
Laufe seiner beiden Präsidentschaftstermine hinsichtlich der inneren Politik die gröb¬
sten Fehler zu Schulden kommen ließ. Unter keinem anderen Präsidenten griffen
in allen Zweigen der Negierung Nepotismus und Corruption so sehr um sich, wie


für das Amt des Präsidenten und Vicepräsidenten stattfindet. Ueber das Abhalten
dieser Conventionen, so entscheidungsvoll sie auch sind, bestehen keine verfassungs¬
mäßigen Vorschriften, sie sind vollständig dem Belieben der einzelnen politischen
Parteien überlassen; und hier bietet sich denn, sowohl was die Vorbereitung zu
diesen Conventionen, als was die Leitung derselben betrifft, der geschickten Partei¬
taktik und den politischen Wahlmanövern ein weites Feld. Die später zu wählenden
Electoren sind nämlich zwar nicht rechtlich, aber moralisch verpflichtet, ihre
Stimmen für diejenigen Präsidentschafts - Candidaten abzugeben, welche von den
Nationalconventionen der betreffenden Parteien ernannt worden find. Die Zu¬
sammensetzung und der Charakter dieser Nationalconventionen ist aber wiederum
wesentlich durch die in den Staatsconventionen gefaßten Beschlüsse bedingt.

Die Initiative bei der diesjährigen Präsidentenwahl ist, wie schon angedeutet,
von der Partei der Republikaner ergriffen worden, aus deren Reihen seit dem Jahre
1861 die Präsidenten der Vereinigten Staaten hervorgegangen sind. Nachdem von
dem republikanischen Central-Wahlcomite die Nationalconvention der republikanischen
Partei für den 2. Juni d. Is. nach Chicago im Staate Illinois ausgeschrieben
worden war, berief der Bundessenator I. D. Cameron von Pennsylvanien, der
neben seinem Collegen Roscoe Conkling von New - Jork zu den gewandtesten, aber
auch rücksichtslosesten und herrschsüchtigsten Führern jener Partei gehört, zum
4. Februar eine Staatsconvention der Republikaner von Pennsylvanien nach der
Stadt Harrisburg, um die nach Chicago zu entsendenden Delegaten mit den nöthigen
Jnstructionen in Bezug auf die Ernennung eines Präsidentschafts - Candidaten zu
versehen. Cameron sowohl wie Conkling zählen zu den enragirtesten Anhängern
des Generals Grant, und es gelang den Machinationen des ersteren, trotz der
Opposition andersdenkender Parteigenossen, die für die Nationalconvention in Chicago
bestimmten Delegaten Pennsylvaniens dahin zu instruiren, daß sie „geschlossen"
(»s a nun) für Granes Präsidentschafts - Candidatur stimmen sollten. Dasselbe
Resultat erzielte Roscoe Conkling sür den Staat New-Iork in der am 25. Februar
zu Utica (in New-Uork) abgehaltenen Staatsconvention. Wenn nun auch auf
diese Weise die Delegaten der beiden volkreichsten Unionsstaaten auf der National-
convention zu Chicago für Grant gewonnen zu sein scheinen, so ist doch damit
dessen Ernennung zum Präsideutschafts-Candidaten der republikanischen Partei durch¬
aus noch nicht gesichert, viel weniger seine Erwählung. Es besteht nämlich in der
ganzen Union ein großer Widerwille gegen diejenige Politik, welche das Präsidenten¬
amt öfter als zweimal auf eine und dieselbe Person übertragen will, und dieser
Widerwille hat sich bei aller Anerkennung der Verdienste, die sich General Grant
während des Rebellionskrieges als Soldat um die Union erworben hat, vielfach
und in deutlichster Weise kund gethan. Dazu kommt noch, daß sich Grant im
Laufe seiner beiden Präsidentschaftstermine hinsichtlich der inneren Politik die gröb¬
sten Fehler zu Schulden kommen ließ. Unter keinem anderen Präsidenten griffen
in allen Zweigen der Negierung Nepotismus und Corruption so sehr um sich, wie


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0270" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/146775"/>
          <p xml:id="ID_811" prev="#ID_810"> für das Amt des Präsidenten und Vicepräsidenten stattfindet. Ueber das Abhalten<lb/>
dieser Conventionen, so entscheidungsvoll sie auch sind, bestehen keine verfassungs¬<lb/>
mäßigen Vorschriften, sie sind vollständig dem Belieben der einzelnen politischen<lb/>
Parteien überlassen; und hier bietet sich denn, sowohl was die Vorbereitung zu<lb/>
diesen Conventionen, als was die Leitung derselben betrifft, der geschickten Partei¬<lb/>
taktik und den politischen Wahlmanövern ein weites Feld. Die später zu wählenden<lb/>
Electoren sind nämlich zwar nicht rechtlich, aber moralisch verpflichtet, ihre<lb/>
Stimmen für diejenigen Präsidentschafts - Candidaten abzugeben, welche von den<lb/>
Nationalconventionen der betreffenden Parteien ernannt worden find. Die Zu¬<lb/>
sammensetzung und der Charakter dieser Nationalconventionen ist aber wiederum<lb/>
wesentlich durch die in den Staatsconventionen gefaßten Beschlüsse bedingt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_812" next="#ID_813"> Die Initiative bei der diesjährigen Präsidentenwahl ist, wie schon angedeutet,<lb/>
von der Partei der Republikaner ergriffen worden, aus deren Reihen seit dem Jahre<lb/>
1861 die Präsidenten der Vereinigten Staaten hervorgegangen sind. Nachdem von<lb/>
dem republikanischen Central-Wahlcomite die Nationalconvention der republikanischen<lb/>
Partei für den 2. Juni d. Is. nach Chicago im Staate Illinois ausgeschrieben<lb/>
worden war, berief der Bundessenator I. D. Cameron von Pennsylvanien, der<lb/>
neben seinem Collegen Roscoe Conkling von New - Jork zu den gewandtesten, aber<lb/>
auch rücksichtslosesten und herrschsüchtigsten Führern jener Partei gehört, zum<lb/>
4. Februar eine Staatsconvention der Republikaner von Pennsylvanien nach der<lb/>
Stadt Harrisburg, um die nach Chicago zu entsendenden Delegaten mit den nöthigen<lb/>
Jnstructionen in Bezug auf die Ernennung eines Präsidentschafts - Candidaten zu<lb/>
versehen. Cameron sowohl wie Conkling zählen zu den enragirtesten Anhängern<lb/>
des Generals Grant, und es gelang den Machinationen des ersteren, trotz der<lb/>
Opposition andersdenkender Parteigenossen, die für die Nationalconvention in Chicago<lb/>
bestimmten Delegaten Pennsylvaniens dahin zu instruiren, daß sie &#x201E;geschlossen"<lb/>
(»s a nun) für Granes Präsidentschafts - Candidatur stimmen sollten. Dasselbe<lb/>
Resultat erzielte Roscoe Conkling sür den Staat New-Iork in der am 25. Februar<lb/>
zu Utica (in New-Uork) abgehaltenen Staatsconvention. Wenn nun auch auf<lb/>
diese Weise die Delegaten der beiden volkreichsten Unionsstaaten auf der National-<lb/>
convention zu Chicago für Grant gewonnen zu sein scheinen, so ist doch damit<lb/>
dessen Ernennung zum Präsideutschafts-Candidaten der republikanischen Partei durch¬<lb/>
aus noch nicht gesichert, viel weniger seine Erwählung. Es besteht nämlich in der<lb/>
ganzen Union ein großer Widerwille gegen diejenige Politik, welche das Präsidenten¬<lb/>
amt öfter als zweimal auf eine und dieselbe Person übertragen will, und dieser<lb/>
Widerwille hat sich bei aller Anerkennung der Verdienste, die sich General Grant<lb/>
während des Rebellionskrieges als Soldat um die Union erworben hat, vielfach<lb/>
und in deutlichster Weise kund gethan. Dazu kommt noch, daß sich Grant im<lb/>
Laufe seiner beiden Präsidentschaftstermine hinsichtlich der inneren Politik die gröb¬<lb/>
sten Fehler zu Schulden kommen ließ. Unter keinem anderen Präsidenten griffen<lb/>
in allen Zweigen der Negierung Nepotismus und Corruption so sehr um sich, wie</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0270] für das Amt des Präsidenten und Vicepräsidenten stattfindet. Ueber das Abhalten dieser Conventionen, so entscheidungsvoll sie auch sind, bestehen keine verfassungs¬ mäßigen Vorschriften, sie sind vollständig dem Belieben der einzelnen politischen Parteien überlassen; und hier bietet sich denn, sowohl was die Vorbereitung zu diesen Conventionen, als was die Leitung derselben betrifft, der geschickten Partei¬ taktik und den politischen Wahlmanövern ein weites Feld. Die später zu wählenden Electoren sind nämlich zwar nicht rechtlich, aber moralisch verpflichtet, ihre Stimmen für diejenigen Präsidentschafts - Candidaten abzugeben, welche von den Nationalconventionen der betreffenden Parteien ernannt worden find. Die Zu¬ sammensetzung und der Charakter dieser Nationalconventionen ist aber wiederum wesentlich durch die in den Staatsconventionen gefaßten Beschlüsse bedingt. Die Initiative bei der diesjährigen Präsidentenwahl ist, wie schon angedeutet, von der Partei der Republikaner ergriffen worden, aus deren Reihen seit dem Jahre 1861 die Präsidenten der Vereinigten Staaten hervorgegangen sind. Nachdem von dem republikanischen Central-Wahlcomite die Nationalconvention der republikanischen Partei für den 2. Juni d. Is. nach Chicago im Staate Illinois ausgeschrieben worden war, berief der Bundessenator I. D. Cameron von Pennsylvanien, der neben seinem Collegen Roscoe Conkling von New - Jork zu den gewandtesten, aber auch rücksichtslosesten und herrschsüchtigsten Führern jener Partei gehört, zum 4. Februar eine Staatsconvention der Republikaner von Pennsylvanien nach der Stadt Harrisburg, um die nach Chicago zu entsendenden Delegaten mit den nöthigen Jnstructionen in Bezug auf die Ernennung eines Präsidentschafts - Candidaten zu versehen. Cameron sowohl wie Conkling zählen zu den enragirtesten Anhängern des Generals Grant, und es gelang den Machinationen des ersteren, trotz der Opposition andersdenkender Parteigenossen, die für die Nationalconvention in Chicago bestimmten Delegaten Pennsylvaniens dahin zu instruiren, daß sie „geschlossen" (»s a nun) für Granes Präsidentschafts - Candidatur stimmen sollten. Dasselbe Resultat erzielte Roscoe Conkling sür den Staat New-Iork in der am 25. Februar zu Utica (in New-Uork) abgehaltenen Staatsconvention. Wenn nun auch auf diese Weise die Delegaten der beiden volkreichsten Unionsstaaten auf der National- convention zu Chicago für Grant gewonnen zu sein scheinen, so ist doch damit dessen Ernennung zum Präsideutschafts-Candidaten der republikanischen Partei durch¬ aus noch nicht gesichert, viel weniger seine Erwählung. Es besteht nämlich in der ganzen Union ein großer Widerwille gegen diejenige Politik, welche das Präsidenten¬ amt öfter als zweimal auf eine und dieselbe Person übertragen will, und dieser Widerwille hat sich bei aller Anerkennung der Verdienste, die sich General Grant während des Rebellionskrieges als Soldat um die Union erworben hat, vielfach und in deutlichster Weise kund gethan. Dazu kommt noch, daß sich Grant im Laufe seiner beiden Präsidentschaftstermine hinsichtlich der inneren Politik die gröb¬ sten Fehler zu Schulden kommen ließ. Unter keinem anderen Präsidenten griffen in allen Zweigen der Negierung Nepotismus und Corruption so sehr um sich, wie

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/270
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/270>, abgerufen am 28.09.2024.