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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Die Präsidentenwahl in den Vereinigten Staaten.

Unter den politischen Tagesfragen, die gegenwärtig das Volk der Vereinigten
Staaten beschäftigen, steht die in diesem Jahre vorzunehmende Präsidentenwahl
in erster Linie. Im Norden und Süden, im Osten und Westen der Union rüsten
sich die verschiedenen Parteien, vorzugsweise die Republikaner und die Demokraten,
diesen auch für Europa bedeutungsvollen Kampf zu bestehen. Allen voran waren
es die in allen politischen Wahlumtrieben wohlbewanderter Anhänger und Freunde
des Ex-Präsidenten U. S. Great, welche sich durch Abhaltung von Staatsconven¬
tionen den Sieg zu sichern suchten. Bekanntlich ist die amerikanische Präsidenten¬
wahl keine directe, vielmehr werden in den einzelnen Unionsstaaten, der Zahl der
Bevölkerung entsprechend, an einem und demselben Tage sogenannte Electoren ge¬
wählt, die dann die Wahl des Präsidenten und Vicepräsidenten vorzunehmen haben.
Das Resultat dieser Mahl wird in beglaubigten Listen an den Präsidenten des
Bundessenats in Washington gesandt, der dann in gemeinschaftlicher Sitzung des
Senats und des Repräsentantenhauses die betreffenden Urkunden öffnet und die
Zählung der Stimmen vornimmt; der Candidat, welcher die meisten Stimmen für
die Präsidentschaft erhält, soll Präsident werden, wenn die auf ihn gefallene Zahl
der Electoralstimmen eine Majorität sämmtlicher Wahlmänner darstellt. Falls indeß
kein Candidat eine solche Majorität erlangt, so hat das Repräsentantenhaus un¬
verzüglich durch Wahlzettel aus denjenigen drei Candidaten, welche die meisten
Stimmen fiir das Präsidentenamt erhielten, den Präsidenten zu erwählen; hierbei
sollen jedoch die Stimmen nach Staaten gerechnet werden, sodaß die Congreßrcprä-
sentation jedes einzelnen Unionsstaates nur eine Stimme hat. Als zum Viceprä¬
sidenten gewählt gilt derjenige Candidat, welcher nach Ausweis der erwähnten
Electorallisten die meisten für die Besetzung dieses Amtes abgegebenen Stimmen
erhielt, wenn diese Stimmenzahl eine Majorität aller Electoren ausmacht; erlangt
aber Niemand eine derartige Stimmenmehrheit, dann hat der Senat unter denjenigen
beiden Personen, welche die meisten Stimmen erhielten, den Vicepräsidenten aus¬
zuwählen.

Den Wahlen der Electoren gehen nun aber stets sogenannte Staats- und
Nationalconventionen voran, in denen die vorläufige Ernennung der Kandidaten


Grenzboten II. 1380. ^
Die Präsidentenwahl in den Vereinigten Staaten.

Unter den politischen Tagesfragen, die gegenwärtig das Volk der Vereinigten
Staaten beschäftigen, steht die in diesem Jahre vorzunehmende Präsidentenwahl
in erster Linie. Im Norden und Süden, im Osten und Westen der Union rüsten
sich die verschiedenen Parteien, vorzugsweise die Republikaner und die Demokraten,
diesen auch für Europa bedeutungsvollen Kampf zu bestehen. Allen voran waren
es die in allen politischen Wahlumtrieben wohlbewanderter Anhänger und Freunde
des Ex-Präsidenten U. S. Great, welche sich durch Abhaltung von Staatsconven¬
tionen den Sieg zu sichern suchten. Bekanntlich ist die amerikanische Präsidenten¬
wahl keine directe, vielmehr werden in den einzelnen Unionsstaaten, der Zahl der
Bevölkerung entsprechend, an einem und demselben Tage sogenannte Electoren ge¬
wählt, die dann die Wahl des Präsidenten und Vicepräsidenten vorzunehmen haben.
Das Resultat dieser Mahl wird in beglaubigten Listen an den Präsidenten des
Bundessenats in Washington gesandt, der dann in gemeinschaftlicher Sitzung des
Senats und des Repräsentantenhauses die betreffenden Urkunden öffnet und die
Zählung der Stimmen vornimmt; der Candidat, welcher die meisten Stimmen für
die Präsidentschaft erhält, soll Präsident werden, wenn die auf ihn gefallene Zahl
der Electoralstimmen eine Majorität sämmtlicher Wahlmänner darstellt. Falls indeß
kein Candidat eine solche Majorität erlangt, so hat das Repräsentantenhaus un¬
verzüglich durch Wahlzettel aus denjenigen drei Candidaten, welche die meisten
Stimmen fiir das Präsidentenamt erhielten, den Präsidenten zu erwählen; hierbei
sollen jedoch die Stimmen nach Staaten gerechnet werden, sodaß die Congreßrcprä-
sentation jedes einzelnen Unionsstaates nur eine Stimme hat. Als zum Viceprä¬
sidenten gewählt gilt derjenige Candidat, welcher nach Ausweis der erwähnten
Electorallisten die meisten für die Besetzung dieses Amtes abgegebenen Stimmen
erhielt, wenn diese Stimmenzahl eine Majorität aller Electoren ausmacht; erlangt
aber Niemand eine derartige Stimmenmehrheit, dann hat der Senat unter denjenigen
beiden Personen, welche die meisten Stimmen erhielten, den Vicepräsidenten aus¬
zuwählen.

Den Wahlen der Electoren gehen nun aber stets sogenannte Staats- und
Nationalconventionen voran, in denen die vorläufige Ernennung der Kandidaten


Grenzboten II. 1380. ^
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[0269] Die Präsidentenwahl in den Vereinigten Staaten. Unter den politischen Tagesfragen, die gegenwärtig das Volk der Vereinigten Staaten beschäftigen, steht die in diesem Jahre vorzunehmende Präsidentenwahl in erster Linie. Im Norden und Süden, im Osten und Westen der Union rüsten sich die verschiedenen Parteien, vorzugsweise die Republikaner und die Demokraten, diesen auch für Europa bedeutungsvollen Kampf zu bestehen. Allen voran waren es die in allen politischen Wahlumtrieben wohlbewanderter Anhänger und Freunde des Ex-Präsidenten U. S. Great, welche sich durch Abhaltung von Staatsconven¬ tionen den Sieg zu sichern suchten. Bekanntlich ist die amerikanische Präsidenten¬ wahl keine directe, vielmehr werden in den einzelnen Unionsstaaten, der Zahl der Bevölkerung entsprechend, an einem und demselben Tage sogenannte Electoren ge¬ wählt, die dann die Wahl des Präsidenten und Vicepräsidenten vorzunehmen haben. Das Resultat dieser Mahl wird in beglaubigten Listen an den Präsidenten des Bundessenats in Washington gesandt, der dann in gemeinschaftlicher Sitzung des Senats und des Repräsentantenhauses die betreffenden Urkunden öffnet und die Zählung der Stimmen vornimmt; der Candidat, welcher die meisten Stimmen für die Präsidentschaft erhält, soll Präsident werden, wenn die auf ihn gefallene Zahl der Electoralstimmen eine Majorität sämmtlicher Wahlmänner darstellt. Falls indeß kein Candidat eine solche Majorität erlangt, so hat das Repräsentantenhaus un¬ verzüglich durch Wahlzettel aus denjenigen drei Candidaten, welche die meisten Stimmen fiir das Präsidentenamt erhielten, den Präsidenten zu erwählen; hierbei sollen jedoch die Stimmen nach Staaten gerechnet werden, sodaß die Congreßrcprä- sentation jedes einzelnen Unionsstaates nur eine Stimme hat. Als zum Viceprä¬ sidenten gewählt gilt derjenige Candidat, welcher nach Ausweis der erwähnten Electorallisten die meisten für die Besetzung dieses Amtes abgegebenen Stimmen erhielt, wenn diese Stimmenzahl eine Majorität aller Electoren ausmacht; erlangt aber Niemand eine derartige Stimmenmehrheit, dann hat der Senat unter denjenigen beiden Personen, welche die meisten Stimmen erhielten, den Vicepräsidenten aus¬ zuwählen. Den Wahlen der Electoren gehen nun aber stets sogenannte Staats- und Nationalconventionen voran, in denen die vorläufige Ernennung der Kandidaten Grenzboten II. 1380. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/269>, abgerufen am 22.07.2024.