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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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geschlechtes mit einem so reichen Blättergewinde, daß der fromme Seelenhirt
nicht mehr zu erröthen brauchte, wenn seine Augen von dem Meßbuche zufällig
einmal in die höchsten Regionen emporschweiften. Daß er nebenher auch noch
die ganze Kirche weißen durfte, war nur eine schuldige Anerkennung seiner
Künstlerschaft. Er selbst fühlte sich durch dieses Debüt jedoch keineswegs ge¬
hoben. Es wurde ihm vielmehr immer deutlicher, daß in so beschränkten Ver¬
hältnissen seines Bleibens nicht länger sein könne. Er setzte es durch, daß fein
Vater ihm die Mittel zu einer Reise nach München gab. Statt nun aber frisch
in das Fahrwasser der Kunst einzulenken, machte er wieder einen Schritt rück¬
wärts. Auf den Rath eines Freundes, der ihm das Mißliche der Künstler¬
laufbahn darstellte, wurde er Vergolder und trieb dieses Handwerk drei Jahre
lang, bis schließlich sein besseres Selbst von neuem zum Durchbruch kam. Nun
besuchte er die Akademie, und nach einem zweijährigen Studium, welches besonders
von Schraudolph geleitet wurde, debütirte er bereits mit einem Bilde "Ruth
zieht nach Bethlehem", welches den Beifall des Statthalters von Tirol, des Erz¬
herzogs Carl Ludwig, fand und von diesem angekauft wurde. Ein Jahr darauf
(1859) erhielt er auch von der Stadt Innsbruck den Auftrag, für den dortigen
Friedhof ein Gemälde "Die drei Marien am Grabe Christi" stereochromisck
auszuführen. Nach Vollendung dieser Arbeit winkte ihm eine neue, da sein
Heimathdorf See zwei Altarbilder brauchte. Schon hatte er die Cartons ange¬
fertigt, als die Hiobspost kam, daß die Gemeinde sich anders besonnen und das
für die Gemälde ausgeworfene Geld zum Zweck einer alle zehn Jahre zu wieder¬
holenden Mission bestimmt hätte. Jetzt blieb dem mittellosen Künstler nichts
anderes übrig, als in das Vaterhaus zurückzuziehen, welches nach dem Tode
des Vaters von seinen Geschwistern bewohnt wurde. Aber er paßte nicht mehr
in die schlichten Verhältnisse seiner Heimat hinein. Fehlgeschlagene Hoffnungen
hatten ihn verstimmt und verbittert, er hielt mit seinen in München erworbenen
freien Ansichten nicht hinter dem Berge, und so regte sich bald gegen ihn der
clericale Zorn. Man ging mit der Absicht um, ihn durch Gensdarmen zur
Kirche transportiren zu lassen, und nur seine schleunige Abreise nach Innsbruck,
zu welcher ihm ein Bruder die Mittel vorstreckte, rettete ihn vor öffentlicher
Demüthigung. Ju Innsbruck gelang es ihm, ein Stipendium zu erhalten, mit
welchem allerdings die Bedingung verknüpft war, ab und zu als Proben seines
seines Fleißes Heiligenbilder vorzulegen, weil das Stipendium für christliche
Kunst gestiftet war. Schmid, der sich nach München begab, genügte wohl diesen
Bedingungen; da das ihm bewilligte Geld aber nicht ausreichte, um seinen
Lebensunterhalt zu bestreiten, sah er sich genöthigt, das übrige dnrch Zeichnungen
für die "Gartenlaube", die Leipziger "Jllustrirte Zeitung" und ähnliche Journale
zu erwerben. Diese Mitarbeiterschaft an "lutherischen" Zeitschriften mißfiel den


geschlechtes mit einem so reichen Blättergewinde, daß der fromme Seelenhirt
nicht mehr zu erröthen brauchte, wenn seine Augen von dem Meßbuche zufällig
einmal in die höchsten Regionen emporschweiften. Daß er nebenher auch noch
die ganze Kirche weißen durfte, war nur eine schuldige Anerkennung seiner
Künstlerschaft. Er selbst fühlte sich durch dieses Debüt jedoch keineswegs ge¬
hoben. Es wurde ihm vielmehr immer deutlicher, daß in so beschränkten Ver¬
hältnissen seines Bleibens nicht länger sein könne. Er setzte es durch, daß fein
Vater ihm die Mittel zu einer Reise nach München gab. Statt nun aber frisch
in das Fahrwasser der Kunst einzulenken, machte er wieder einen Schritt rück¬
wärts. Auf den Rath eines Freundes, der ihm das Mißliche der Künstler¬
laufbahn darstellte, wurde er Vergolder und trieb dieses Handwerk drei Jahre
lang, bis schließlich sein besseres Selbst von neuem zum Durchbruch kam. Nun
besuchte er die Akademie, und nach einem zweijährigen Studium, welches besonders
von Schraudolph geleitet wurde, debütirte er bereits mit einem Bilde „Ruth
zieht nach Bethlehem", welches den Beifall des Statthalters von Tirol, des Erz¬
herzogs Carl Ludwig, fand und von diesem angekauft wurde. Ein Jahr darauf
(1859) erhielt er auch von der Stadt Innsbruck den Auftrag, für den dortigen
Friedhof ein Gemälde „Die drei Marien am Grabe Christi" stereochromisck
auszuführen. Nach Vollendung dieser Arbeit winkte ihm eine neue, da sein
Heimathdorf See zwei Altarbilder brauchte. Schon hatte er die Cartons ange¬
fertigt, als die Hiobspost kam, daß die Gemeinde sich anders besonnen und das
für die Gemälde ausgeworfene Geld zum Zweck einer alle zehn Jahre zu wieder¬
holenden Mission bestimmt hätte. Jetzt blieb dem mittellosen Künstler nichts
anderes übrig, als in das Vaterhaus zurückzuziehen, welches nach dem Tode
des Vaters von seinen Geschwistern bewohnt wurde. Aber er paßte nicht mehr
in die schlichten Verhältnisse seiner Heimat hinein. Fehlgeschlagene Hoffnungen
hatten ihn verstimmt und verbittert, er hielt mit seinen in München erworbenen
freien Ansichten nicht hinter dem Berge, und so regte sich bald gegen ihn der
clericale Zorn. Man ging mit der Absicht um, ihn durch Gensdarmen zur
Kirche transportiren zu lassen, und nur seine schleunige Abreise nach Innsbruck,
zu welcher ihm ein Bruder die Mittel vorstreckte, rettete ihn vor öffentlicher
Demüthigung. Ju Innsbruck gelang es ihm, ein Stipendium zu erhalten, mit
welchem allerdings die Bedingung verknüpft war, ab und zu als Proben seines
seines Fleißes Heiligenbilder vorzulegen, weil das Stipendium für christliche
Kunst gestiftet war. Schmid, der sich nach München begab, genügte wohl diesen
Bedingungen; da das ihm bewilligte Geld aber nicht ausreichte, um seinen
Lebensunterhalt zu bestreiten, sah er sich genöthigt, das übrige dnrch Zeichnungen
für die „Gartenlaube", die Leipziger „Jllustrirte Zeitung" und ähnliche Journale
zu erwerben. Diese Mitarbeiterschaft an „lutherischen" Zeitschriften mißfiel den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/155>, abgerufen am 22.07.2024.