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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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schnittswerth der eingeführten Waaren, sondern den möglichst niedrigen, wie ihn
die Zollbehörden nur irgend Passiren lassen. Und sollte die Abschätzung gar
in der Weise vorgenommen werden, wie sie, wenn wir recht berichtet sind, in
den Vereinigten Staaten vorgenommen wird, so könnte es sich leicht ereignen,
daß zwar nicht der wirkliche Marktwerth einer eingeführten Waare, wohl aber
der auf der Einfuhrliste verzeichnete Werth kleiner erschiene als der der ausge¬
führten Waare, wofür jene andere eingetauscht wurde. In den Vereinigten
Staaten wird der Zoll nämlich häufig, vielleicht sogar regelmäßig, nicht nach
dem Marktwerthe des Importartikels in dem amerikanischen Einfuhrplatze be¬
rechnet, sondern nach dem Marktwerthe und natürlich dem möglichst niedrigen,
den dieser Artikel an dem Orte hat, von dem er herkommt. Ein deutscher
Fabrikant also schätzt seine nach Amerika gelieferten Fabrikate nicht nach dem,
wie knapp auch immer angesetzten Werthe, den dieselben an ihrem Bestimmungs¬
orte haben, sondern etwa nach seinen Fabrikationskosten, und auf Grund dieser
Schätzung wird der Werth der Waare in der amerikanischen Jmportliste be¬
stimmt. Die Summe, um die in Folge dieses Verfahrens, gar nicht zu reden
von Betrügereien und Unterschleifen, die amerikanische Einfuhr jährlich auf dem
Papiere verkürzt wird, dürfte eine sehr erhebliche sein; es dünkt uns gar nicht
unwahrscheinlich, daß die sogenannte günstige Handelsbilanz, die den Amerikanern
so viele Freude macht und für so manche deutsche Patrioten ein Gegenstand der
Bewunderung und des Neides ist, zu einem guten Theil ihre Entstehungsursache
in dieser gewohnheitsmäßig und grundsätzlich allznniedrigen Veranschlagung des
Werthes der Einfuhr hat. Doch kommt hierbei einem anderen Factor, der über¬
haupt oft in sehr maßgebender Weise auf die Größe der Ausfuhr, bez. der Ein¬
fuhr wirkt, und von dem gleich noch mehr die Rede sein wird, ohne Zweifel
eine noch sehr viel höhere Bedeutung zu.

Vorher möge nur noch eine Bedingung kurz berührt werden, unter welcher
allerdings, wenigstens temporär, die Einfuhr mitunter eine wirkliche, wenn auch
wohl meistens unbeträchtliche Schmälerung erleidet, ohne daß die Ausfuhr da¬
durch afficirt zu werden braucht. Dieses findet statt, sowie die einheimischen
Kaufleute schlecht oder unglücklich speculiren, wenn sie also gezwungen sind, die
Waaren, die sie exportiren, mit Verlust zu verkaufen, oder wenn diejenigen,
welche sie importiren, zu Hause nicht den Werth haben, den sie haben müßten,
um die Unternehmung lohnend zu machen, oder wenn am Ende gar alles unter¬
wegs zu Grunde geht. Im letzten Falle fände lediglich, eine Ausfuhr statt, es
käme nichts dafür zurück -- es müßte denn die verlorene Waare im Auslande
versichert gewesen sein. Wenn also unsere Kaufleute immer mit Verlust arbei¬
teten, und dieser Verlust groß genug wäre, so würde unsere Handelsbilanz bald


schnittswerth der eingeführten Waaren, sondern den möglichst niedrigen, wie ihn
die Zollbehörden nur irgend Passiren lassen. Und sollte die Abschätzung gar
in der Weise vorgenommen werden, wie sie, wenn wir recht berichtet sind, in
den Vereinigten Staaten vorgenommen wird, so könnte es sich leicht ereignen,
daß zwar nicht der wirkliche Marktwerth einer eingeführten Waare, wohl aber
der auf der Einfuhrliste verzeichnete Werth kleiner erschiene als der der ausge¬
führten Waare, wofür jene andere eingetauscht wurde. In den Vereinigten
Staaten wird der Zoll nämlich häufig, vielleicht sogar regelmäßig, nicht nach
dem Marktwerthe des Importartikels in dem amerikanischen Einfuhrplatze be¬
rechnet, sondern nach dem Marktwerthe und natürlich dem möglichst niedrigen,
den dieser Artikel an dem Orte hat, von dem er herkommt. Ein deutscher
Fabrikant also schätzt seine nach Amerika gelieferten Fabrikate nicht nach dem,
wie knapp auch immer angesetzten Werthe, den dieselben an ihrem Bestimmungs¬
orte haben, sondern etwa nach seinen Fabrikationskosten, und auf Grund dieser
Schätzung wird der Werth der Waare in der amerikanischen Jmportliste be¬
stimmt. Die Summe, um die in Folge dieses Verfahrens, gar nicht zu reden
von Betrügereien und Unterschleifen, die amerikanische Einfuhr jährlich auf dem
Papiere verkürzt wird, dürfte eine sehr erhebliche sein; es dünkt uns gar nicht
unwahrscheinlich, daß die sogenannte günstige Handelsbilanz, die den Amerikanern
so viele Freude macht und für so manche deutsche Patrioten ein Gegenstand der
Bewunderung und des Neides ist, zu einem guten Theil ihre Entstehungsursache
in dieser gewohnheitsmäßig und grundsätzlich allznniedrigen Veranschlagung des
Werthes der Einfuhr hat. Doch kommt hierbei einem anderen Factor, der über¬
haupt oft in sehr maßgebender Weise auf die Größe der Ausfuhr, bez. der Ein¬
fuhr wirkt, und von dem gleich noch mehr die Rede sein wird, ohne Zweifel
eine noch sehr viel höhere Bedeutung zu.

Vorher möge nur noch eine Bedingung kurz berührt werden, unter welcher
allerdings, wenigstens temporär, die Einfuhr mitunter eine wirkliche, wenn auch
wohl meistens unbeträchtliche Schmälerung erleidet, ohne daß die Ausfuhr da¬
durch afficirt zu werden braucht. Dieses findet statt, sowie die einheimischen
Kaufleute schlecht oder unglücklich speculiren, wenn sie also gezwungen sind, die
Waaren, die sie exportiren, mit Verlust zu verkaufen, oder wenn diejenigen,
welche sie importiren, zu Hause nicht den Werth haben, den sie haben müßten,
um die Unternehmung lohnend zu machen, oder wenn am Ende gar alles unter¬
wegs zu Grunde geht. Im letzten Falle fände lediglich, eine Ausfuhr statt, es
käme nichts dafür zurück — es müßte denn die verlorene Waare im Auslande
versichert gewesen sein. Wenn also unsere Kaufleute immer mit Verlust arbei¬
teten, und dieser Verlust groß genug wäre, so würde unsere Handelsbilanz bald


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/140>, abgerufen am 22.07.2024.