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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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kommen. Das Verhältniß der Einfuhr zur Ausfuhr wird nicht alterirt. Ganz
anders aber steht es beim einseitigen Schmuggel. Während die Waaren aus
dem einen Lande in das andere auf heimlichen und verbotenen Wegen gebracht
werden, kommen die dort dafür erkauften Gegenstände in offnem und legitimem
Handel zurück. Besonders ist diese Art des Geschäftsbetriebs zwischen Nationen
mit einer entwickelten Industrie und verhältnißmäßig niedrigen Zollen einerseits
und mehr ackerbau- und viehzuchttreibenden Völkern mit hohen Zöllen anderer¬
seits gebräuchlich, also etwa zwischen Deutschland und Rußland. Von unseren
Seidenzeugen, Tücher und sonstigen Fabrikaten ist es oft nicht eben schwierig,
dem Raume nach zwar kleine, hinsichtlich des Werthes aber sehr erhebliche
Quantitäten heimlich über die Grenze zu schaffen, während die meisten Dinge,
die wir von Rußland beziehen, wie Vieh, Häute, Getreide und andere Rohpro-
ducte, schon wegen ihres räumlich großen Umfanges bei geringerem Werthe nur
schwer unentdeckt herübergeschafft werden können, überdies aber bei uns nicht
mit so hohen Zöllen belegt sind, daß die Gefahr über den Reiz des Gewinnes
leicht vergessen würde. Nach Rußland würde demnach eine fortgesetzte Ausfuhr
von deutschen Waaren vor sich gehen, die weder auf den deutschen Exportlisten
noch auf den russischen Jmportlisteu erscheinen, d. h. die deutsche Ausfuhr und
die russische Einfuhr würden um den jemaligen Werth der geschmuggelten
Waaren auf dem Papiere kleiner sein. Der Schmuggel würde also in Deutsch¬
land die sogenannte ungünstige, in Rußland die sogenannte günstige Bilanz
vergrößern.

Es mögen in der That recht respectable Summen sein, die ans diese Weise
jedes Jahr den deutschen Export- und den russischen Jmportlisten entzogen werden;
doch sind dieselben schwerlich so groß, daß sie bei den ungeheueren Werthen,
die auf jenen Listen verzeichnet stehen, wesentlich ins Gewicht fielen. Eine un¬
gleich bedeutendere Wirkung auf die Gestaltung der Einfuhrlisten üben sicherlich
hohe Zölle, die nach dem Werthe der betreffenden Handelsartikel berechnet
werden, wie es z. B. in den Vereinigten Staaten geschieht. Der Marktwerth
eines Gegenstandes ist ein höchst unbestimmter Begriff; er schwankt oft zwischen
weiten Grenzen, und es hängt von den mannigfachsten Umständen, nicht selten
vom bloßen Zufall ab, welche Summe man gerade herausgreift, um sie auf die
Ein- und Ausfuhrlisten zu setzen. Angesichts dieser Unsicherheit wird begreif¬
licher Weise die Angabe des jedesmaligen Exporteurs oder Importeurs in den
meisten Fällen maßgebend sein. Es liegt aber auf der Hand, daß jeder Kauf¬
mann, auch der redlichste, der nach dem größeren oder geringeren Werthe seiner
Waare Zoll bezahlen muß, diesen Werth stets so niedrig ansetzen wird wie er
kann, ohne sich dem Gesetze gegenüber eine Blöße zu geben. Die Jmportlisten
Von Ländern mit hohen Werthzöllen bieten daher nicht den ungefähren Durch-


kommen. Das Verhältniß der Einfuhr zur Ausfuhr wird nicht alterirt. Ganz
anders aber steht es beim einseitigen Schmuggel. Während die Waaren aus
dem einen Lande in das andere auf heimlichen und verbotenen Wegen gebracht
werden, kommen die dort dafür erkauften Gegenstände in offnem und legitimem
Handel zurück. Besonders ist diese Art des Geschäftsbetriebs zwischen Nationen
mit einer entwickelten Industrie und verhältnißmäßig niedrigen Zollen einerseits
und mehr ackerbau- und viehzuchttreibenden Völkern mit hohen Zöllen anderer¬
seits gebräuchlich, also etwa zwischen Deutschland und Rußland. Von unseren
Seidenzeugen, Tücher und sonstigen Fabrikaten ist es oft nicht eben schwierig,
dem Raume nach zwar kleine, hinsichtlich des Werthes aber sehr erhebliche
Quantitäten heimlich über die Grenze zu schaffen, während die meisten Dinge,
die wir von Rußland beziehen, wie Vieh, Häute, Getreide und andere Rohpro-
ducte, schon wegen ihres räumlich großen Umfanges bei geringerem Werthe nur
schwer unentdeckt herübergeschafft werden können, überdies aber bei uns nicht
mit so hohen Zöllen belegt sind, daß die Gefahr über den Reiz des Gewinnes
leicht vergessen würde. Nach Rußland würde demnach eine fortgesetzte Ausfuhr
von deutschen Waaren vor sich gehen, die weder auf den deutschen Exportlisten
noch auf den russischen Jmportlisteu erscheinen, d. h. die deutsche Ausfuhr und
die russische Einfuhr würden um den jemaligen Werth der geschmuggelten
Waaren auf dem Papiere kleiner sein. Der Schmuggel würde also in Deutsch¬
land die sogenannte ungünstige, in Rußland die sogenannte günstige Bilanz
vergrößern.

Es mögen in der That recht respectable Summen sein, die ans diese Weise
jedes Jahr den deutschen Export- und den russischen Jmportlisten entzogen werden;
doch sind dieselben schwerlich so groß, daß sie bei den ungeheueren Werthen,
die auf jenen Listen verzeichnet stehen, wesentlich ins Gewicht fielen. Eine un¬
gleich bedeutendere Wirkung auf die Gestaltung der Einfuhrlisten üben sicherlich
hohe Zölle, die nach dem Werthe der betreffenden Handelsartikel berechnet
werden, wie es z. B. in den Vereinigten Staaten geschieht. Der Marktwerth
eines Gegenstandes ist ein höchst unbestimmter Begriff; er schwankt oft zwischen
weiten Grenzen, und es hängt von den mannigfachsten Umständen, nicht selten
vom bloßen Zufall ab, welche Summe man gerade herausgreift, um sie auf die
Ein- und Ausfuhrlisten zu setzen. Angesichts dieser Unsicherheit wird begreif¬
licher Weise die Angabe des jedesmaligen Exporteurs oder Importeurs in den
meisten Fällen maßgebend sein. Es liegt aber auf der Hand, daß jeder Kauf¬
mann, auch der redlichste, der nach dem größeren oder geringeren Werthe seiner
Waare Zoll bezahlen muß, diesen Werth stets so niedrig ansetzen wird wie er
kann, ohne sich dem Gesetze gegenüber eine Blöße zu geben. Die Jmportlisten
Von Ländern mit hohen Werthzöllen bieten daher nicht den ungefähren Durch-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/139>, abgerufen am 22.07.2024.