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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Günstige Handelsbilanzen.

Wir haben in unserem vorigen Artikel "Ungünstige Handelsbilanzen"
(14. Heft) zu zeigen versucht, daß in einem Lande, welches sich activ am inter¬
nationalen Handel betheiligt, ganz naturgemäß im Laufe des regelmäßige" Ver¬
kehrs ein Ueberschuß des Werthes der Einfuhr über den Werth der Ausfuhr
zum Vorschein kommen muß. Der heutige Artikel soll sich mit dem Nachweise
beschäftigen, daß die sogenannten "günstigen" Handelsbilanzen im Wesentlichen
auf Einflüssen beruhen, welche ganz außerhalb der natürlichen Handelsbewe¬
gung liegen.

Die wichtigsten unter den Ländern, die sich im letzten Decennium günstiger
Bilanzen rühmen konnten, sind: Frankreich in den ersten Jahren nach dem
Kriege, Oesterreich, Rußland, vor allen aber die Vereinigten Staaten von Nord¬
amerika. Oesterreich z. B. schloß im Jahre 1878 nach Neumann-Spallart mit
einem Activ-Saldo von 102 Millionen Gulden Oe. W. ab, bei einem Export
im Werthe von 654 Millionen, Rußland mit 333 Millionen Gulden Oe. W,
bei einem Export im Werthe von 850 Millionen, und die Vereinigten Staaten
hatten uach einer Notiz, die jüngst durch die Zeitungen lief, im vergangenen
Jahre sogar einen Ueberschuß von 269 Millionen Dollars zu ihren Gunsten,
bei einem Export im Werthe von 698 Millionen.

Nun ist es hinsichtlich der drei letztgenannten Länder gewiß schwer begreif¬
lich, weshalb sie regelmäßig solch ungeheuere Massen von Edelmetall einführen
sollten. In Oesterreich und Rußland ist der Gebrauch von hartem Geld be¬
kanntlich äußerst beschränkt, und Amerika producirt selbst viel mehr Gold und
Silber, als es bedarf. Die Franzosen aber müßten doch wohl, sollte man
meinen, während sie die Milliarden zahlten, eher Geld aus- als eingeführt
haben. Die Frage: Sollte es nicht denkbar sein, daß die Handelsbilanz eines
Staates einen Ueberschuß der Waarenausfuhr aufweisen könnte, ohne eine ent¬
sprechende Mehreinfuhr von Edelmetallen? wird sich daher leicht schon bei einer
oberflächlichen Betrachtung der thatsächlich bestehenden Verhältnisse aufdrängen.
Gehen wir etwas tiefer auf den Grund der Sache ein.

Zunächst giebt es einige Ursachen, welche die Einfuhr in Wirklichkeit zwar
nicht verringern, wohl aber auf dem Papiere kleiner erscheinen lassen, als sie
ist. Es liegt auf der Hand, daß geschmuggelte Waaren nicht in officiellen
Export- und Jmportlisten verzeichnet stehen können. So lange nun der Schmuggel
ungefähr in denselben Werthdimensionen hinüber und herüber geht, ist es eben
einfach nur ein Verkehr, dessen Resultate in jenen Listen nicht zum Vorschein


Günstige Handelsbilanzen.

Wir haben in unserem vorigen Artikel „Ungünstige Handelsbilanzen"
(14. Heft) zu zeigen versucht, daß in einem Lande, welches sich activ am inter¬
nationalen Handel betheiligt, ganz naturgemäß im Laufe des regelmäßige» Ver¬
kehrs ein Ueberschuß des Werthes der Einfuhr über den Werth der Ausfuhr
zum Vorschein kommen muß. Der heutige Artikel soll sich mit dem Nachweise
beschäftigen, daß die sogenannten „günstigen" Handelsbilanzen im Wesentlichen
auf Einflüssen beruhen, welche ganz außerhalb der natürlichen Handelsbewe¬
gung liegen.

Die wichtigsten unter den Ländern, die sich im letzten Decennium günstiger
Bilanzen rühmen konnten, sind: Frankreich in den ersten Jahren nach dem
Kriege, Oesterreich, Rußland, vor allen aber die Vereinigten Staaten von Nord¬
amerika. Oesterreich z. B. schloß im Jahre 1878 nach Neumann-Spallart mit
einem Activ-Saldo von 102 Millionen Gulden Oe. W. ab, bei einem Export
im Werthe von 654 Millionen, Rußland mit 333 Millionen Gulden Oe. W,
bei einem Export im Werthe von 850 Millionen, und die Vereinigten Staaten
hatten uach einer Notiz, die jüngst durch die Zeitungen lief, im vergangenen
Jahre sogar einen Ueberschuß von 269 Millionen Dollars zu ihren Gunsten,
bei einem Export im Werthe von 698 Millionen.

Nun ist es hinsichtlich der drei letztgenannten Länder gewiß schwer begreif¬
lich, weshalb sie regelmäßig solch ungeheuere Massen von Edelmetall einführen
sollten. In Oesterreich und Rußland ist der Gebrauch von hartem Geld be¬
kanntlich äußerst beschränkt, und Amerika producirt selbst viel mehr Gold und
Silber, als es bedarf. Die Franzosen aber müßten doch wohl, sollte man
meinen, während sie die Milliarden zahlten, eher Geld aus- als eingeführt
haben. Die Frage: Sollte es nicht denkbar sein, daß die Handelsbilanz eines
Staates einen Ueberschuß der Waarenausfuhr aufweisen könnte, ohne eine ent¬
sprechende Mehreinfuhr von Edelmetallen? wird sich daher leicht schon bei einer
oberflächlichen Betrachtung der thatsächlich bestehenden Verhältnisse aufdrängen.
Gehen wir etwas tiefer auf den Grund der Sache ein.

Zunächst giebt es einige Ursachen, welche die Einfuhr in Wirklichkeit zwar
nicht verringern, wohl aber auf dem Papiere kleiner erscheinen lassen, als sie
ist. Es liegt auf der Hand, daß geschmuggelte Waaren nicht in officiellen
Export- und Jmportlisten verzeichnet stehen können. So lange nun der Schmuggel
ungefähr in denselben Werthdimensionen hinüber und herüber geht, ist es eben
einfach nur ein Verkehr, dessen Resultate in jenen Listen nicht zum Vorschein


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[0138] Günstige Handelsbilanzen. Wir haben in unserem vorigen Artikel „Ungünstige Handelsbilanzen" (14. Heft) zu zeigen versucht, daß in einem Lande, welches sich activ am inter¬ nationalen Handel betheiligt, ganz naturgemäß im Laufe des regelmäßige» Ver¬ kehrs ein Ueberschuß des Werthes der Einfuhr über den Werth der Ausfuhr zum Vorschein kommen muß. Der heutige Artikel soll sich mit dem Nachweise beschäftigen, daß die sogenannten „günstigen" Handelsbilanzen im Wesentlichen auf Einflüssen beruhen, welche ganz außerhalb der natürlichen Handelsbewe¬ gung liegen. Die wichtigsten unter den Ländern, die sich im letzten Decennium günstiger Bilanzen rühmen konnten, sind: Frankreich in den ersten Jahren nach dem Kriege, Oesterreich, Rußland, vor allen aber die Vereinigten Staaten von Nord¬ amerika. Oesterreich z. B. schloß im Jahre 1878 nach Neumann-Spallart mit einem Activ-Saldo von 102 Millionen Gulden Oe. W. ab, bei einem Export im Werthe von 654 Millionen, Rußland mit 333 Millionen Gulden Oe. W, bei einem Export im Werthe von 850 Millionen, und die Vereinigten Staaten hatten uach einer Notiz, die jüngst durch die Zeitungen lief, im vergangenen Jahre sogar einen Ueberschuß von 269 Millionen Dollars zu ihren Gunsten, bei einem Export im Werthe von 698 Millionen. Nun ist es hinsichtlich der drei letztgenannten Länder gewiß schwer begreif¬ lich, weshalb sie regelmäßig solch ungeheuere Massen von Edelmetall einführen sollten. In Oesterreich und Rußland ist der Gebrauch von hartem Geld be¬ kanntlich äußerst beschränkt, und Amerika producirt selbst viel mehr Gold und Silber, als es bedarf. Die Franzosen aber müßten doch wohl, sollte man meinen, während sie die Milliarden zahlten, eher Geld aus- als eingeführt haben. Die Frage: Sollte es nicht denkbar sein, daß die Handelsbilanz eines Staates einen Ueberschuß der Waarenausfuhr aufweisen könnte, ohne eine ent¬ sprechende Mehreinfuhr von Edelmetallen? wird sich daher leicht schon bei einer oberflächlichen Betrachtung der thatsächlich bestehenden Verhältnisse aufdrängen. Gehen wir etwas tiefer auf den Grund der Sache ein. Zunächst giebt es einige Ursachen, welche die Einfuhr in Wirklichkeit zwar nicht verringern, wohl aber auf dem Papiere kleiner erscheinen lassen, als sie ist. Es liegt auf der Hand, daß geschmuggelte Waaren nicht in officiellen Export- und Jmportlisten verzeichnet stehen können. So lange nun der Schmuggel ungefähr in denselben Werthdimensionen hinüber und herüber geht, ist es eben einfach nur ein Verkehr, dessen Resultate in jenen Listen nicht zum Vorschein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/138>, abgerufen am 03.07.2024.