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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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befinden, und dessen Annahme von Seiten der Synode wir aufs lebhafteste
bedauern. Es ist der, welcher die Namen Kölling und Zöckler trägt und lautet:
die Generalsynode wolle beschließen, "den Evangelischen Oberkirchenrath zu
ersuchen, bei den laut Königlicher Kabinets - Ordre vom 5. Februar 1855 von
ihm zu erstattenden Gutachten in Beziehung auf Bekenntniß und Lehre der an¬
zustellenden Professoren der Theologie, den General-Synodal-Vorstand in Ge¬
mäßheit des § 36 (Alinea 5*) der General-Synodal-Ordnung jedesmal zu¬
zuziehen". Dieser Antrag wurde von der Synode angenommen, allerdings nach¬
dem die schärfsten Spitzen desselben dadurch abgestumpft waren, daß an Stelle
des Wortes "jedesmal" die Worte "in der Regel" gesetzt waren. Aber auch in
dieser gemilderten Fassung gibt uns der Beschluß der Synode zu den ernstesten
Bedenken Anlaß.

Fragen wir uns zuvörderst, ob der Synodalvorstand zur Lösung der Auf¬
gabe, die ihm hier zugetheilt ist, die erforderliche Qualifikation besitzt. Unter
den am Schluß der Synode gewählten Mitgliedern derselben befindet sich kein
einziger akademischer Theologe, unter den Stellvertretern einer. Nehmen wir
nun an, daß kein Anlaß vorliegt, diesen letzteren einzuberufen, so wird der
Synodalvorstand gemeiniglich nicht in der Lage sein, ans eigner Forschung heraus
das Urtheil zu füllen; es wird ein Sachverständiger fehlen, dessen Gutachten
die übrigen Mitglieder des Vorstandes sich aneignen könnten. Denn man darf
nicht voraussetzen, daß die drei theologischen Mitglieder des Vorstandes, General¬
superintendenten in den Provinzen Sachsen, Westfalen und Rheinland, regel¬
mäßig orientirt sind, und das Ministerium kann nicht warten, bis diese Herren
die Schriften des in Aussicht genommenen theologischen Docenten durchstudirt
haben. Was wird also geschehen? Die Mitglieder des Synodalvorstandes
werden sich an sachkundige Männer, ein jeder natürlich an einen Mann seines
besondern Vertrauens, an einen Genossen seiner Partei, wenden, und so wird
schließlich das Urtheil des Synodalvorstandes durch unsichtbare Faktoren, die
außerhalb stehen, bedingt werden. Man könnte uns erwiedern: Ist auch dies
Mal kein akademischer Theologe Mitglied des Vorstandes, so ist dies ein Zufall,
der vielleicht nicht oft wiederkehrt. Wir geben das zu; wir nehmen an, künftig
werde regelmäßig ein akademischer Theologe in den Vorstand gewählt werden,
vielleicht auch ein zweiter. Aber werden diese maßgebend sein auch für die
Mitglieder des Vorstandes, die eine andre Parteistellung innehaben? Schwer¬
lich ! Und hier kommen wir zu dem entscheidenden Punkte. Der Synodalvor-



*) "Mit dem Evangelischen Olicrkirchenrath wirkt der Synvdalvvrstand zusammen:---
in anderen Angelegenheiten der kirchlichen Centralverwaltung von vorzüglicher Wichtigkeit,
in welchen der Evangelische Oberkirchenrath die Zuziehung des Synodalvorstandcs beschließt."

befinden, und dessen Annahme von Seiten der Synode wir aufs lebhafteste
bedauern. Es ist der, welcher die Namen Kölling und Zöckler trägt und lautet:
die Generalsynode wolle beschließen, „den Evangelischen Oberkirchenrath zu
ersuchen, bei den laut Königlicher Kabinets - Ordre vom 5. Februar 1855 von
ihm zu erstattenden Gutachten in Beziehung auf Bekenntniß und Lehre der an¬
zustellenden Professoren der Theologie, den General-Synodal-Vorstand in Ge¬
mäßheit des § 36 (Alinea 5*) der General-Synodal-Ordnung jedesmal zu¬
zuziehen". Dieser Antrag wurde von der Synode angenommen, allerdings nach¬
dem die schärfsten Spitzen desselben dadurch abgestumpft waren, daß an Stelle
des Wortes „jedesmal" die Worte „in der Regel" gesetzt waren. Aber auch in
dieser gemilderten Fassung gibt uns der Beschluß der Synode zu den ernstesten
Bedenken Anlaß.

Fragen wir uns zuvörderst, ob der Synodalvorstand zur Lösung der Auf¬
gabe, die ihm hier zugetheilt ist, die erforderliche Qualifikation besitzt. Unter
den am Schluß der Synode gewählten Mitgliedern derselben befindet sich kein
einziger akademischer Theologe, unter den Stellvertretern einer. Nehmen wir
nun an, daß kein Anlaß vorliegt, diesen letzteren einzuberufen, so wird der
Synodalvorstand gemeiniglich nicht in der Lage sein, ans eigner Forschung heraus
das Urtheil zu füllen; es wird ein Sachverständiger fehlen, dessen Gutachten
die übrigen Mitglieder des Vorstandes sich aneignen könnten. Denn man darf
nicht voraussetzen, daß die drei theologischen Mitglieder des Vorstandes, General¬
superintendenten in den Provinzen Sachsen, Westfalen und Rheinland, regel¬
mäßig orientirt sind, und das Ministerium kann nicht warten, bis diese Herren
die Schriften des in Aussicht genommenen theologischen Docenten durchstudirt
haben. Was wird also geschehen? Die Mitglieder des Synodalvorstandes
werden sich an sachkundige Männer, ein jeder natürlich an einen Mann seines
besondern Vertrauens, an einen Genossen seiner Partei, wenden, und so wird
schließlich das Urtheil des Synodalvorstandes durch unsichtbare Faktoren, die
außerhalb stehen, bedingt werden. Man könnte uns erwiedern: Ist auch dies
Mal kein akademischer Theologe Mitglied des Vorstandes, so ist dies ein Zufall,
der vielleicht nicht oft wiederkehrt. Wir geben das zu; wir nehmen an, künftig
werde regelmäßig ein akademischer Theologe in den Vorstand gewählt werden,
vielleicht auch ein zweiter. Aber werden diese maßgebend sein auch für die
Mitglieder des Vorstandes, die eine andre Parteistellung innehaben? Schwer¬
lich ! Und hier kommen wir zu dem entscheidenden Punkte. Der Synodalvor-



*) „Mit dem Evangelischen Olicrkirchenrath wirkt der Synvdalvvrstand zusammen:---
in anderen Angelegenheiten der kirchlichen Centralverwaltung von vorzüglicher Wichtigkeit,
in welchen der Evangelische Oberkirchenrath die Zuziehung des Synodalvorstandcs beschließt."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/531>, abgerufen am 23.07.2024.