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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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kirchliche Leben einen wesentlich bestimmenden Einfluß auszuüben bezwecken, so
verzichten wir darauf, auch die übrigen Vorlagen des Kirchenregiments und die
ihnen gewidmete Thätigkeit der Synode der Darstellung und Beurtheilung zu
unterziehen. Die Beleuchtung, welche die Debatten über die Vorlage des Evan¬
gelischen Oberkirchenraths betreffend die Einsammlung einer Landes-Kirchen¬
kollekte für die Berliner Nothstände, bez. für die Berliner Stadtmission den
kirchlichen Verhältnissen Berlins zu Theil werdeu ließen, reizt allerdings zu
einer Besprechung auch an diesem Orte, und bei der Bedeutuug Berlins und
seiner Zustände wäre eine solche wohl sicher, das Interesse unserer Leser zu
erwecken. Trotzdem verzichten wir darauf; der Gegenstand verträgt nicht die
flüchtige Berührung, auf die wir uus hier beschränken müßten.*) Eine andere
Vorlage des Kirchenregiments möchten wir wenigstens nicht unerwähnt lassen.
Dieselbe bezieht sich auf die Verlegung des Buß- und Bettages, der in Preußen
am Mittwoch nach Jubilate gefeiert wird, an das Ende des Kirchenjahres, auf
den Freitag der letzten Woche desselben. Die Absicht dieser Vorlage war eine
zweifache, eine liturgische und eine nationale; eine liturgische, den" der bisherige
Bußtag stimmt uicht zu dem freudigen Charakter, den die Zeit zwischen Ostern
und Pfingsten trägt; eine nationale, denn es ist Aussicht vorhanden, daß dieser
Buß- und Bettag in allen deutsch-evangelischen Landeskirchen eingeführt werden
wird. Auf der Eisenacher Kirchenkouferenz, in der Sitzung vom 22. Juni 1878,
haben sich die Vertreter der deutschen Kirchenregierungen dahin geeinigt, die
erforderlichen Schritte zu thun, um für den genannten Tag als Buß- und Bettag
die kirchen- und staatsgesetzliche Sanktion zu erlangen. Die Generalsynode
würdigte die Motive der Vorlage und nahm dieselbe an nach eingehender
Debatte, in der auch die Bedenken gegen eine Verlegung überhaupt, sowie
gegen eine Verlegung gerade auf diesen Tag laut wurden. Wir begrüßen diesen
Beschluß der Synode aufs wärmste; er wird, wie wir hoffen, auch von den
Vertretungen der übrigen evangelischen Landeskirchen Deutschlands bestätigt
werden, und auf dem Wege der kirchlichen Einigung des evangelischen Deutsch¬
lands wäre dann ein weiterer Schritt gethan.

Wir wenden uns nun zu den Anträgen, die von der Synode erledigt
wurden. Auch hier legen wir uus Beschränkung auf und wählen nur die wenigen
aus, die in den weitesten Kreisen Interesse erregt haben. Wir beginnen mit
demjenigen Antrage, mit dem wir, wie mit keinem andern, uns in Widerspruch



*) Wir machen bei dieser Gelegenheit auf eine neuerdings erschienene Schrift aufmerk¬
sam, welche das kirchliche Leben Berlins zum Gegenstande hat und durch gerechte Beurthei¬
lung und geistvolle Darstellung gleichmäßig fesselt: Der Berliner Volkscharakter in
der Seelsorge von Eugen Baumann, Archidiakonus an S. Elisabeth in Berlin. Berlin,
Schleiermacher, 1880.

kirchliche Leben einen wesentlich bestimmenden Einfluß auszuüben bezwecken, so
verzichten wir darauf, auch die übrigen Vorlagen des Kirchenregiments und die
ihnen gewidmete Thätigkeit der Synode der Darstellung und Beurtheilung zu
unterziehen. Die Beleuchtung, welche die Debatten über die Vorlage des Evan¬
gelischen Oberkirchenraths betreffend die Einsammlung einer Landes-Kirchen¬
kollekte für die Berliner Nothstände, bez. für die Berliner Stadtmission den
kirchlichen Verhältnissen Berlins zu Theil werdeu ließen, reizt allerdings zu
einer Besprechung auch an diesem Orte, und bei der Bedeutuug Berlins und
seiner Zustände wäre eine solche wohl sicher, das Interesse unserer Leser zu
erwecken. Trotzdem verzichten wir darauf; der Gegenstand verträgt nicht die
flüchtige Berührung, auf die wir uus hier beschränken müßten.*) Eine andere
Vorlage des Kirchenregiments möchten wir wenigstens nicht unerwähnt lassen.
Dieselbe bezieht sich auf die Verlegung des Buß- und Bettages, der in Preußen
am Mittwoch nach Jubilate gefeiert wird, an das Ende des Kirchenjahres, auf
den Freitag der letzten Woche desselben. Die Absicht dieser Vorlage war eine
zweifache, eine liturgische und eine nationale; eine liturgische, den» der bisherige
Bußtag stimmt uicht zu dem freudigen Charakter, den die Zeit zwischen Ostern
und Pfingsten trägt; eine nationale, denn es ist Aussicht vorhanden, daß dieser
Buß- und Bettag in allen deutsch-evangelischen Landeskirchen eingeführt werden
wird. Auf der Eisenacher Kirchenkouferenz, in der Sitzung vom 22. Juni 1878,
haben sich die Vertreter der deutschen Kirchenregierungen dahin geeinigt, die
erforderlichen Schritte zu thun, um für den genannten Tag als Buß- und Bettag
die kirchen- und staatsgesetzliche Sanktion zu erlangen. Die Generalsynode
würdigte die Motive der Vorlage und nahm dieselbe an nach eingehender
Debatte, in der auch die Bedenken gegen eine Verlegung überhaupt, sowie
gegen eine Verlegung gerade auf diesen Tag laut wurden. Wir begrüßen diesen
Beschluß der Synode aufs wärmste; er wird, wie wir hoffen, auch von den
Vertretungen der übrigen evangelischen Landeskirchen Deutschlands bestätigt
werden, und auf dem Wege der kirchlichen Einigung des evangelischen Deutsch¬
lands wäre dann ein weiterer Schritt gethan.

Wir wenden uns nun zu den Anträgen, die von der Synode erledigt
wurden. Auch hier legen wir uus Beschränkung auf und wählen nur die wenigen
aus, die in den weitesten Kreisen Interesse erregt haben. Wir beginnen mit
demjenigen Antrage, mit dem wir, wie mit keinem andern, uns in Widerspruch



*) Wir machen bei dieser Gelegenheit auf eine neuerdings erschienene Schrift aufmerk¬
sam, welche das kirchliche Leben Berlins zum Gegenstande hat und durch gerechte Beurthei¬
lung und geistvolle Darstellung gleichmäßig fesselt: Der Berliner Volkscharakter in
der Seelsorge von Eugen Baumann, Archidiakonus an S. Elisabeth in Berlin. Berlin,
Schleiermacher, 1880.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/530>, abgerufen am 23.07.2024.