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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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tigkeiten übertragen und diesem dazu sechs bis acht "Reichsrefereudarien" zur
Vorberathung für das Plenum beigegeben wissen. Diese sollten der Natur
der Sache nach festangestellte Beamte sein, dagegen der Bundestag nur zwei
Monate lang jährlich versammelt bleiben. Aber auch so gelangte der Primas
zu keinem Abschluß; der Protektor fand die deutschen Angelegenheiten verwickelter,
als er gedacht hatte, und begnügte sich schließlich mit einem Abkommen, das
die Rangordnung der Staaten im Bundestage nach der Stärke der von ihnen
gestellten Kvutiugeute festsetzte, sehr bezeichnend für den Gesichtspunkt, von dem
aus er den Werth der Konfvderirten beurtheilte. Seine Abreise nach Italien
am 16. November rückte vollends den Abschluß dieser Verhandlungen in un¬
bestimmte Ferne. Denn auch der sorgfältige Entwurf, den Dalbergs Staats¬
rath v. Eberstein zu einem Grundgesetz des rheinischen Bundes ausarbeitete
und mit dem Divisionschef de la Besnardiere Punkt für Punkt dnrchsprach,
blieb schließlich eine Privatarbeit. II n'on, gst xas sirovrs 1s tsmxs, bemerkte
darüber trocken der Schirmherr, und diese Zeit kam nie.

Ebensowenig erfüllte sich damals Dalbergs Hoffnung, ein Korkordat für
den Rheinbund zu Staude zu bringen. In wunderlicher Unkenntniß der tra¬
ditionellen Politik der Kurie, ja sogar der ebeu damals zwischen ihr und Frank¬
reich obwaltenden Spannung entwarf er einen Plan zu einer einheitlichen,
gewissermaßen nationalen Kirchenverfassung für den Rheinbund unter seinem
Primat, als ob sich eine solche hätte erreichen lassen ohne den entschlossensten
einheitlichen Willen der Genossenschaft, für die sie bestimmt war. Und wo
war ein solcher Wille vorhanden? Zwar kam im November 1807 der Kar¬
dinal Bayanne mit della Genga nach Paris, und Champagny legte ihm nicht
blos den Entwurf eines Vertrages mit Frankreich vor, sondern betonte auch
die Nothwendigkeit eines rheinbündischen Konkordats, aber Dalberg hatte eine
einzige Unterredung mit beiden, und bald widerrief Pius VII., gereizt durch
die französische Occupation mehrerer Theile des Kirchenstaats, die seinen Ver¬
tretern ertheilte Vollmacht, um endlich uach der Besetzung Roms am 2. Februar
1808 jene ganz abzuberufen.

So kehrte Dalberg im März 1808 nach Frankfurt zurück, ohne nur eiues
seiner Ziele erreicht zu haben oder anch nnr ihnen näher gekommen zu sein.
Wohl mag ihn damals gelegentlich die Ahnung beschlichen haben, es sei doch
Alles vergebene Mühe. Der sächsische Gesandte wenigstens berichtete nach
Hause, die Laune des Fürsten Primas sei nicht mehr so heiter wie früher;
alle Welt mache diese Bemerkung.

Aber eine klare Erkenntniß von den Ursachen seiner Mißerfolge ging ihm
auch damals nicht auf. Wenigstens seine Verehrung für Napoleon litt nicht
darunter. Er folgte ihm im Oktober 1808 nach Erfurt, um den Troß fürst'


tigkeiten übertragen und diesem dazu sechs bis acht „Reichsrefereudarien" zur
Vorberathung für das Plenum beigegeben wissen. Diese sollten der Natur
der Sache nach festangestellte Beamte sein, dagegen der Bundestag nur zwei
Monate lang jährlich versammelt bleiben. Aber auch so gelangte der Primas
zu keinem Abschluß; der Protektor fand die deutschen Angelegenheiten verwickelter,
als er gedacht hatte, und begnügte sich schließlich mit einem Abkommen, das
die Rangordnung der Staaten im Bundestage nach der Stärke der von ihnen
gestellten Kvutiugeute festsetzte, sehr bezeichnend für den Gesichtspunkt, von dem
aus er den Werth der Konfvderirten beurtheilte. Seine Abreise nach Italien
am 16. November rückte vollends den Abschluß dieser Verhandlungen in un¬
bestimmte Ferne. Denn auch der sorgfältige Entwurf, den Dalbergs Staats¬
rath v. Eberstein zu einem Grundgesetz des rheinischen Bundes ausarbeitete
und mit dem Divisionschef de la Besnardiere Punkt für Punkt dnrchsprach,
blieb schließlich eine Privatarbeit. II n'on, gst xas sirovrs 1s tsmxs, bemerkte
darüber trocken der Schirmherr, und diese Zeit kam nie.

Ebensowenig erfüllte sich damals Dalbergs Hoffnung, ein Korkordat für
den Rheinbund zu Staude zu bringen. In wunderlicher Unkenntniß der tra¬
ditionellen Politik der Kurie, ja sogar der ebeu damals zwischen ihr und Frank¬
reich obwaltenden Spannung entwarf er einen Plan zu einer einheitlichen,
gewissermaßen nationalen Kirchenverfassung für den Rheinbund unter seinem
Primat, als ob sich eine solche hätte erreichen lassen ohne den entschlossensten
einheitlichen Willen der Genossenschaft, für die sie bestimmt war. Und wo
war ein solcher Wille vorhanden? Zwar kam im November 1807 der Kar¬
dinal Bayanne mit della Genga nach Paris, und Champagny legte ihm nicht
blos den Entwurf eines Vertrages mit Frankreich vor, sondern betonte auch
die Nothwendigkeit eines rheinbündischen Konkordats, aber Dalberg hatte eine
einzige Unterredung mit beiden, und bald widerrief Pius VII., gereizt durch
die französische Occupation mehrerer Theile des Kirchenstaats, die seinen Ver¬
tretern ertheilte Vollmacht, um endlich uach der Besetzung Roms am 2. Februar
1808 jene ganz abzuberufen.

So kehrte Dalberg im März 1808 nach Frankfurt zurück, ohne nur eiues
seiner Ziele erreicht zu haben oder anch nnr ihnen näher gekommen zu sein.
Wohl mag ihn damals gelegentlich die Ahnung beschlichen haben, es sei doch
Alles vergebene Mühe. Der sächsische Gesandte wenigstens berichtete nach
Hause, die Laune des Fürsten Primas sei nicht mehr so heiter wie früher;
alle Welt mache diese Bemerkung.

Aber eine klare Erkenntniß von den Ursachen seiner Mißerfolge ging ihm
auch damals nicht auf. Wenigstens seine Verehrung für Napoleon litt nicht
darunter. Er folgte ihm im Oktober 1808 nach Erfurt, um den Troß fürst'


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/456>, abgerufen am 23.07.2024.