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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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licher Bewunderer zu vergrößern, nach demselben Erfurt, als dessen Statthalter
er früher die glücklichsten Jahre seines Lebens verbracht hatte. Die Zeichen
herzlicher Verehrung, die ihm die Bevölkerung vielfach darbrachte, mußten ihn
eher wehmüthig als freudig stimmen; er hat dem auch gegenüber Karoline von
Wolzogen, die er in Weimar besuchte, Ausdruck gegeben. Aber das Entwür¬
digende, das in der Behandlung der Rheinbundsfürsteu durch Napoleon zu
Erfurt lag, hat er schwerlich gefühlt. Er war stolz auf "die Ehre, als Primas
das Organ dieser Konföderation zu sein", und wagte als solcher auch nicht,
die von ihm nach der Aechtung Steins (16. Dezember 1808) erbetene Verwen¬
dung für die confiscirten Güter desselben am Rhein eintreten zu lassen, Steins,
mit dem er früher Jahre lang in freundschaftlichen Verhältnissen gestanden, ja
dessen Berichten er seine Erhebung zum Coadjutor größtenteils zu verdanken
hatte. Als dann der Krieg von 1809 ausbrach, Oesterreich die Waffen erhob
für die Befreiung Europas und Baiern abermals wie 1805 von seinen Heeres¬
massen überschwemmt wurde, während der glorreiche Aufstand der Tiroler bei
allen Deutschgesinnten Begeisterung und Hoffnung erregte, da hielt es der
Fürst-Primas für angezeigt, in einer Proklamation vom 22. April Zeugniß
abzulegen dafür, "daß die Könige und Souveräne, deren Vereinigung den rhei¬
nischen Bund bildet, lebhaft empfinden, daß die Unverletzlichkeit ihres Gebiets,
die Sicherheit ihrer Besitzungen, die Erhaltung des Friedens, dieser Quelle des
öffentlichen Wohls, die wesentlichen Beweggründe ihrer Vereinigung waren, daß
ihre wechselseitige Eintracht und das Zutrauen in ihren Schirmer und Be¬
schützer, Se. Maj. den Kaiser Napoleon, die Grundfeste ihrer Sicherheit auf¬
wachen, daß keine Anstrengung ihnen unmöglich scheint, wenn es darauf an¬
kommt, die politische Existenz ihrer Staaten, die von dem allgemeinen Wohl
unzertrennlich ist, zu erhalten", während er zugleich sich gedrungen fühlte, gegen
die Auffassung zu Protestiren, "daß die Souveräne, welche sich veeiferten, in
die rheinische Konföderation einzutreten, wider ihren Willen in eine Verbindung
eingetreten seien, welche doch ihre Sicherheit ausmacht, welche sie in den Stand
setzt, für ihr und ihrer Unterthanen Wohl alle von der souveränen Unabhän¬
gigkeit unzertrennlichen Vortheile zu entwickeln".

Vielleicht kauu man darin wenigstens eine Art von besserer Erkenntniß
erblicken, daß Dalberg in dieser Proklamation nicht mehr von "deutschen"
Interessen redete, sondern einfach die Behauptung der einzelstaatlichen Existenz
und souveränes als Zweck dieses Bundes hinstellte.

(Schluß folgt.)




licher Bewunderer zu vergrößern, nach demselben Erfurt, als dessen Statthalter
er früher die glücklichsten Jahre seines Lebens verbracht hatte. Die Zeichen
herzlicher Verehrung, die ihm die Bevölkerung vielfach darbrachte, mußten ihn
eher wehmüthig als freudig stimmen; er hat dem auch gegenüber Karoline von
Wolzogen, die er in Weimar besuchte, Ausdruck gegeben. Aber das Entwür¬
digende, das in der Behandlung der Rheinbundsfürsteu durch Napoleon zu
Erfurt lag, hat er schwerlich gefühlt. Er war stolz auf „die Ehre, als Primas
das Organ dieser Konföderation zu sein", und wagte als solcher auch nicht,
die von ihm nach der Aechtung Steins (16. Dezember 1808) erbetene Verwen¬
dung für die confiscirten Güter desselben am Rhein eintreten zu lassen, Steins,
mit dem er früher Jahre lang in freundschaftlichen Verhältnissen gestanden, ja
dessen Berichten er seine Erhebung zum Coadjutor größtenteils zu verdanken
hatte. Als dann der Krieg von 1809 ausbrach, Oesterreich die Waffen erhob
für die Befreiung Europas und Baiern abermals wie 1805 von seinen Heeres¬
massen überschwemmt wurde, während der glorreiche Aufstand der Tiroler bei
allen Deutschgesinnten Begeisterung und Hoffnung erregte, da hielt es der
Fürst-Primas für angezeigt, in einer Proklamation vom 22. April Zeugniß
abzulegen dafür, „daß die Könige und Souveräne, deren Vereinigung den rhei¬
nischen Bund bildet, lebhaft empfinden, daß die Unverletzlichkeit ihres Gebiets,
die Sicherheit ihrer Besitzungen, die Erhaltung des Friedens, dieser Quelle des
öffentlichen Wohls, die wesentlichen Beweggründe ihrer Vereinigung waren, daß
ihre wechselseitige Eintracht und das Zutrauen in ihren Schirmer und Be¬
schützer, Se. Maj. den Kaiser Napoleon, die Grundfeste ihrer Sicherheit auf¬
wachen, daß keine Anstrengung ihnen unmöglich scheint, wenn es darauf an¬
kommt, die politische Existenz ihrer Staaten, die von dem allgemeinen Wohl
unzertrennlich ist, zu erhalten", während er zugleich sich gedrungen fühlte, gegen
die Auffassung zu Protestiren, „daß die Souveräne, welche sich veeiferten, in
die rheinische Konföderation einzutreten, wider ihren Willen in eine Verbindung
eingetreten seien, welche doch ihre Sicherheit ausmacht, welche sie in den Stand
setzt, für ihr und ihrer Unterthanen Wohl alle von der souveränen Unabhän¬
gigkeit unzertrennlichen Vortheile zu entwickeln".

Vielleicht kauu man darin wenigstens eine Art von besserer Erkenntniß
erblicken, daß Dalberg in dieser Proklamation nicht mehr von „deutschen"
Interessen redete, sondern einfach die Behauptung der einzelstaatlichen Existenz
und souveränes als Zweck dieses Bundes hinstellte.

(Schluß folgt.)




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/457>, abgerufen am 23.07.2024.