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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Kommission zu tagen und zwischen ihm und der Kommune eine Vermittelung
anzubahnen. Er berief die früher zu gleichem Zwecke gebildeten Kommissionen
ab, da sie nichts hatten ausrichten können. Der neuen aber ging es ebenso.
Die Majorität der Kommune, aus Blanquisten bestehend, wollte von diesen
nicht echt gefärbten Revolutionären nichts wissen. Doch wollte es der Föde¬
ralrath nicht zu völligem Bruche kommen lassen, und so forderte er die aus
dem Rathe der Kommune ausgetretenen, zur Minorität derselben gehörenden
Anhänger Proudhons, die zugleich zum Pariser Zweige der Internationale ge¬
hörten, in seiner Sitzung vom 20. Mai, also am Tage vor dem Einrücken der
Regierungstruppen in Paris, zur Rückkehr in den Schooß der Kommune auf."

Daß die Internationale keinen Einfluß auf die Revolution der Kommune
hatte, bezeugt auch Rössel, wenn er sagt: "Die Internationale ist nie ernstlich
in die Pariser Revolution eingetreten. Man sagt, sie habe Geld geschickt, aber
sie hatte offenbar in der Pariser Regierung eine ganz verschwindende Mino¬
rität." Gewiß, und was das Geldschicken betrifft, so hätte eher der Londoner
Generalrats von der Kommune, als diese von jenem Geld erhalten können;
denn die Kasse der Londoner Herren war gewöhnlich leer, besonders im Früh¬
jahr 1871. Mit vollem Rechte bemerkt Becker: "Der Arbeiterbewegung ist
es eigenthümlich, daß sie viel Spektakel machen muß. Ohne viel Lärm würden
die flugsandartigen, stets rollenden Elemente nicht durch die Bewegung geneigt
bleiben können. Wegen des Lärms sieht sie immer großartiger aus als sie
wirklich ist."

Wir schließen mit einigen Bemerkungen aus dem Rückblicke und dem Ge-
sammturtheile, mit dem der Verfasser diesen Theil seines Werkes beendigt. Die
Pariser Kommune hat nichts Rechtes geschaffen, sondern nur zerstört, weshalb
auch Marx in seiner (beiläufig recht abgeschmackten) Schrift über den fran¬
zösischen Bürgerkrieg sich zu dem sonderbaren Bekenntnisse gezwungen sieht: "Die
große soziale Maßregel der Kommune war ihre Existenz selber." Ihre Ma߬
regeln und Beschlüsse sind fast nichts als kunterbunte und stümperhafte Nach¬
ahmungen von Akten früherer Revolutionen. Mit Fieberhast jagten die un¬
reifen, sich oft gegenseitig widersprechenden Dekrete und Anordnungen hinter
einander her. Nur bei der Anreißung der Vendome-Säule, bei der Erschießung
der Geiseln und bei den Feuersbrünsten handelten die Kommunarden mit
Ueberlegung.

Nehmen wir die Kommune, wie sie sich in ihren offiziellen Akten zeigt,
so haben wir ein Programm mit folgenden Punkten vor uns: "Einführung
der unpassenden republikanischen Zeitrechnung vom Jahre 1792, ungeordnete
Volksvertretung ohne festes Wahlgesetz und ohne Wahltnrnus, Ausschluß der
Öffentlichkeit von den Verhandlungen der Volksvertreter, Einführung von Aus-


Kommission zu tagen und zwischen ihm und der Kommune eine Vermittelung
anzubahnen. Er berief die früher zu gleichem Zwecke gebildeten Kommissionen
ab, da sie nichts hatten ausrichten können. Der neuen aber ging es ebenso.
Die Majorität der Kommune, aus Blanquisten bestehend, wollte von diesen
nicht echt gefärbten Revolutionären nichts wissen. Doch wollte es der Föde¬
ralrath nicht zu völligem Bruche kommen lassen, und so forderte er die aus
dem Rathe der Kommune ausgetretenen, zur Minorität derselben gehörenden
Anhänger Proudhons, die zugleich zum Pariser Zweige der Internationale ge¬
hörten, in seiner Sitzung vom 20. Mai, also am Tage vor dem Einrücken der
Regierungstruppen in Paris, zur Rückkehr in den Schooß der Kommune auf."

Daß die Internationale keinen Einfluß auf die Revolution der Kommune
hatte, bezeugt auch Rössel, wenn er sagt: „Die Internationale ist nie ernstlich
in die Pariser Revolution eingetreten. Man sagt, sie habe Geld geschickt, aber
sie hatte offenbar in der Pariser Regierung eine ganz verschwindende Mino¬
rität." Gewiß, und was das Geldschicken betrifft, so hätte eher der Londoner
Generalrats von der Kommune, als diese von jenem Geld erhalten können;
denn die Kasse der Londoner Herren war gewöhnlich leer, besonders im Früh¬
jahr 1871. Mit vollem Rechte bemerkt Becker: „Der Arbeiterbewegung ist
es eigenthümlich, daß sie viel Spektakel machen muß. Ohne viel Lärm würden
die flugsandartigen, stets rollenden Elemente nicht durch die Bewegung geneigt
bleiben können. Wegen des Lärms sieht sie immer großartiger aus als sie
wirklich ist."

Wir schließen mit einigen Bemerkungen aus dem Rückblicke und dem Ge-
sammturtheile, mit dem der Verfasser diesen Theil seines Werkes beendigt. Die
Pariser Kommune hat nichts Rechtes geschaffen, sondern nur zerstört, weshalb
auch Marx in seiner (beiläufig recht abgeschmackten) Schrift über den fran¬
zösischen Bürgerkrieg sich zu dem sonderbaren Bekenntnisse gezwungen sieht: „Die
große soziale Maßregel der Kommune war ihre Existenz selber." Ihre Ma߬
regeln und Beschlüsse sind fast nichts als kunterbunte und stümperhafte Nach¬
ahmungen von Akten früherer Revolutionen. Mit Fieberhast jagten die un¬
reifen, sich oft gegenseitig widersprechenden Dekrete und Anordnungen hinter
einander her. Nur bei der Anreißung der Vendome-Säule, bei der Erschießung
der Geiseln und bei den Feuersbrünsten handelten die Kommunarden mit
Ueberlegung.

Nehmen wir die Kommune, wie sie sich in ihren offiziellen Akten zeigt,
so haben wir ein Programm mit folgenden Punkten vor uns: „Einführung
der unpassenden republikanischen Zeitrechnung vom Jahre 1792, ungeordnete
Volksvertretung ohne festes Wahlgesetz und ohne Wahltnrnus, Ausschluß der
Öffentlichkeit von den Verhandlungen der Volksvertreter, Einführung von Aus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/404>, abgerufen am 23.07.2024.