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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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zunächst richtete, gar nicht an den Reichstag gebracht worden, wäre auch sicher
nutzlos geblieben.

Unter solchen Verhältnissen versuchte der Kurerzkanzler, erfüllt von der
Idee einer nationalen, mit Kaiser und Reich im engsten Zusammenhange stehen¬
den Kirche, was in seinen Kräften stand, um eine Regelung der katholisch¬
deutschen Kirchenverhältnisse von Reichswegen herbeizuführen, Regensburg als
Metropole an die Stelle von Mainz zu setzen und von dem Besitzstande der
Kirche noch zu retten, was zu retten war. Vergleicht man die jammervolle
Niederlage, welche nach 1815 die! deutschen Einzelstaaten bei ihren Versuchen,
auf eigne Hand mit Rom sich zu verständigen, gegenüber der festgeschlossenen,
auf Jahrhunderte alter Tradition beruhenden römischen Kirche verdientermaßen
erlitten, und die nachtheiligen Wirkungen dieser Niederlage für das religiöse
und nationale Leben des katholischen Deutschland wie sür die Autorität staat¬
licher Gewalt, so wird man sehr geneigt sein, diesen letzten Versuch einer natio¬
nalen Kirchenpolitik mit einer gewissen Sympathie zu verfolgen, so wenig er
auch von Anfang an Aussicht auf Erfolg gehabt haben mag.

Dalbergs Gedanken einer Regelung durch Kaiser und Reich widersetzten sich
das Interesse und der Dünkel der Landesfürsten, vor allem Baierns; beide
führten zu dem Streben einer Regelung durch die landesherrliche Gewalt, und
dies mußte die Errichtung territorialer Diöcesen, die Ernennung und Besoldung
der Bischöfe von Staatswegen zur Folge haben.

Zunächst wünschte aber auch der Kaiser noch den ersten Weg einzuschlagen
und forderte deshalb den Erzkanzler auf, ihm in Einvernehmen mit Rom Vor¬
schläge in dieser Richtung zu machen (8. Januar 1803). Dieser wollte die
neuen Diöcesen an die alte Kreiseintheilung lehnen, wobei er freilich dem
Widerspruche Preußens und Oesterreichs zu begegnen fürchtete, und sandte
Mitte April seinen Vertrauten, den geistlichen Geheimrath Kolboru, zu den wei¬
teren Verhandlungen mit dem Kaiser und dem Papste nach Wien. Zunächst
handelte es sich darum, wenigstens die Verhältnisse der Regensburger Diöcese
zu ordnen. Wirklich ernannte der Papst Dalberg vorläufig zum Administrator
von Regensburg. Doch selbst hier trat der Partikularistische Standpunkt Baierns
scharf hervor. Hatte es sich schon vorher prinzipiell für einen Landeserzbischof
erklärt, so wahrte es jetzt seine "Rechte" dadurch, daß es am 19. September
den "Administrator" "aus landessürstlicher Macht" als solchen ausdrücklich
anerkannte, gegen allen Brauch, und eben deshalb wies ein Protest des Regens¬
burger Konsistoriums vom 17. Oktober jene "Anerkennung" scharf zurück.

Gelang es nicht einmal, diese Einzelfrage zu einer befriedigenden Lösung
zu bringen, so hatten die Verhandlungen mit Rom über ein gesammtdeutsches
Konkordat noch viel weniger Erfolg. Die von kaiserlicher Seite aufgestellten


Grenzboten IV. 1879. 47

zunächst richtete, gar nicht an den Reichstag gebracht worden, wäre auch sicher
nutzlos geblieben.

Unter solchen Verhältnissen versuchte der Kurerzkanzler, erfüllt von der
Idee einer nationalen, mit Kaiser und Reich im engsten Zusammenhange stehen¬
den Kirche, was in seinen Kräften stand, um eine Regelung der katholisch¬
deutschen Kirchenverhältnisse von Reichswegen herbeizuführen, Regensburg als
Metropole an die Stelle von Mainz zu setzen und von dem Besitzstande der
Kirche noch zu retten, was zu retten war. Vergleicht man die jammervolle
Niederlage, welche nach 1815 die! deutschen Einzelstaaten bei ihren Versuchen,
auf eigne Hand mit Rom sich zu verständigen, gegenüber der festgeschlossenen,
auf Jahrhunderte alter Tradition beruhenden römischen Kirche verdientermaßen
erlitten, und die nachtheiligen Wirkungen dieser Niederlage für das religiöse
und nationale Leben des katholischen Deutschland wie sür die Autorität staat¬
licher Gewalt, so wird man sehr geneigt sein, diesen letzten Versuch einer natio¬
nalen Kirchenpolitik mit einer gewissen Sympathie zu verfolgen, so wenig er
auch von Anfang an Aussicht auf Erfolg gehabt haben mag.

Dalbergs Gedanken einer Regelung durch Kaiser und Reich widersetzten sich
das Interesse und der Dünkel der Landesfürsten, vor allem Baierns; beide
führten zu dem Streben einer Regelung durch die landesherrliche Gewalt, und
dies mußte die Errichtung territorialer Diöcesen, die Ernennung und Besoldung
der Bischöfe von Staatswegen zur Folge haben.

Zunächst wünschte aber auch der Kaiser noch den ersten Weg einzuschlagen
und forderte deshalb den Erzkanzler auf, ihm in Einvernehmen mit Rom Vor¬
schläge in dieser Richtung zu machen (8. Januar 1803). Dieser wollte die
neuen Diöcesen an die alte Kreiseintheilung lehnen, wobei er freilich dem
Widerspruche Preußens und Oesterreichs zu begegnen fürchtete, und sandte
Mitte April seinen Vertrauten, den geistlichen Geheimrath Kolboru, zu den wei¬
teren Verhandlungen mit dem Kaiser und dem Papste nach Wien. Zunächst
handelte es sich darum, wenigstens die Verhältnisse der Regensburger Diöcese
zu ordnen. Wirklich ernannte der Papst Dalberg vorläufig zum Administrator
von Regensburg. Doch selbst hier trat der Partikularistische Standpunkt Baierns
scharf hervor. Hatte es sich schon vorher prinzipiell für einen Landeserzbischof
erklärt, so wahrte es jetzt seine „Rechte" dadurch, daß es am 19. September
den „Administrator" „aus landessürstlicher Macht" als solchen ausdrücklich
anerkannte, gegen allen Brauch, und eben deshalb wies ein Protest des Regens¬
burger Konsistoriums vom 17. Oktober jene „Anerkennung" scharf zurück.

Gelang es nicht einmal, diese Einzelfrage zu einer befriedigenden Lösung
zu bringen, so hatten die Verhandlungen mit Rom über ein gesammtdeutsches
Konkordat noch viel weniger Erfolg. Die von kaiserlicher Seite aufgestellten


Grenzboten IV. 1879. 47
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[0365] zunächst richtete, gar nicht an den Reichstag gebracht worden, wäre auch sicher nutzlos geblieben. Unter solchen Verhältnissen versuchte der Kurerzkanzler, erfüllt von der Idee einer nationalen, mit Kaiser und Reich im engsten Zusammenhange stehen¬ den Kirche, was in seinen Kräften stand, um eine Regelung der katholisch¬ deutschen Kirchenverhältnisse von Reichswegen herbeizuführen, Regensburg als Metropole an die Stelle von Mainz zu setzen und von dem Besitzstande der Kirche noch zu retten, was zu retten war. Vergleicht man die jammervolle Niederlage, welche nach 1815 die! deutschen Einzelstaaten bei ihren Versuchen, auf eigne Hand mit Rom sich zu verständigen, gegenüber der festgeschlossenen, auf Jahrhunderte alter Tradition beruhenden römischen Kirche verdientermaßen erlitten, und die nachtheiligen Wirkungen dieser Niederlage für das religiöse und nationale Leben des katholischen Deutschland wie sür die Autorität staat¬ licher Gewalt, so wird man sehr geneigt sein, diesen letzten Versuch einer natio¬ nalen Kirchenpolitik mit einer gewissen Sympathie zu verfolgen, so wenig er auch von Anfang an Aussicht auf Erfolg gehabt haben mag. Dalbergs Gedanken einer Regelung durch Kaiser und Reich widersetzten sich das Interesse und der Dünkel der Landesfürsten, vor allem Baierns; beide führten zu dem Streben einer Regelung durch die landesherrliche Gewalt, und dies mußte die Errichtung territorialer Diöcesen, die Ernennung und Besoldung der Bischöfe von Staatswegen zur Folge haben. Zunächst wünschte aber auch der Kaiser noch den ersten Weg einzuschlagen und forderte deshalb den Erzkanzler auf, ihm in Einvernehmen mit Rom Vor¬ schläge in dieser Richtung zu machen (8. Januar 1803). Dieser wollte die neuen Diöcesen an die alte Kreiseintheilung lehnen, wobei er freilich dem Widerspruche Preußens und Oesterreichs zu begegnen fürchtete, und sandte Mitte April seinen Vertrauten, den geistlichen Geheimrath Kolboru, zu den wei¬ teren Verhandlungen mit dem Kaiser und dem Papste nach Wien. Zunächst handelte es sich darum, wenigstens die Verhältnisse der Regensburger Diöcese zu ordnen. Wirklich ernannte der Papst Dalberg vorläufig zum Administrator von Regensburg. Doch selbst hier trat der Partikularistische Standpunkt Baierns scharf hervor. Hatte es sich schon vorher prinzipiell für einen Landeserzbischof erklärt, so wahrte es jetzt seine „Rechte" dadurch, daß es am 19. September den „Administrator" „aus landessürstlicher Macht" als solchen ausdrücklich anerkannte, gegen allen Brauch, und eben deshalb wies ein Protest des Regens¬ burger Konsistoriums vom 17. Oktober jene „Anerkennung" scharf zurück. Gelang es nicht einmal, diese Einzelfrage zu einer befriedigenden Lösung zu bringen, so hatten die Verhandlungen mit Rom über ein gesammtdeutsches Konkordat noch viel weniger Erfolg. Die von kaiserlicher Seite aufgestellten Grenzboten IV. 1879. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/365>, abgerufen am 23.07.2024.