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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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dert, im Februar nach Wien, um dort das Letzte zur Rettung zu versuchen.
Wirklich hatte er eine Audienz beim Kaiser, schlug dann nochmals schriftlich
eine österreichische Diktatur über Süddeutschland vor, ja er brachte in der be¬
liebten "größten Allgemeinheit" einen Entwurf zur Verbesserung der Reichs¬
verfassung zu Papier, an deren Erhaltung am allerwenigsten in Wien noch
jemand dachte, überreichte endlich eine Denkschrift über die Lage in Schwaben,
die lebhaft gegen den ganzen Grundsatz der Entschädigung protestirte; jeder
Stand sollte seinen Schaden tragen. Selbst zu Entwürfen über kirchliche Neu¬
gestaltungen in Süddeutschland fand sein beweglicher Geist Zeit und Stimmung.
Doch ging ihm hier in Wien auch die Ueberzeugung auf, daß nur ein enges
preußisch-österreichisches Bündniß Deutschland retten könne. Er verhandelte
darüber auch mit Graf Keller, dem preußischen Gesandten. Erst die Auflösung
des Kongresses von Rastatt (April 1799) und der Wiederausbruch des Krieges
veranlaßte seine Abberufung von Wien.

In den nächsten Jahren war Dalberg besonders für und in Constanz
thätig, dessen Bischofssitz er nach dem Tode des Vorgängers am 31. Dezember
1799 eingenommen hatte. Damals trat er auch in Verbindung mit Heinrich
v. Wessenberg und machte ihn zu seinem Generalvikar. An den Mainzer Ge¬
schäften betheiligte er sich nach wie vor nicht; nur meldete er dem Kurfürsten
ausführlich, was er irgend von den Zeitereignissen in Erfahrung bringen konnte.

Da enthüllte der Friede von Lüneville am 9. Februar 1801 die ganze
Größe der Gefahr für die geistlichen Staaten, indem er nur den Erbfürsten
Deutschlands Entschädigung für ihre linksrheinischen Gebiete zusicherte. Es war
in den Wind gesprochen, wenn Dalberg in einer besondern Schrift den Grundsatz
verfocht, daß die Säkularisation nur das "entbehrliche" Kirchengut treffen könne.
Der große Raubzug der weltlichen Fürsten gegen die geistlichen Staaten begann.

Noch in Lüneville hatte Oesterreich, um nicht vollständig seines geistlichen
Anhanges im Reiche beraubt zu werden, sich für die Erhaltung wenigstens der
drei geistlichen Kurfürstenthümer verwendet, aber keinerlei Zusicherungen in
Bezug auf sie erreicht. Trier war so wie so bereits verloren; auch für die
Erhaltung Kölns, von dessen Gebiet wenigstens ein beträchtlicher Theil rechts
vom Rheine lag, fiel der letzte Grund der Erhaltung weg, als der Kurfürst,
Erzherzog Max Josef, am 27. Juli 1801 starb. Es blieb also nur Mainz, das
freilich auch schon das ganze Territorium links vom Rheine mit der Hauptstadt
selbst eingebüßt hatte. Nun galt es wenigstens zu retten, was zu retten war.
Der Hofrath v. Cunibert ging nach Wien, nach Paris Graf Beust. Der letztere
betrat denselben Weg wie die kleinen weltlichen Reichsstände, welche in Paris
um Erhaltung oder Vergrößerung bettelten, den der Bestechung; er schloß mit
verschiedenen xsrsonQss osssutiollös förmliche Verträge über die Zahlung


dert, im Februar nach Wien, um dort das Letzte zur Rettung zu versuchen.
Wirklich hatte er eine Audienz beim Kaiser, schlug dann nochmals schriftlich
eine österreichische Diktatur über Süddeutschland vor, ja er brachte in der be¬
liebten „größten Allgemeinheit" einen Entwurf zur Verbesserung der Reichs¬
verfassung zu Papier, an deren Erhaltung am allerwenigsten in Wien noch
jemand dachte, überreichte endlich eine Denkschrift über die Lage in Schwaben,
die lebhaft gegen den ganzen Grundsatz der Entschädigung protestirte; jeder
Stand sollte seinen Schaden tragen. Selbst zu Entwürfen über kirchliche Neu¬
gestaltungen in Süddeutschland fand sein beweglicher Geist Zeit und Stimmung.
Doch ging ihm hier in Wien auch die Ueberzeugung auf, daß nur ein enges
preußisch-österreichisches Bündniß Deutschland retten könne. Er verhandelte
darüber auch mit Graf Keller, dem preußischen Gesandten. Erst die Auflösung
des Kongresses von Rastatt (April 1799) und der Wiederausbruch des Krieges
veranlaßte seine Abberufung von Wien.

In den nächsten Jahren war Dalberg besonders für und in Constanz
thätig, dessen Bischofssitz er nach dem Tode des Vorgängers am 31. Dezember
1799 eingenommen hatte. Damals trat er auch in Verbindung mit Heinrich
v. Wessenberg und machte ihn zu seinem Generalvikar. An den Mainzer Ge¬
schäften betheiligte er sich nach wie vor nicht; nur meldete er dem Kurfürsten
ausführlich, was er irgend von den Zeitereignissen in Erfahrung bringen konnte.

Da enthüllte der Friede von Lüneville am 9. Februar 1801 die ganze
Größe der Gefahr für die geistlichen Staaten, indem er nur den Erbfürsten
Deutschlands Entschädigung für ihre linksrheinischen Gebiete zusicherte. Es war
in den Wind gesprochen, wenn Dalberg in einer besondern Schrift den Grundsatz
verfocht, daß die Säkularisation nur das „entbehrliche" Kirchengut treffen könne.
Der große Raubzug der weltlichen Fürsten gegen die geistlichen Staaten begann.

Noch in Lüneville hatte Oesterreich, um nicht vollständig seines geistlichen
Anhanges im Reiche beraubt zu werden, sich für die Erhaltung wenigstens der
drei geistlichen Kurfürstenthümer verwendet, aber keinerlei Zusicherungen in
Bezug auf sie erreicht. Trier war so wie so bereits verloren; auch für die
Erhaltung Kölns, von dessen Gebiet wenigstens ein beträchtlicher Theil rechts
vom Rheine lag, fiel der letzte Grund der Erhaltung weg, als der Kurfürst,
Erzherzog Max Josef, am 27. Juli 1801 starb. Es blieb also nur Mainz, das
freilich auch schon das ganze Territorium links vom Rheine mit der Hauptstadt
selbst eingebüßt hatte. Nun galt es wenigstens zu retten, was zu retten war.
Der Hofrath v. Cunibert ging nach Wien, nach Paris Graf Beust. Der letztere
betrat denselben Weg wie die kleinen weltlichen Reichsstände, welche in Paris
um Erhaltung oder Vergrößerung bettelten, den der Bestechung; er schloß mit
verschiedenen xsrsonQss osssutiollös förmliche Verträge über die Zahlung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/360>, abgerufen am 24.07.2024.