Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

athmigen Proklamation, einem Musterstück Dalbergischen Stils, das feige Be¬
amten- und Priestervolk, welches im Oktober 1792 geflüchtet war, ob seiner
Anhänglichkeit an Fürst und Vaterland pries.

Inzwischen rückten noch drohendere Gefahren gegen die geistlichen Stifter
insgesammt heran. Im, Frieden von Basel war Preußen vom Kriege zurück¬
getreten und hatte in die eventuelle Abtretung des linken Rheinufers gegen
Entschädigung auf dem rechten gewilligt, und auch für Oesterreich handelte es
sich bei der Fortführung des Krieges keineswegs mehr um den Schutz der
Reichsgrenzen, sondern um eine möglichst ansehnliche Entschädigung für den
unabwendbaren Verlust Belgiens. Von diesen Plänen in der Wiener Hofburg
hatte Dalberg keine Ahnung, ja er kannte die leitenden Persönlichkeiten so
wenig, daß er Ende 1796 den Vorschlag machte, dem Erzherzog Karl die
Diktatur über Süddeutschland zu übertragen und dort ein Massenaufgebot zu
veranlassen! Selbst als Anfang 1797 beunruhigende Gerüchte über beabsichtigte
Säkularisationen umliefen, rieth Dalberg dem Domkapitel zu Constanz, wo er
durch einen längeren Aufenthalt im vergangenen Jahre seinen Einfluß vollends
befestigt hatte, sich mit den übrigen geistlichen Stiftern eng an das Haus
Oesterreich anzuschließen, denn die Gefahr drohe von dem protestantischen
Preußen und von Frankreich (Brief vom 3. März 1797). Ja sogar zu dem
Einfalle, russische Intervention zu erbitten, verführte die Angst die bedrängten
geistlichen Stände, und auch Dalberg wußte keinen bessern Rath, als diesen
abenteuerlichen Plan gutzuheißen (4. Juli 1797).

Freilich war von Oesterreich nichts mehr zu erwarten. Auch das Reichs¬
oberhaupt hatte das linke Rheinufer preisgegeben, damit den Grundsatz der
Entschädigung durch Säkularisationen gutgeheißen und als erster weltlicher
Reichsstand, der Zugriff, das reiche Erzstift Salzburg sich zusichern lassen.
Und als nun vollends auf dem Kongresse von Rastatt 1798/99 die französischen
Gesandten statt der "Integrität des Reiches", von der noch der Friedensvertrag
von Campo Formio wie zum Hohne geredet, die Abtretung des linken Rhein¬
ufers als Ausgangspunkt der Verhandlungen proklamirten, als dann dem ent¬
sprechend die kaiserlichen Truppen die Festungen links vom Strome räumten
und am 18. Dezember auch Mainz aufgaben, da mußten selbst dem Blödester
die Augen aufgehen. In wortreicher, aufrichtiger Entrüstung erging sich Dal¬
berg gegenüber dem Kurfürsten am 25. Dezember über diese Dinge, freilich
nur, um schon am nächsten Tage alles, was in diesem Briefe etwa zu heftig
gewesen, zurückzunehmen, da der Kurfürst ja die Räumung seiner Hauptstadt
gebilligt hatte.

Als Anfang 1799 die Gefahr der Vernichtung für die geistlichen Staaten
immer näher und näher rückte, da eilte Dalberg, mehrfach dringend aufgefor-


athmigen Proklamation, einem Musterstück Dalbergischen Stils, das feige Be¬
amten- und Priestervolk, welches im Oktober 1792 geflüchtet war, ob seiner
Anhänglichkeit an Fürst und Vaterland pries.

Inzwischen rückten noch drohendere Gefahren gegen die geistlichen Stifter
insgesammt heran. Im, Frieden von Basel war Preußen vom Kriege zurück¬
getreten und hatte in die eventuelle Abtretung des linken Rheinufers gegen
Entschädigung auf dem rechten gewilligt, und auch für Oesterreich handelte es
sich bei der Fortführung des Krieges keineswegs mehr um den Schutz der
Reichsgrenzen, sondern um eine möglichst ansehnliche Entschädigung für den
unabwendbaren Verlust Belgiens. Von diesen Plänen in der Wiener Hofburg
hatte Dalberg keine Ahnung, ja er kannte die leitenden Persönlichkeiten so
wenig, daß er Ende 1796 den Vorschlag machte, dem Erzherzog Karl die
Diktatur über Süddeutschland zu übertragen und dort ein Massenaufgebot zu
veranlassen! Selbst als Anfang 1797 beunruhigende Gerüchte über beabsichtigte
Säkularisationen umliefen, rieth Dalberg dem Domkapitel zu Constanz, wo er
durch einen längeren Aufenthalt im vergangenen Jahre seinen Einfluß vollends
befestigt hatte, sich mit den übrigen geistlichen Stiftern eng an das Haus
Oesterreich anzuschließen, denn die Gefahr drohe von dem protestantischen
Preußen und von Frankreich (Brief vom 3. März 1797). Ja sogar zu dem
Einfalle, russische Intervention zu erbitten, verführte die Angst die bedrängten
geistlichen Stände, und auch Dalberg wußte keinen bessern Rath, als diesen
abenteuerlichen Plan gutzuheißen (4. Juli 1797).

Freilich war von Oesterreich nichts mehr zu erwarten. Auch das Reichs¬
oberhaupt hatte das linke Rheinufer preisgegeben, damit den Grundsatz der
Entschädigung durch Säkularisationen gutgeheißen und als erster weltlicher
Reichsstand, der Zugriff, das reiche Erzstift Salzburg sich zusichern lassen.
Und als nun vollends auf dem Kongresse von Rastatt 1798/99 die französischen
Gesandten statt der „Integrität des Reiches", von der noch der Friedensvertrag
von Campo Formio wie zum Hohne geredet, die Abtretung des linken Rhein¬
ufers als Ausgangspunkt der Verhandlungen proklamirten, als dann dem ent¬
sprechend die kaiserlichen Truppen die Festungen links vom Strome räumten
und am 18. Dezember auch Mainz aufgaben, da mußten selbst dem Blödester
die Augen aufgehen. In wortreicher, aufrichtiger Entrüstung erging sich Dal¬
berg gegenüber dem Kurfürsten am 25. Dezember über diese Dinge, freilich
nur, um schon am nächsten Tage alles, was in diesem Briefe etwa zu heftig
gewesen, zurückzunehmen, da der Kurfürst ja die Räumung seiner Hauptstadt
gebilligt hatte.

Als Anfang 1799 die Gefahr der Vernichtung für die geistlichen Staaten
immer näher und näher rückte, da eilte Dalberg, mehrfach dringend aufgefor-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0359" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/143414"/>
          <p xml:id="ID_1076" prev="#ID_1075"> athmigen Proklamation, einem Musterstück Dalbergischen Stils, das feige Be¬<lb/>
amten- und Priestervolk, welches im Oktober 1792 geflüchtet war, ob seiner<lb/>
Anhänglichkeit an Fürst und Vaterland pries.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1077"> Inzwischen rückten noch drohendere Gefahren gegen die geistlichen Stifter<lb/>
insgesammt heran. Im, Frieden von Basel war Preußen vom Kriege zurück¬<lb/>
getreten und hatte in die eventuelle Abtretung des linken Rheinufers gegen<lb/>
Entschädigung auf dem rechten gewilligt, und auch für Oesterreich handelte es<lb/>
sich bei der Fortführung des Krieges keineswegs mehr um den Schutz der<lb/>
Reichsgrenzen, sondern um eine möglichst ansehnliche Entschädigung für den<lb/>
unabwendbaren Verlust Belgiens. Von diesen Plänen in der Wiener Hofburg<lb/>
hatte Dalberg keine Ahnung, ja er kannte die leitenden Persönlichkeiten so<lb/>
wenig, daß er Ende 1796 den Vorschlag machte, dem Erzherzog Karl die<lb/>
Diktatur über Süddeutschland zu übertragen und dort ein Massenaufgebot zu<lb/>
veranlassen! Selbst als Anfang 1797 beunruhigende Gerüchte über beabsichtigte<lb/>
Säkularisationen umliefen, rieth Dalberg dem Domkapitel zu Constanz, wo er<lb/>
durch einen längeren Aufenthalt im vergangenen Jahre seinen Einfluß vollends<lb/>
befestigt hatte, sich mit den übrigen geistlichen Stiftern eng an das Haus<lb/>
Oesterreich anzuschließen, denn die Gefahr drohe von dem protestantischen<lb/>
Preußen und von Frankreich (Brief vom 3. März 1797). Ja sogar zu dem<lb/>
Einfalle, russische Intervention zu erbitten, verführte die Angst die bedrängten<lb/>
geistlichen Stände, und auch Dalberg wußte keinen bessern Rath, als diesen<lb/>
abenteuerlichen Plan gutzuheißen (4. Juli 1797).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1078"> Freilich war von Oesterreich nichts mehr zu erwarten. Auch das Reichs¬<lb/>
oberhaupt hatte das linke Rheinufer preisgegeben, damit den Grundsatz der<lb/>
Entschädigung durch Säkularisationen gutgeheißen und als erster weltlicher<lb/>
Reichsstand, der Zugriff, das reiche Erzstift Salzburg sich zusichern lassen.<lb/>
Und als nun vollends auf dem Kongresse von Rastatt 1798/99 die französischen<lb/>
Gesandten statt der &#x201E;Integrität des Reiches", von der noch der Friedensvertrag<lb/>
von Campo Formio wie zum Hohne geredet, die Abtretung des linken Rhein¬<lb/>
ufers als Ausgangspunkt der Verhandlungen proklamirten, als dann dem ent¬<lb/>
sprechend die kaiserlichen Truppen die Festungen links vom Strome räumten<lb/>
und am 18. Dezember auch Mainz aufgaben, da mußten selbst dem Blödester<lb/>
die Augen aufgehen. In wortreicher, aufrichtiger Entrüstung erging sich Dal¬<lb/>
berg gegenüber dem Kurfürsten am 25. Dezember über diese Dinge, freilich<lb/>
nur, um schon am nächsten Tage alles, was in diesem Briefe etwa zu heftig<lb/>
gewesen, zurückzunehmen, da der Kurfürst ja die Räumung seiner Hauptstadt<lb/>
gebilligt hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1079" next="#ID_1080"> Als Anfang 1799 die Gefahr der Vernichtung für die geistlichen Staaten<lb/>
immer näher und näher rückte, da eilte Dalberg, mehrfach dringend aufgefor-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0359] athmigen Proklamation, einem Musterstück Dalbergischen Stils, das feige Be¬ amten- und Priestervolk, welches im Oktober 1792 geflüchtet war, ob seiner Anhänglichkeit an Fürst und Vaterland pries. Inzwischen rückten noch drohendere Gefahren gegen die geistlichen Stifter insgesammt heran. Im, Frieden von Basel war Preußen vom Kriege zurück¬ getreten und hatte in die eventuelle Abtretung des linken Rheinufers gegen Entschädigung auf dem rechten gewilligt, und auch für Oesterreich handelte es sich bei der Fortführung des Krieges keineswegs mehr um den Schutz der Reichsgrenzen, sondern um eine möglichst ansehnliche Entschädigung für den unabwendbaren Verlust Belgiens. Von diesen Plänen in der Wiener Hofburg hatte Dalberg keine Ahnung, ja er kannte die leitenden Persönlichkeiten so wenig, daß er Ende 1796 den Vorschlag machte, dem Erzherzog Karl die Diktatur über Süddeutschland zu übertragen und dort ein Massenaufgebot zu veranlassen! Selbst als Anfang 1797 beunruhigende Gerüchte über beabsichtigte Säkularisationen umliefen, rieth Dalberg dem Domkapitel zu Constanz, wo er durch einen längeren Aufenthalt im vergangenen Jahre seinen Einfluß vollends befestigt hatte, sich mit den übrigen geistlichen Stiftern eng an das Haus Oesterreich anzuschließen, denn die Gefahr drohe von dem protestantischen Preußen und von Frankreich (Brief vom 3. März 1797). Ja sogar zu dem Einfalle, russische Intervention zu erbitten, verführte die Angst die bedrängten geistlichen Stände, und auch Dalberg wußte keinen bessern Rath, als diesen abenteuerlichen Plan gutzuheißen (4. Juli 1797). Freilich war von Oesterreich nichts mehr zu erwarten. Auch das Reichs¬ oberhaupt hatte das linke Rheinufer preisgegeben, damit den Grundsatz der Entschädigung durch Säkularisationen gutgeheißen und als erster weltlicher Reichsstand, der Zugriff, das reiche Erzstift Salzburg sich zusichern lassen. Und als nun vollends auf dem Kongresse von Rastatt 1798/99 die französischen Gesandten statt der „Integrität des Reiches", von der noch der Friedensvertrag von Campo Formio wie zum Hohne geredet, die Abtretung des linken Rhein¬ ufers als Ausgangspunkt der Verhandlungen proklamirten, als dann dem ent¬ sprechend die kaiserlichen Truppen die Festungen links vom Strome räumten und am 18. Dezember auch Mainz aufgaben, da mußten selbst dem Blödester die Augen aufgehen. In wortreicher, aufrichtiger Entrüstung erging sich Dal¬ berg gegenüber dem Kurfürsten am 25. Dezember über diese Dinge, freilich nur, um schon am nächsten Tage alles, was in diesem Briefe etwa zu heftig gewesen, zurückzunehmen, da der Kurfürst ja die Räumung seiner Hauptstadt gebilligt hatte. Als Anfang 1799 die Gefahr der Vernichtung für die geistlichen Staaten immer näher und näher rückte, da eilte Dalberg, mehrfach dringend aufgefor-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/359
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/359>, abgerufen am 24.07.2024.