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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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hin, darüber hinaus in die röthlichgrüne Ebene bis zur fernen Sierra im
Norden und zum blauen Meere im Süden. Der Palmenwald ist nahezu kreis¬
rund, mag einen Durchmesser von etwa drei Kilometern haben und grenzt scharf
gegen die Ebene ab. Von den dazwischen liegenden Häusern der Stadt sieht
man nur die zunächst gelegenen; sie zeigen ihre Platformen, die ebenen, ziegel¬
gepflasterten Dächer, auf denen sich theilweise Szenen des häuslichen Lebens
abspielen.

Von diesen ganz unter Palmen versteckten Menschenwohnungen zog nament¬
lich eine unser Augenmerk auf sich, ein burgartiges Gemäuer, mit Kuppeln
und Thürmchen, mitten darin ein Hof, von hufeisenförmigen Arkaden umspannt,
festungartig aufragend und hie und da in zierlich geschwungenen Linien Koran¬
sprüche tragend. Es ist die Calandura, ehedem die maurische Fürstenburg von
Elche, jetzt ein Gefängniß, aber noch immer ein vorzüglich erhaltenes Denkmal
arabischer Baukunst. Wie schmiegen sich die schlanken Palmen an sie! Wie
fächeln sie mit ihren zierlichen Wedeln dem alten, gelbgrauen Gemäuer Kühlung
zu! -- beide die Ueberbleibsel jener hochentwickelten arabischen Kultur, die
heute noch den schönsten Schmuck der spanischen Erde bilden. Fürwahr, es
bedarf keiner allzu lebhaften Phantasie, um auf jenen Terrassen im Halbdunkel
der Hufeisenbogen den schlanken Maurenfürsten lustwandeln zu sehen, mitten
unter seinen schönen Frauen, ihren Sang und das Saitenspiel zu erlauschen,
das an unser Ohr schlägt. Und doch ist es nichts als das melodische Rau¬
schen der unzähligen Palmenwedel im lauen West, der durch die grünen
Wipfel streicht.

Herabgestiegen von der Thurmeshöhe, durchstreiften wir den Palmenhain.
Welch ein unsagbarer Reiz, hier zu lustwandeln! Unzählige schmale Fußwege
Mängeln sich zwischen den Einzelgehöften hin, nirgends hemmt ein Hag oder
eine Mauer Schritt und Ausblick. Ueberall süßes Gemurmel kristallhellen,
aber salzigen Wassers, das, aus der Sierra in uralter arabischer Leitung her¬
geführt, den Boden fo üppig düngt. Nur das Gewirr der schlanken Stämme,
die sich in einiger Entfernung an einander zu schließen scheinen, begrenzt das
Auge. Oben lacht durch das grüne Laubdach das dunkle Blau des Himmels.
Ueberall liegt das Sonnengold auf der Erde und auf den röthlichbraunen,
schuppigen Stämmen, die uns das beste Verständniß der hohen arabischen Säulen¬
hallen bieten. Kein Fleckchen Landes ist unbebaut; von den herrlichsten dunkel¬
grünen, in vollster Blüthe stehenden Kleematten, der fast schon in Halme schießen¬
den Kornsaat, den feinsten Gartengemüsen, blühenden Bohnenranken, bis zu
der noch niedrigen Baumwollenstaude und dem schon gelblich gebleichten Zucker¬
rohr, sproßt und lebt Alles unter dem luftigen Dache des Palmenhaines. Hier
ruht die Erde nie von ihrer Arbeit, Blüthe folgt ans Frucht, und kaum ist


hin, darüber hinaus in die röthlichgrüne Ebene bis zur fernen Sierra im
Norden und zum blauen Meere im Süden. Der Palmenwald ist nahezu kreis¬
rund, mag einen Durchmesser von etwa drei Kilometern haben und grenzt scharf
gegen die Ebene ab. Von den dazwischen liegenden Häusern der Stadt sieht
man nur die zunächst gelegenen; sie zeigen ihre Platformen, die ebenen, ziegel¬
gepflasterten Dächer, auf denen sich theilweise Szenen des häuslichen Lebens
abspielen.

Von diesen ganz unter Palmen versteckten Menschenwohnungen zog nament¬
lich eine unser Augenmerk auf sich, ein burgartiges Gemäuer, mit Kuppeln
und Thürmchen, mitten darin ein Hof, von hufeisenförmigen Arkaden umspannt,
festungartig aufragend und hie und da in zierlich geschwungenen Linien Koran¬
sprüche tragend. Es ist die Calandura, ehedem die maurische Fürstenburg von
Elche, jetzt ein Gefängniß, aber noch immer ein vorzüglich erhaltenes Denkmal
arabischer Baukunst. Wie schmiegen sich die schlanken Palmen an sie! Wie
fächeln sie mit ihren zierlichen Wedeln dem alten, gelbgrauen Gemäuer Kühlung
zu! — beide die Ueberbleibsel jener hochentwickelten arabischen Kultur, die
heute noch den schönsten Schmuck der spanischen Erde bilden. Fürwahr, es
bedarf keiner allzu lebhaften Phantasie, um auf jenen Terrassen im Halbdunkel
der Hufeisenbogen den schlanken Maurenfürsten lustwandeln zu sehen, mitten
unter seinen schönen Frauen, ihren Sang und das Saitenspiel zu erlauschen,
das an unser Ohr schlägt. Und doch ist es nichts als das melodische Rau¬
schen der unzähligen Palmenwedel im lauen West, der durch die grünen
Wipfel streicht.

Herabgestiegen von der Thurmeshöhe, durchstreiften wir den Palmenhain.
Welch ein unsagbarer Reiz, hier zu lustwandeln! Unzählige schmale Fußwege
Mängeln sich zwischen den Einzelgehöften hin, nirgends hemmt ein Hag oder
eine Mauer Schritt und Ausblick. Ueberall süßes Gemurmel kristallhellen,
aber salzigen Wassers, das, aus der Sierra in uralter arabischer Leitung her¬
geführt, den Boden fo üppig düngt. Nur das Gewirr der schlanken Stämme,
die sich in einiger Entfernung an einander zu schließen scheinen, begrenzt das
Auge. Oben lacht durch das grüne Laubdach das dunkle Blau des Himmels.
Ueberall liegt das Sonnengold auf der Erde und auf den röthlichbraunen,
schuppigen Stämmen, die uns das beste Verständniß der hohen arabischen Säulen¬
hallen bieten. Kein Fleckchen Landes ist unbebaut; von den herrlichsten dunkel¬
grünen, in vollster Blüthe stehenden Kleematten, der fast schon in Halme schießen¬
den Kornsaat, den feinsten Gartengemüsen, blühenden Bohnenranken, bis zu
der noch niedrigen Baumwollenstaude und dem schon gelblich gebleichten Zucker¬
rohr, sproßt und lebt Alles unter dem luftigen Dache des Palmenhaines. Hier
ruht die Erde nie von ihrer Arbeit, Blüthe folgt ans Frucht, und kaum ist


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/295>, abgerufen am 23.07.2024.