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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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das Korn eingeheimst, so sproßt auch schon auf der gleichen Stelle das Zucker¬
rohr empor. Hie und da sahen wir durch das hufeisenförmige Thor eines
Hauses in den xatio hinein, den arabischen Hofraum, mit rundem Wasserbecken,
an dem sich blühende Rosen und über und über mit duftenden Blüthen bedeckte,
fast wildwuchernde Heliotropen hinaufrankten; oder eine heitere Gruppe dunkel-
äugiger Mädchen, frische Feldblumen in den Haaren, wuschen kauernd an
einem der hundert Bäche, welche das Land zugleich bewässern und abtheilen,
und riefen, laut lachend und dabei ihre prachtvollen Zähne zeigend, den oadal-
leros InAls808 (denn ein solcher ist jeder zu seinem Vergnügen in Spanien
reisende) unverstandene Scherzreden herüber.

An unsere Fersen hatte sich nach und nach eine Schaar dunkler Locken¬
köpfe geheftet, schreiende Knaben in malerischen Lumpen, die uns ihre Cicerone¬
dienste anboten. Vor ihnen rettete uns unser Pferde- und Reiseführer in
den xatio eines solchen Palmenbaumhauses. Er war der wunderthätigen Santa,
VirMn als DIons geweiht, und der Pächter der "hohen Frau" und seine Leute
waren gerade mit der Dattelernte beschäftigt. In hohen Haufen lagen die
Datteln überall herum, sorgfältig auf grünen Binsenmatten (den ssxartos)
aufgeschüttet, um sortirt zu werden. Man machte drei Klassen, große, mittlere
und kleine; alle aber hatten eine wachsgelbe Farbe und waren noch hart.
Es sind das die zum Export bestimmten Früchte. Die im Lande bleibenden
werden erst, wenn sie vollkommen ausgereift sind, d. h. im tiefbraunen, weichen
Zustande, von den Bäumen genommen. Nach der Sortirung legt man die
Datteln in eine Flüssigkeit, deren Zusammensetzung uns Geheimniß blieb,
und aus der sie erweicht und gebräunt hervorgehen, um sofort getrocknet, in
Espartokörbe verpackt und versandt zu werden.

Wir traten in den Palmengarten dieser, der heiligen Jungfrau eigenthüm¬
lichen Besitzung hinaus, einen weiten Anger voll sprossenden Getreides, grüner
Kleewiesen und junger Baumwollenstauden, Alles überragt von den schlanken
Bäumen, die wir nun recht mit Muße in der nächsten Nähe betrachten konnten.
Da waren zuerst die jungen Sprößlinge, die man meist aus den Wurzelab¬
legern zieht, in allen Größen, großen Schilfpflanzen vergleichbar; dann wurde
der Stamm der Erwachsenen betrachtet, mit tausendfältigen, breiten Narben
bis hinauf besetzt, welche die Stellen bezeichnen, an denen je eines der vier
bis fünf Meter langen, gefiederten Blätter gesessen hat. Denn eigentlich ist ja
der ganze Palmenstamm, ein so festes Holz er auch darstellt, nichts als ein
Bündel von Blattstiel-Resten, aus deren Mitte sich die jüngeren Blätter all¬
jährlich höher heben und allmählich jene schlanken, rauhnarbigen, bis dreißig
Meter hohen Säulen bilden. Ganz oben zwischen den Blattstielen hängen die
wachsgelben, mächtigen Datteltrauben herab, deren eine allein bisweilen an


das Korn eingeheimst, so sproßt auch schon auf der gleichen Stelle das Zucker¬
rohr empor. Hie und da sahen wir durch das hufeisenförmige Thor eines
Hauses in den xatio hinein, den arabischen Hofraum, mit rundem Wasserbecken,
an dem sich blühende Rosen und über und über mit duftenden Blüthen bedeckte,
fast wildwuchernde Heliotropen hinaufrankten; oder eine heitere Gruppe dunkel-
äugiger Mädchen, frische Feldblumen in den Haaren, wuschen kauernd an
einem der hundert Bäche, welche das Land zugleich bewässern und abtheilen,
und riefen, laut lachend und dabei ihre prachtvollen Zähne zeigend, den oadal-
leros InAls808 (denn ein solcher ist jeder zu seinem Vergnügen in Spanien
reisende) unverstandene Scherzreden herüber.

An unsere Fersen hatte sich nach und nach eine Schaar dunkler Locken¬
köpfe geheftet, schreiende Knaben in malerischen Lumpen, die uns ihre Cicerone¬
dienste anboten. Vor ihnen rettete uns unser Pferde- und Reiseführer in
den xatio eines solchen Palmenbaumhauses. Er war der wunderthätigen Santa,
VirMn als DIons geweiht, und der Pächter der „hohen Frau" und seine Leute
waren gerade mit der Dattelernte beschäftigt. In hohen Haufen lagen die
Datteln überall herum, sorgfältig auf grünen Binsenmatten (den ssxartos)
aufgeschüttet, um sortirt zu werden. Man machte drei Klassen, große, mittlere
und kleine; alle aber hatten eine wachsgelbe Farbe und waren noch hart.
Es sind das die zum Export bestimmten Früchte. Die im Lande bleibenden
werden erst, wenn sie vollkommen ausgereift sind, d. h. im tiefbraunen, weichen
Zustande, von den Bäumen genommen. Nach der Sortirung legt man die
Datteln in eine Flüssigkeit, deren Zusammensetzung uns Geheimniß blieb,
und aus der sie erweicht und gebräunt hervorgehen, um sofort getrocknet, in
Espartokörbe verpackt und versandt zu werden.

Wir traten in den Palmengarten dieser, der heiligen Jungfrau eigenthüm¬
lichen Besitzung hinaus, einen weiten Anger voll sprossenden Getreides, grüner
Kleewiesen und junger Baumwollenstauden, Alles überragt von den schlanken
Bäumen, die wir nun recht mit Muße in der nächsten Nähe betrachten konnten.
Da waren zuerst die jungen Sprößlinge, die man meist aus den Wurzelab¬
legern zieht, in allen Größen, großen Schilfpflanzen vergleichbar; dann wurde
der Stamm der Erwachsenen betrachtet, mit tausendfältigen, breiten Narben
bis hinauf besetzt, welche die Stellen bezeichnen, an denen je eines der vier
bis fünf Meter langen, gefiederten Blätter gesessen hat. Denn eigentlich ist ja
der ganze Palmenstamm, ein so festes Holz er auch darstellt, nichts als ein
Bündel von Blattstiel-Resten, aus deren Mitte sich die jüngeren Blätter all¬
jährlich höher heben und allmählich jene schlanken, rauhnarbigen, bis dreißig
Meter hohen Säulen bilden. Ganz oben zwischen den Blattstielen hängen die
wachsgelben, mächtigen Datteltrauben herab, deren eine allein bisweilen an


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[0296] das Korn eingeheimst, so sproßt auch schon auf der gleichen Stelle das Zucker¬ rohr empor. Hie und da sahen wir durch das hufeisenförmige Thor eines Hauses in den xatio hinein, den arabischen Hofraum, mit rundem Wasserbecken, an dem sich blühende Rosen und über und über mit duftenden Blüthen bedeckte, fast wildwuchernde Heliotropen hinaufrankten; oder eine heitere Gruppe dunkel- äugiger Mädchen, frische Feldblumen in den Haaren, wuschen kauernd an einem der hundert Bäche, welche das Land zugleich bewässern und abtheilen, und riefen, laut lachend und dabei ihre prachtvollen Zähne zeigend, den oadal- leros InAls808 (denn ein solcher ist jeder zu seinem Vergnügen in Spanien reisende) unverstandene Scherzreden herüber. An unsere Fersen hatte sich nach und nach eine Schaar dunkler Locken¬ köpfe geheftet, schreiende Knaben in malerischen Lumpen, die uns ihre Cicerone¬ dienste anboten. Vor ihnen rettete uns unser Pferde- und Reiseführer in den xatio eines solchen Palmenbaumhauses. Er war der wunderthätigen Santa, VirMn als DIons geweiht, und der Pächter der „hohen Frau" und seine Leute waren gerade mit der Dattelernte beschäftigt. In hohen Haufen lagen die Datteln überall herum, sorgfältig auf grünen Binsenmatten (den ssxartos) aufgeschüttet, um sortirt zu werden. Man machte drei Klassen, große, mittlere und kleine; alle aber hatten eine wachsgelbe Farbe und waren noch hart. Es sind das die zum Export bestimmten Früchte. Die im Lande bleibenden werden erst, wenn sie vollkommen ausgereift sind, d. h. im tiefbraunen, weichen Zustande, von den Bäumen genommen. Nach der Sortirung legt man die Datteln in eine Flüssigkeit, deren Zusammensetzung uns Geheimniß blieb, und aus der sie erweicht und gebräunt hervorgehen, um sofort getrocknet, in Espartokörbe verpackt und versandt zu werden. Wir traten in den Palmengarten dieser, der heiligen Jungfrau eigenthüm¬ lichen Besitzung hinaus, einen weiten Anger voll sprossenden Getreides, grüner Kleewiesen und junger Baumwollenstauden, Alles überragt von den schlanken Bäumen, die wir nun recht mit Muße in der nächsten Nähe betrachten konnten. Da waren zuerst die jungen Sprößlinge, die man meist aus den Wurzelab¬ legern zieht, in allen Größen, großen Schilfpflanzen vergleichbar; dann wurde der Stamm der Erwachsenen betrachtet, mit tausendfältigen, breiten Narben bis hinauf besetzt, welche die Stellen bezeichnen, an denen je eines der vier bis fünf Meter langen, gefiederten Blätter gesessen hat. Denn eigentlich ist ja der ganze Palmenstamm, ein so festes Holz er auch darstellt, nichts als ein Bündel von Blattstiel-Resten, aus deren Mitte sich die jüngeren Blätter all¬ jährlich höher heben und allmählich jene schlanken, rauhnarbigen, bis dreißig Meter hohen Säulen bilden. Ganz oben zwischen den Blattstielen hängen die wachsgelben, mächtigen Datteltrauben herab, deren eine allein bisweilen an

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/296>, abgerufen am 23.07.2024.