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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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sinnungsvolle Schwenkung machen als die Leitung der Stimmen des Landes
verlieren.

Diesen prononcirten Charakter erhält die Zeitung wohl kaum von ihrem
verantwortlichen Redakteur. Derselbe besitzt eine große Buchhandlung, außer¬
dem einen ansehnlichen Verlag und eine Druckerei, deren Blüthe einzig das
Resultat seiner rührigen Thätigkeit ist. In Druck und Verlag, hat er -- im
Vorbeigehen gesagt -- auch eine "Jllustrirte Vierzeitung", die sich zur Aufgabe
macht, die meist faden, bisweilen geradezu albernen Scherze und Späße aus
den Kreisen der Studenten und Bierphilister jedermann zugänglich zu machen.
In der That eine sonderbare Idee das, eine "Bierzeitung" drucken zu lassen!
Kurz und gut, Herr Hofbuchhäudler Bombe hat jedenfalls nicht die Zeit, die
"A. Z." allein zu redigiren; er hat vielmehr eine Anzahl Gehilfen, welche die
eigentlichen Leiter der prononcirten Färbung des Blattes sind. Diese guten
Freunde, welche auch die Kommunalwahlen in der Stadt Altenburg zu leiten
pflegen, gehören meist Coterien an, die im Stillen sehr thätig sind, um ihren
Einfluß nach allen Seiten hin auszudehnen, und denen sich in der That wenig¬
stens in der Hauptstadt (wahrscheinlich auch in den Provinzialstädten) nnr
wenige zu entziehen vermögen. So ist die "A. Z." das ausgesprochene und
ausgeprägte Organ der nationalliberalen Partei im Lande.

Allein, dies ist nicht der einzige Charakter der Zeitung. Da es kein offi¬
zielles oder offiziöses Organ gibt (das Amtsblatt enthält außer den eigentlich
amtlichen Nachrichten nur Annoncen), so dient sie vorkommenden Falls auch
als offiziöse Zeitung. Daß die Regierung eine Nachricht, insbesondere eine
Richtigstellung verbreitet wissen will, welche Parteiblätter von selbst nicht leicht
bringen, dieser Fall kommt hier nicht häufig, aber doch bisweilen vor, und für
diese Fälle steht eben nur die ,.A. Z." zur Verfügung. Als vor einer Reihe
von Jahren die "A. Z." einen Artikel brachte, welcher von Altenburg -- jeden¬
falls aus ihren Kreisen -- an eine auswärtige Zeitung geschickt worden war,
und in welchem der Minister v. Gerstenbergk als unfähig für seinen Posten
hingestellt wurde, da tauchte allerdings einmal die Idee auf, dem Amtsblatte
eine politische Beilage beizugeben, damit die Regierung nicht von einem Blatte
abhängig sei, das dieselbe unter Umständen bekämpfe; die Ausführung unter-
blieb aber damals, jedenfalls in der Erwartung, daß die "A. Z." der Regie¬
rung unter Umständen zur Verfügung stehen und sie nicht bekämpfen werde,
was auch in der That unter der Geschäftsleituug Gerstenbergks nicht wieder
vorgekommen ist. Wie wenig man sich aber in dieser Beziehung ans das lei¬
tende Organ verlassen kann, zeigt folgender Fall. Im Frühjahr d. I. starb
der Generalsuperintendent Dr. Braune, ein Mann, der wegen seiner Thätigkeit
als Theolog weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt ist, und dessen


sinnungsvolle Schwenkung machen als die Leitung der Stimmen des Landes
verlieren.

Diesen prononcirten Charakter erhält die Zeitung wohl kaum von ihrem
verantwortlichen Redakteur. Derselbe besitzt eine große Buchhandlung, außer¬
dem einen ansehnlichen Verlag und eine Druckerei, deren Blüthe einzig das
Resultat seiner rührigen Thätigkeit ist. In Druck und Verlag, hat er — im
Vorbeigehen gesagt — auch eine „Jllustrirte Vierzeitung", die sich zur Aufgabe
macht, die meist faden, bisweilen geradezu albernen Scherze und Späße aus
den Kreisen der Studenten und Bierphilister jedermann zugänglich zu machen.
In der That eine sonderbare Idee das, eine „Bierzeitung" drucken zu lassen!
Kurz und gut, Herr Hofbuchhäudler Bombe hat jedenfalls nicht die Zeit, die
„A. Z." allein zu redigiren; er hat vielmehr eine Anzahl Gehilfen, welche die
eigentlichen Leiter der prononcirten Färbung des Blattes sind. Diese guten
Freunde, welche auch die Kommunalwahlen in der Stadt Altenburg zu leiten
pflegen, gehören meist Coterien an, die im Stillen sehr thätig sind, um ihren
Einfluß nach allen Seiten hin auszudehnen, und denen sich in der That wenig¬
stens in der Hauptstadt (wahrscheinlich auch in den Provinzialstädten) nnr
wenige zu entziehen vermögen. So ist die „A. Z." das ausgesprochene und
ausgeprägte Organ der nationalliberalen Partei im Lande.

Allein, dies ist nicht der einzige Charakter der Zeitung. Da es kein offi¬
zielles oder offiziöses Organ gibt (das Amtsblatt enthält außer den eigentlich
amtlichen Nachrichten nur Annoncen), so dient sie vorkommenden Falls auch
als offiziöse Zeitung. Daß die Regierung eine Nachricht, insbesondere eine
Richtigstellung verbreitet wissen will, welche Parteiblätter von selbst nicht leicht
bringen, dieser Fall kommt hier nicht häufig, aber doch bisweilen vor, und für
diese Fälle steht eben nur die ,.A. Z." zur Verfügung. Als vor einer Reihe
von Jahren die „A. Z." einen Artikel brachte, welcher von Altenburg — jeden¬
falls aus ihren Kreisen — an eine auswärtige Zeitung geschickt worden war,
und in welchem der Minister v. Gerstenbergk als unfähig für seinen Posten
hingestellt wurde, da tauchte allerdings einmal die Idee auf, dem Amtsblatte
eine politische Beilage beizugeben, damit die Regierung nicht von einem Blatte
abhängig sei, das dieselbe unter Umständen bekämpfe; die Ausführung unter-
blieb aber damals, jedenfalls in der Erwartung, daß die „A. Z." der Regie¬
rung unter Umständen zur Verfügung stehen und sie nicht bekämpfen werde,
was auch in der That unter der Geschäftsleituug Gerstenbergks nicht wieder
vorgekommen ist. Wie wenig man sich aber in dieser Beziehung ans das lei¬
tende Organ verlassen kann, zeigt folgender Fall. Im Frühjahr d. I. starb
der Generalsuperintendent Dr. Braune, ein Mann, der wegen seiner Thätigkeit
als Theolog weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt ist, und dessen


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[0254] sinnungsvolle Schwenkung machen als die Leitung der Stimmen des Landes verlieren. Diesen prononcirten Charakter erhält die Zeitung wohl kaum von ihrem verantwortlichen Redakteur. Derselbe besitzt eine große Buchhandlung, außer¬ dem einen ansehnlichen Verlag und eine Druckerei, deren Blüthe einzig das Resultat seiner rührigen Thätigkeit ist. In Druck und Verlag, hat er — im Vorbeigehen gesagt — auch eine „Jllustrirte Vierzeitung", die sich zur Aufgabe macht, die meist faden, bisweilen geradezu albernen Scherze und Späße aus den Kreisen der Studenten und Bierphilister jedermann zugänglich zu machen. In der That eine sonderbare Idee das, eine „Bierzeitung" drucken zu lassen! Kurz und gut, Herr Hofbuchhäudler Bombe hat jedenfalls nicht die Zeit, die „A. Z." allein zu redigiren; er hat vielmehr eine Anzahl Gehilfen, welche die eigentlichen Leiter der prononcirten Färbung des Blattes sind. Diese guten Freunde, welche auch die Kommunalwahlen in der Stadt Altenburg zu leiten pflegen, gehören meist Coterien an, die im Stillen sehr thätig sind, um ihren Einfluß nach allen Seiten hin auszudehnen, und denen sich in der That wenig¬ stens in der Hauptstadt (wahrscheinlich auch in den Provinzialstädten) nnr wenige zu entziehen vermögen. So ist die „A. Z." das ausgesprochene und ausgeprägte Organ der nationalliberalen Partei im Lande. Allein, dies ist nicht der einzige Charakter der Zeitung. Da es kein offi¬ zielles oder offiziöses Organ gibt (das Amtsblatt enthält außer den eigentlich amtlichen Nachrichten nur Annoncen), so dient sie vorkommenden Falls auch als offiziöse Zeitung. Daß die Regierung eine Nachricht, insbesondere eine Richtigstellung verbreitet wissen will, welche Parteiblätter von selbst nicht leicht bringen, dieser Fall kommt hier nicht häufig, aber doch bisweilen vor, und für diese Fälle steht eben nur die ,.A. Z." zur Verfügung. Als vor einer Reihe von Jahren die „A. Z." einen Artikel brachte, welcher von Altenburg — jeden¬ falls aus ihren Kreisen — an eine auswärtige Zeitung geschickt worden war, und in welchem der Minister v. Gerstenbergk als unfähig für seinen Posten hingestellt wurde, da tauchte allerdings einmal die Idee auf, dem Amtsblatte eine politische Beilage beizugeben, damit die Regierung nicht von einem Blatte abhängig sei, das dieselbe unter Umständen bekämpfe; die Ausführung unter- blieb aber damals, jedenfalls in der Erwartung, daß die „A. Z." der Regie¬ rung unter Umständen zur Verfügung stehen und sie nicht bekämpfen werde, was auch in der That unter der Geschäftsleituug Gerstenbergks nicht wieder vorgekommen ist. Wie wenig man sich aber in dieser Beziehung ans das lei¬ tende Organ verlassen kann, zeigt folgender Fall. Im Frühjahr d. I. starb der Generalsuperintendent Dr. Braune, ein Mann, der wegen seiner Thätigkeit als Theolog weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt ist, und dessen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/254>, abgerufen am 26.06.2024.