Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.seltene Liebenswürdigkeit, dessen feines, geistvolles Wesen jedem, der mit ihm in Einige Zeit nach seinem Tode erschien in der "A. Z." ein Vorschlag zur seltene Liebenswürdigkeit, dessen feines, geistvolles Wesen jedem, der mit ihm in Einige Zeit nach seinem Tode erschien in der „A. Z." ein Vorschlag zur <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0255" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/143310"/> <p xml:id="ID_745" prev="#ID_744"> seltene Liebenswürdigkeit, dessen feines, geistvolles Wesen jedem, der mit ihm in<lb/> Berührung gekommen, unvergeßlich bleiben wird. Braune war orthodox; wenn<lb/> sich aber der gewöhnliche Bierphilister — gleichviel, ob er Braunbier oder<lb/> Vairisches trinkt, ob er das Kasino oder eine bescheidene Vorstadtschenke be¬<lb/> sucht — darunter einen finsteren Zeloten denkt, der nur von Gottes Zorn<lb/> und der Sünde der Menschheit spricht und all den edeln Lebensgenuß verpönt,<lb/> der den Philister so glücklich macht, so war Braune, wie recht viele Orthodoxe,<lb/> ein großer Freund geselliger Heiterkeit, voll Humors und sprühenden Witzes,<lb/> unerschöpflich z. B. bei Tasel, wo jeder Toast ihn zu zündender Erwiederung<lb/> anregte. Aber freilich, orthodox war er doch gewesen! Er hatte es öfter aus¬<lb/> gesprochen, daß zwar das Kirchegehen keinen Menschen fromm mache, daß aber<lb/> der Fromme in die Kirche gehe; daß, wer am Sonnabend in Familie oder<lb/> auf der Kneipe große Schmäuse oder Bälle feiere und sich den Leib voll Bier<lb/> oder Wein schlage, am Sonntage nicht aufgelegt sein könne, den Gottesdienst<lb/> zu besuche». Auch ging er nicht, wie das manche Geistliche thaten, regelmüßig<lb/> aus die Kneipe, und gab damit in unerfreulicher Weise zu erkennen, daß er —<lb/> manches anders mache als der Bierphilister und wohl auch von andern<lb/> wünsche. Bei seinem Tode aber rühmte ihn die „A. Z." in gebührender Weise,<lb/> und wer die Verehrung des Redakteurs für den Verstorbenen kennt, der weiß,<lb/> daß ihm, was er sagte, aus dem Herzen kam.</p><lb/> <p xml:id="ID_746" next="#ID_747"> Einige Zeit nach seinem Tode erschien in der „A. Z." ein Vorschlag zur<lb/> neuen Besetzung der Generalsuperintendentur, in welchem der Sohn des be¬<lb/> kannten Kirchenhistorikers Hase in Jena, gegenwärtig Divisionsprediger in<lb/> Königsberg, als der geeignetste Nachfolger Braunes bezeichnet wurde. Wir<lb/> gestehen, daß wir diesen Herrn persönlich nicht kennen; von Studiengenossen<lb/> desselben hören wir, daß er ein flotter Student, ein netter Mensch, so was<lb/> man einen Kowo dsllus nennt, gewesen sei, der später eine Gräfin Kalkreuth<lb/> geheirathet habe, aber in wissenschaftlicher Hinsicht keineswegs über das Mittel¬<lb/> mäßige emporrage. Kaum war dieser Vorschlag heraus, als von einer Stelle,<lb/> vou der aus ganz allein die Entscheidung über die Besetzung dieser Stelle zu<lb/> erfolgen hat, das größte Mißfallen darüber laut wurde; zugleich wurde gewünscht,<lb/> man möge es Jedermann sagen, der es wissen wolle: man habe an maßgebender<lb/> Stelle nie daran gedacht und werde niemals daran denken, diesen<lb/> Mann zum Generalsuperintendenten zu berufen. Dies wurde auch der „A. Z."<lb/> berichtet; sie selbst nahm die Notiz am 7. September auf: aus sicherster Quelle<lb/> gehe ihr die Mittheilung zu, daß in Bezug auf die Wiederbesetzung der<lb/> Generalsuperintendentur Verhandlungen oder Entschließungen nach keiner Seite<lb/> bis jetzt stattgefunden hätten, alle Gerüchte über den muthmaßlichen Nachfolger<lb/> daher aller Begründung entbehrten. Ob der Passus, worin auch für die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0255]
seltene Liebenswürdigkeit, dessen feines, geistvolles Wesen jedem, der mit ihm in
Berührung gekommen, unvergeßlich bleiben wird. Braune war orthodox; wenn
sich aber der gewöhnliche Bierphilister — gleichviel, ob er Braunbier oder
Vairisches trinkt, ob er das Kasino oder eine bescheidene Vorstadtschenke be¬
sucht — darunter einen finsteren Zeloten denkt, der nur von Gottes Zorn
und der Sünde der Menschheit spricht und all den edeln Lebensgenuß verpönt,
der den Philister so glücklich macht, so war Braune, wie recht viele Orthodoxe,
ein großer Freund geselliger Heiterkeit, voll Humors und sprühenden Witzes,
unerschöpflich z. B. bei Tasel, wo jeder Toast ihn zu zündender Erwiederung
anregte. Aber freilich, orthodox war er doch gewesen! Er hatte es öfter aus¬
gesprochen, daß zwar das Kirchegehen keinen Menschen fromm mache, daß aber
der Fromme in die Kirche gehe; daß, wer am Sonnabend in Familie oder
auf der Kneipe große Schmäuse oder Bälle feiere und sich den Leib voll Bier
oder Wein schlage, am Sonntage nicht aufgelegt sein könne, den Gottesdienst
zu besuche». Auch ging er nicht, wie das manche Geistliche thaten, regelmüßig
aus die Kneipe, und gab damit in unerfreulicher Weise zu erkennen, daß er —
manches anders mache als der Bierphilister und wohl auch von andern
wünsche. Bei seinem Tode aber rühmte ihn die „A. Z." in gebührender Weise,
und wer die Verehrung des Redakteurs für den Verstorbenen kennt, der weiß,
daß ihm, was er sagte, aus dem Herzen kam.
Einige Zeit nach seinem Tode erschien in der „A. Z." ein Vorschlag zur
neuen Besetzung der Generalsuperintendentur, in welchem der Sohn des be¬
kannten Kirchenhistorikers Hase in Jena, gegenwärtig Divisionsprediger in
Königsberg, als der geeignetste Nachfolger Braunes bezeichnet wurde. Wir
gestehen, daß wir diesen Herrn persönlich nicht kennen; von Studiengenossen
desselben hören wir, daß er ein flotter Student, ein netter Mensch, so was
man einen Kowo dsllus nennt, gewesen sei, der später eine Gräfin Kalkreuth
geheirathet habe, aber in wissenschaftlicher Hinsicht keineswegs über das Mittel¬
mäßige emporrage. Kaum war dieser Vorschlag heraus, als von einer Stelle,
vou der aus ganz allein die Entscheidung über die Besetzung dieser Stelle zu
erfolgen hat, das größte Mißfallen darüber laut wurde; zugleich wurde gewünscht,
man möge es Jedermann sagen, der es wissen wolle: man habe an maßgebender
Stelle nie daran gedacht und werde niemals daran denken, diesen
Mann zum Generalsuperintendenten zu berufen. Dies wurde auch der „A. Z."
berichtet; sie selbst nahm die Notiz am 7. September auf: aus sicherster Quelle
gehe ihr die Mittheilung zu, daß in Bezug auf die Wiederbesetzung der
Generalsuperintendentur Verhandlungen oder Entschließungen nach keiner Seite
bis jetzt stattgefunden hätten, alle Gerüchte über den muthmaßlichen Nachfolger
daher aller Begründung entbehrten. Ob der Passus, worin auch für die
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