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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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entsteht dieser durch eine Atmosphäre des Planeten. Denn da eine solche
dichter wird, je mehr man sich der Oberfläche des Planeten nähert, so muß
der Rand des Mars vermöge der Strahlenbrechung eine größere Menge
Sonnenlicht in das Auge des terrestrischen Beobachters werfen als eine gleich
große Fläche an einer andern Stelle des Planeten. Der Lichtschein am
Rande gibt unzweifelhaft Zeugniß von der Atmosphäre, deren Vorhandensein
übrigens ebenfalls aus spektroskopischen Beobachtungen folgt. Daß dieselbe
auch Wasserdampf enthält, wenn auch nicht soviel wie die irdische, wurde be¬
reits bemerkt.

Die hellen Stellen des Mars strahlen ein Licht aus etwa von der Farbe
der Ziegelsteine. Dieser Umstand läßt auf ähnliche Verhältnisse schließen, wie,
sie an der Erdoberfläche vorkommen. Wir nehmen diese Farbe wahr an kahlen
Bergen, geackerten Feldern, großen Wüstenstrecken. Pflanzenwuchs in Heller
Beleuchtung, aus großer Ferne gesehen, wird nur dazu dienen, dem Gelb und
Braun eine hellere Nüance zu geben; er wird nicht als grün erscheinen.
Es mag daher wohl Pflanzenwuchs sein, welcher die helleren Partieen in manchen
Marsländern hervorruft, Pflanzenwuchs, wie ihn unsere nördlichen Länder be¬
sitzen. Tropische Vegetation dürfen wir schon deshalb nicht annehmen, weil
vorübergehende blendende Erleuchtung kleiner Stellen des Mars nur als fal¬
lender Schnee gedeutet werden kann, auch steht dies mit den Umstände im Ein¬
klang, daß der Mars jedenfalls ein älterer Planet ist als die Erde und sich,
da auch seine Masse geringer ist, bereits bedeutend stärker abgekühlt hat.

Dies sind in Kürze die Hauptergebnisse der letzten Marsbeobachtungen.
Die Zukunft wird unzweifelhaft noch weitere Aufschlüsse zu Tage fördern und
uns immer mehr Einblick gewähren, einerseits in die Entwickelung des Planeten¬
systems, andrerseits in die unserer Erde. Nur das eine sei noch erwähnt, daß
die Entdeckung der Marsmonde zur genauen Berechnung der Masse des Planeten
geführt hat. Dieselbe beträgt nicht ganz die Hälfte der Erbmasse, und ein
fallender Stein legt aus dem Mars in der ersten Sekunde nicht wie bei uns
gegen 5 Meter, sondern nur etwa 2 Meter zurück. Ein Turner, der auf der
Erde 1,5 Meter hoch springt, würde es auf dem Mars bis über 3 Meter
bringen können, und ein Sprung aus dem Fenster des zweiten Stockes wäre
dort keine halsbrecherische That.




Grenzboten to. 1879.:!1

entsteht dieser durch eine Atmosphäre des Planeten. Denn da eine solche
dichter wird, je mehr man sich der Oberfläche des Planeten nähert, so muß
der Rand des Mars vermöge der Strahlenbrechung eine größere Menge
Sonnenlicht in das Auge des terrestrischen Beobachters werfen als eine gleich
große Fläche an einer andern Stelle des Planeten. Der Lichtschein am
Rande gibt unzweifelhaft Zeugniß von der Atmosphäre, deren Vorhandensein
übrigens ebenfalls aus spektroskopischen Beobachtungen folgt. Daß dieselbe
auch Wasserdampf enthält, wenn auch nicht soviel wie die irdische, wurde be¬
reits bemerkt.

Die hellen Stellen des Mars strahlen ein Licht aus etwa von der Farbe
der Ziegelsteine. Dieser Umstand läßt auf ähnliche Verhältnisse schließen, wie,
sie an der Erdoberfläche vorkommen. Wir nehmen diese Farbe wahr an kahlen
Bergen, geackerten Feldern, großen Wüstenstrecken. Pflanzenwuchs in Heller
Beleuchtung, aus großer Ferne gesehen, wird nur dazu dienen, dem Gelb und
Braun eine hellere Nüance zu geben; er wird nicht als grün erscheinen.
Es mag daher wohl Pflanzenwuchs sein, welcher die helleren Partieen in manchen
Marsländern hervorruft, Pflanzenwuchs, wie ihn unsere nördlichen Länder be¬
sitzen. Tropische Vegetation dürfen wir schon deshalb nicht annehmen, weil
vorübergehende blendende Erleuchtung kleiner Stellen des Mars nur als fal¬
lender Schnee gedeutet werden kann, auch steht dies mit den Umstände im Ein¬
klang, daß der Mars jedenfalls ein älterer Planet ist als die Erde und sich,
da auch seine Masse geringer ist, bereits bedeutend stärker abgekühlt hat.

Dies sind in Kürze die Hauptergebnisse der letzten Marsbeobachtungen.
Die Zukunft wird unzweifelhaft noch weitere Aufschlüsse zu Tage fördern und
uns immer mehr Einblick gewähren, einerseits in die Entwickelung des Planeten¬
systems, andrerseits in die unserer Erde. Nur das eine sei noch erwähnt, daß
die Entdeckung der Marsmonde zur genauen Berechnung der Masse des Planeten
geführt hat. Dieselbe beträgt nicht ganz die Hälfte der Erbmasse, und ein
fallender Stein legt aus dem Mars in der ersten Sekunde nicht wie bei uns
gegen 5 Meter, sondern nur etwa 2 Meter zurück. Ein Turner, der auf der
Erde 1,5 Meter hoch springt, würde es auf dem Mars bis über 3 Meter
bringen können, und ein Sprung aus dem Fenster des zweiten Stockes wäre
dort keine halsbrecherische That.




Grenzboten to. 1879.:!1
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[0241] entsteht dieser durch eine Atmosphäre des Planeten. Denn da eine solche dichter wird, je mehr man sich der Oberfläche des Planeten nähert, so muß der Rand des Mars vermöge der Strahlenbrechung eine größere Menge Sonnenlicht in das Auge des terrestrischen Beobachters werfen als eine gleich große Fläche an einer andern Stelle des Planeten. Der Lichtschein am Rande gibt unzweifelhaft Zeugniß von der Atmosphäre, deren Vorhandensein übrigens ebenfalls aus spektroskopischen Beobachtungen folgt. Daß dieselbe auch Wasserdampf enthält, wenn auch nicht soviel wie die irdische, wurde be¬ reits bemerkt. Die hellen Stellen des Mars strahlen ein Licht aus etwa von der Farbe der Ziegelsteine. Dieser Umstand läßt auf ähnliche Verhältnisse schließen, wie, sie an der Erdoberfläche vorkommen. Wir nehmen diese Farbe wahr an kahlen Bergen, geackerten Feldern, großen Wüstenstrecken. Pflanzenwuchs in Heller Beleuchtung, aus großer Ferne gesehen, wird nur dazu dienen, dem Gelb und Braun eine hellere Nüance zu geben; er wird nicht als grün erscheinen. Es mag daher wohl Pflanzenwuchs sein, welcher die helleren Partieen in manchen Marsländern hervorruft, Pflanzenwuchs, wie ihn unsere nördlichen Länder be¬ sitzen. Tropische Vegetation dürfen wir schon deshalb nicht annehmen, weil vorübergehende blendende Erleuchtung kleiner Stellen des Mars nur als fal¬ lender Schnee gedeutet werden kann, auch steht dies mit den Umstände im Ein¬ klang, daß der Mars jedenfalls ein älterer Planet ist als die Erde und sich, da auch seine Masse geringer ist, bereits bedeutend stärker abgekühlt hat. Dies sind in Kürze die Hauptergebnisse der letzten Marsbeobachtungen. Die Zukunft wird unzweifelhaft noch weitere Aufschlüsse zu Tage fördern und uns immer mehr Einblick gewähren, einerseits in die Entwickelung des Planeten¬ systems, andrerseits in die unserer Erde. Nur das eine sei noch erwähnt, daß die Entdeckung der Marsmonde zur genauen Berechnung der Masse des Planeten geführt hat. Dieselbe beträgt nicht ganz die Hälfte der Erbmasse, und ein fallender Stein legt aus dem Mars in der ersten Sekunde nicht wie bei uns gegen 5 Meter, sondern nur etwa 2 Meter zurück. Ein Turner, der auf der Erde 1,5 Meter hoch springt, würde es auf dem Mars bis über 3 Meter bringen können, und ein Sprung aus dem Fenster des zweiten Stockes wäre dort keine halsbrecherische That. Grenzboten to. 1879.:!1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/241>, abgerufen am 23.07.2024.